Frau Aigner und der bayerische Wohnungsbau

„Mit ’nem Löffelchen voll Zucker schmeckt dir ...“

3.10.2018


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Wohnungsgipfel in Berlin

1,5 Millionen neue Wohnungen will die Bundesregierung bis 2021 bauen lassen. Dafür saßen Bauunternehmer mit Gewerkschaften und Mieterverbänden an einem Tisch. Geplant sind Reformvorschriften, die den Bau erleichtern, beschleunigen und billiger machen sollen. Laut „manager-magazin.de“ soll „der Bau von erschwinglichen Mietwohnungen durch Steuererleichterungen für Bauherren gefördert werden. Sie können die Aufwendungen über eine Sonderabschreibung besser von ihrer Steuerlast absetzen. Das gilt auch bei der Umwidmung von Gewerbeflächen oder dem Ausbau von Dachgeschossen zu Mietwohnungen.“

Die Verschärfung der „Mietpreisbremse“ soll zu einer weitergehenden Auskunftspflicht des Vermieters führen. Der soziale Wohnungsbau wird vom Bund in den nächsten drei Jahren mit fünf Milliarden Euro gefördert, die über die Länder verteilt werden sollen.

Gebaut werden soll (laut den Nachrichten in B 5 aktuell am 21.09.2018) schnell und möglichst ohne längeres Genehmigungsverfahren, obwohl Bundesjustizministerin Katarina Barley bereits jetzt davor warnt, die Standards zu senken, insbesondere was die Vorschriften zur Energieeffizienz und Barrierefreiheit betrifft.

Im Bayernkurier vom Juli diesen Jahres kommt dazu die bayerische Bau- und Verkehrsministerin Ilse Aigner zu Wort. „Bauen ist die beste Medizin“ meint Aigner und will „für Investitionen in den Mietwohnungsbau eine bis 2021 befristete Sonderabschreibung in Höhe von jährlich fünf Prozent einführen, um hier einen zusätzlichen Impuls zu setzen“. Dies sei auch im Koalitionsvertrag bereits vereinbart. Ganz zentral sei dabei das Baukindergeld, für das der Bund jährlich 1.200 Euro pro Kind pro Jahr über zehn Jahre rückwirkend zum 01.01.2018 zahlen würde. „Der Freistaat legt dann noch einmal 300 Euro pro Jahr und Kind obendrauf “, meint Aigner in dem von Thomas Röll geführten Interview im Bayernkurier, Ausgabe 7/2018. Und dazu käme noch „die bayerische Eigenheimzulage in Höhe von 10.000 Euro“.

Auf die Frage „Kritiker sagen, das klingt zwar nach viel Geld, hilft aber beispielsweise Immobilienkäufern in München nicht wirklich“ antwortet Frau Aigner, „das Baukindergeld ist ja auch als Erleichterung beim Schuldendienst gedacht. Deshalb wird es auch nicht auf einmal, sondern jährlich ausgezahlt. Und wenn man pro Kind 1.500 Euro im Jahr zusätzlich tilgen kann, dann ist das schon eine beträchtliche Entlastung“.

Mit ihrer Parole „Bauen ist die beste Medizin“ wendet sich die bayerische Ministerin an die Mittelschicht. In diesem Artikel wollen wir am Beispiel einer Familie aus dieser Schicht – mit 4.800 Euro Monatseinkommen netto – berechnen, wie sie wegkommt, wenn sie sich auf eine Eigentumswohnung einlässt. Im Vergleich dazu wollen wir auch berechnen, wie die monatlichen Ausgaben des Ehepaares wären, wenn es eine vergleichbare Wohnung mietet. Nach unseren nachfolgenden Berechnungen hätte das Ehepaar etwas niedrigere monatliche Gesamtausgaben, wenn es Wohneigentum erwirbt statt mietet.

Am Ende machen wir noch eine Rechnung, was für einen Investor herausspringt, der die Immobilie nicht selbst bewohnt, sondern vermietet.

Ausgerechnet

Eine Familie: Er ist Ingenieur, sie arbeitet Teilzeit zu 20 Prozent. Beide haben zwei schulpflichtige Kinder. Die Familie lebt in einer mittelgroßen Stadt in Bayern, wie zum Beispiel Augsburg.

Das gemeinschaftliche verfügbare Einkommen beträgt monatlich 4800 Euro.

Sie wollen eine Eigentumswohnung mit 95 m² Wohnfläche kaufen.

Der Preis für die Wohnung liegt bei 475.000 Euro (5000 Euro/ m²). Hinzu kommen Sonderwünsche für 20.000 Euro.

Ihr Eigenkapital beträgt 100.000 Euro.

Für Grunderwerbssteuer und Notarkosten müssen sie mit 4,5 Prozent des Kaufpreises rechnen. Also mit 21.375 Euro; für die Grundbucheintragung der Auflassungsvormerkung 467,50 Euro, die Eintragung des Eigentums 935 Euro sowie Vermessungskosten (pauschal) 200 Euro.

Unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Zuschüsse (vom Bund 24.000 Euro und vom Land Bayern mit 6.000 Euro + 10.000 Euro) macht das insgesamt eine erforderliche Finanzierung von 377.977,50 Euro. Die versprochenen Zuschüsse behandeln wir als sofortige Einmalzahlung damit uns die Rechnung mit dem Kredit leichter fällt.

Den Zuschuss würden sie allerdings nur bekommen, wenn das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr die im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz hierfür vorgesehenen Einkommensgrenzen ändert. Ansonsten würde das Ingenieursehepaar wegen zu hohen Einkommens nicht unter die Förderrichtlinien fallen. Diese sehen in Art. 11 BayWoFG eine Einkommensgrenze von 34.500 Euro für das Ehepaar plus 17.000 Euro für zwei Kinder plus weitere 2500 Euro für jedes Kind vor.

Den Freibetrag bekommen sie allerdings nur, wenn sie noch nicht sieben Jahre verheiratet sind (Art. 5 Abs.2 Ziff 2 BayWoFG, Stand 25.05.2018). Es zählt das Ende des Jahres nach dem Jahr der Eheschließung.

Falls sie also den Zuschuss bekommen sollten, müssten Sie mindestens einen Kredit von mindestens 375.000 Euro aufnehmen. Im Falle einer zehnjährigen Zinsbindung würden sie hierfür mit einer monatlichen Darlehensrate von 968,75 Euro belastet.

Die Ausgaben eines Eigentümers unterscheiden sich also nicht wesentlich von denen eines Mieters.
Nach § 10 e Einkommensteuer-gesetz alter Fassung kam der Eigentümer günstiger weg. Hiernach konnten Bauherren und Erwerber einer zu eigenen Wohn-zwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus eine Steuervergünstigung nach § 10 e EStG in Anspruch nehmen. Im Moment gibt es diese lineare Abschreibung nur für den Vermieter.

Käufer der Eigentumswohnung ist Vermieter

Zugrunde gelegt wurde hier folgendes Beispiel: Ein Geldanleger kauft die gleiche Eigentumswohnung für 475.000 Euro und vermietet diese an unser Ingenieursehepaar. Den Kaufpreis zahlt er Cash, weil er durch Auflösung anderer Geldanlagen gerade so viel in der Tasche hat.

Für Grunderwerbssteuer und Notarkosten muss er mit 4,5 Prozent des Kaufpreises rechnen. Also mit 21.375 Euro; für die Grundbucheintragung der Auflassungsvormerkung 467,50 Euro, die Eintragung des Eigentums 935 Euro sowie Vermessungskosten (pauschal) 200 Euro.

Für Sonderwünsche, die er selbst übernimmt (z.B. ein zusätzlicher Heizkörper im Bad und etwas teurere Fliesen) rechnen wir mit 20.000 Euro. Also betragen seine Ausgaben insgesamt 517.978 Euro.

Auf Grund steuerrechtlicher Abschreibungsmöglichkeit von 5 Prozent jährlich gerechnet auf drei Jahre hat er folgende Abzugsmöglichkeiten:

Wir nehmen ein Wohngebäude mit vier Stockwerken von jeweils 120 m² Wohnfläche pro Etage – macht insgesamt 480 Quadratmeter Wohnfläche. Dann entfallen auf jeden Quadratmeter Sondereigentum (1000 : 480 = 2,0833) 2,0833/1000 Miteigentumsanteile. Eine Wohnung mit 95 m² hat also einen Miteigentumsanteil von 95 x 2,0833 = 197,92/1000

Sondereigentum (weitere Räume wie Keller sind hier nicht berücksichtigt). Mit einer Tiefgarage für acht Stellplätze und dem Weg zum Haus soll das gesamte Grundstück 285 m² Grundfläche haben.

Über die Internetseite https://www.steuertipps.de/selbststaendig-freiberufler/themen/aufteilung-grundstueckskaufpreis gelangt man zum Berechnungsprogramm des Bundesfinanzministeriums, dessen Kaufpreisaufteilung von der Finanzverwaltung akzeptiert wird.

Gibt man die angegebenen Werte dort ein, rundet das Programm den Miteigentumsanteil automatisch auf und es ergibt sich folgendes Bild:


Unter der Voraussetzung, dass das Wohngebäude noch im Jahr 2018 bezugsfertig ist, nehmen wir die ausgewiesene Zahl von 20.851 Euro als Kaufpreisanteil für Grund und Boden und machen damit folgende Rechnung auf:



Die Gewinnspanne für private Geldanleger beträgt nach dieser Rechnung pro m²: 866,83 Euro unversteuert, vorausgesetzt der Geldanleger würde die Eigentumswohnung nach drei Jahren für einen Preis von 490.000 Euro wieder verkaufen, und braucht beim Kauf keinen Kredit aufzunehmen.

Bei einer Anlage seines Geldes (475.000) in Aktien hätte er – bei einer durchschnittlichen Entwicklung des Aktienkurses von +2,5 % jährlich – nach drei Jahren einen Gewinn von mindestens 35.625 Euro erzielt. Mit 25 % Kapitalertragssteuer muss er rechnen. (Es sei denn, er hat Anlagen im Ausland, da gelten andere Regeln.) Also nach Steuerabzug würden ihm insgesamt ein Gewinn von 26.718 Euro verbleiben.



Ein Investor in Immobilien beziehungsweise Vermieter kann also ordentlich Gewinn machen, auch wegen großzügiger steuerlicher Sonderabschreibungsmöglichkeiten.

Wenn der Anleger sein Kapital in Aktien anlegt, hat er in der Regel weniger Gewinn und trägt obendrein das Kursrisiko. Als Investor in Immobilien muss er allerdings eine „Immobilienblase“ befürchten, die sich in der Regel jedoch vorher abzeichnet.

Fazit:

Aigners Angebot „Bauen ist die beste Medizin“ spricht nur die Mittelschicht an und ist bei selbstgenutztem Wohnraum nicht unbedingt vorteilhaft im Vergleich zur Miete. Eigentlich ist Aigners Angebot nur für Investoren, die vermieten, „die beste Medizin“.

Mary Poppins und Team, 3. Oktober 2018

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Quellen

http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/wohnungsgipfel-das-sind-die-ergebnisse-a-1229434.html

Bayernkurier, Ausgabe 7/2018 auf den Seiten 26 bis 29, erhältlich unter www.bayernkurier.de

Wikipedia:

„Die Summe aller Wohn- und Nutzflächen des Sondereigentums an einem Gebäude beträgt 800 Quadratmeter (m²). Dann entfallen auf jeden Quadratmeter Sondereigentum (1000 : 800 = 1,25) 1,25/1000 Miteigentumsanteile (MEA). Eine Wohnung in diesem Gebäude, die 50 m² Wohnfläche hat, entspräche demnach 50 × 1,25 = 62,5/1000 MEA“

Augsburger Allgemeine Zeitung vom 14.01.2016:

„Erhoben wird die Grundsteuer von der Stadt. Das Finanzamt führt für jedes Grundstück, das bebaut oder bebaubar ist, eine Art fiktive Wertermittlung durch. Es fließen Größe, Lage und bei Bebauung Baujahr und Wohnfläche ein. Die Daten gehen an die Kommune, die mit einem Faktor (Hebesatz) festlegt, in welcher Höhe besteuert wird. Augsburg wird mit der Erhöhung auf 565 Punkten bayernweit mit an der Spitze stehen. Der bisherige Wert von 485 Punkten lag unter dem bayernweiten Wert für Städte dieser Größe. Pauschale Aussagen zur Höhe der Steuer für eine Wohnung sind schwierig, weil bei der Wertermittlung viele Faktoren wie das Baujahr eine Rolle spielen.

Es gibt aber Richtwerte. Für eine 40-Quadratmeter-Wohnung fallen künftig jährlich 93 statt 80 Euro an, für eine 110-Quadratmeter-Wohnung 490 statt 420 Euro. Bei einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter Wohnfläche und 700 Quadratmeter Grund) werden es etwa 580 statt 500 Euro sein. Besteuert wird mit der Grundsteuer das Eigentum an Grundstücken. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Grunderwerbssteuer, die einmalig beim Kauf fällig wird“

Demnach ergibt sich auf eine 95 m² Wohnung eine jährliche Grundsteuer von 422,75 Euro

Bezogen auf eine Größe von 4,45/m2 bei den Hebesatz Punkten 565

https://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Augsburg/1231 handelt mit einem Mietpreis von 10,02 m²

bei https://www.miet-check.de/preisatlas.php findet man „Wer in Göggingen-Nordwest im vergangenen Jahr eine Wohnung anmietete, zahlte im Schnitt einen Immobilienpreis pro Quadratmeter von 10,30 Euro“

https://www.baufi24.de/baufinanzierung-rechner/(Unsere Zahlen haben wir dort Ende September 2018 eingegeben. Spätere Zinsmarkt-bedingte Änderungen haben wir nicht mehr berücksichtigt, Anm. der Red.)

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayWoFG-11 

https://bayernlabo.de/eigenwohnraumfoerderung/eigenheimzulage/


   
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