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Zu den Bundestagswahlen 2017 – Teil 1Ein Fiasko für die Union,
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Ein strahlender Seehofer im Wahlkampf an jeder Ecke in Bayern. „Klar für unser Land. CSU“. Die Plakate fingen aus lauter Begeisterung gleich noch selbst zu glänzen an. Seehofer verrät uns nicht, was alles „unser, Land“ ist oder nach diversen Feldzügen sein wird. Bayern, Deutschland, Europa, Afghanistan, Mali, Russland …? |
Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass auch Edmund Stoiber an die Macht kam, weil sein Vorgänger nicht mehr haltbar war – damals Max Streibl, wegen der Amigo-Affäre. Streibl wurde 1993, ein Jahr vor der Landtagswahl, durch Stoiber ersetzt. Der Autor Peter Köpf schreibt in seinem Buch über Stoiber: „Es ging ein Gespenst um in diesen ersten Monaten des Jahres 1994, das Gespenst vom Verlust der Macht, zumindest aber der absoluten Mehrheit in Bayern. 40 Prozent gaben die Demoskopen der CSU.“ (3). Damals aber prallte die Amigo-Affäre an der CSU ab und die prophezeite historische Niederlage für Stoiber bei den Landtagswahlen 1994 trat nicht ein. Im Gegenteil, Köpf schreibt:
„Das bisschen Amigo – da drückten sie [gemeint sind die bayerischen Wähler; Anm. d. Red.] ein Auge zu. Wichtiger war den Bayern offenbar, dass da einer war, der sich um ihre Interessen kümmerte: die harte D-Mark und die vielen Ausländer. ( … )
In den Tagen und Wochen vor dem 25. September 1994 fanden die Bayern wieder die Überzeugung, wer wirklich für sie Politik machte, besser sogar als die Reps. Diese scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde, 52,8 Prozent der Bayern stimmten für die CSU.“ (4, 5)
Schon damals zog die CSU die ausländerfeindliche Karte, vor allem wenn es kritisch wurde. Stoiber hetzte im Wahljahr 1994 gegen das Asylrecht und angeblich eine Million Zuwanderer pro Jahr. In Bayern käme „jedes Jahr eine Stadt in der Größenordnung Würzburgs“ an Flüchtlingen hinzu. Bemerkenswert dabei ist, dass es der CSU damals noch gelang, eine Partei wie die REP niederzuhalten. Die CSU schreckte dabei auch nicht davor zurück, sich mit prominenten Maastricht-Gegnern zusammenzutun und sich auch mit dem FPÖ-Vorsitzenden Haider an einen Tisch zu setzen. Peter Köpf schreibt:
„Ungeniert umwarb er [Stoiber; Anm. d. Red.] das ehemalige FDP-Mitglied Manfred Brunner, der als Maastricht-Gegner eine »Bürgerbewegung für ein Europa der Nationen« gründen wollte. Peter Gauweiler (vor der Demission), Landwirtschaftsminister Reinhold Bocklet, Innenstaatssekretär Alfred Sauter und Finanzminister Georg von Waldenfels unterstützten Stoiber beim Versuch, Brunner einzugemeinden oder wenigstens für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. ( … ) Wes Geistes Kind die Fusionisten waren, zeigte sich kurz vor den Wahlen. Da sprach Brunner im Haus der Studentenverbindung Trifels, deren Mitglied auch Stoiber ist. Mit dabei: Jörg Haider.“ (6)
Auch im Wahlkampf zu den Bundestagswahlen 2002 zog Stoiber, der als Kanzlerkandidat gegen Schröder antrat, die rassistische Karte, als es eng wurde und der Vorsprung der Union vor der SPD zunehmend dahinschmolz. In der von Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily gegründeten Zuwanderungskommission unter Leitung von Rita Süssmuth (CDU) hatte man sich schon auf eine Empfehlung geeinigt, die sogar CSU-Generalsekretär Thomas Goppel unterstützte. Da scherte Stoiber aus dem Parteienkompromiss aus und vermisste wirksamere Maßnahmen gegen „Asylmissbrauch“ und eine Senkung des Familiennachzugsalters. Stoiber legte die alte Platte auf, angesichts einer hohen Zahl von Arbeitslosen könne denen eine weitere Zuwanderung nicht erklärt werden. Damit verkoppelte Stoiber die „K-Frage“ mit der „Z(uwanderungs)-Frage“. Als Zweites forderte Stoiber im Bundestagswahlkampf vehement Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit: bundesweite Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungen, Wiedereinführung der Kronzeugenregelung, Kooperation zwischen Polizei und Verfassungsschutz und vieles mehr. Vorwand war der 11. September in den USA (7).
Stoiber, beziehungsweise die Union, verlor 2002 gegen Schröder ganz knapp mit 6000 Zweitstimmen. Stoiber war vor den Bundestagswahlen von einem Teil der Partei gewarnt worden, sich als Kanzlerkandidat zur Verfügung zu stellen, da eigentlich allgemein mit einer Niederlage gerechnet wurde und Folgen für Stoiber bei den Landtagswahlen 2003 in Bayern befürchtet wurden. Doch Stoiber ging davon aus, dass sich als Märtyrer von Berlin nach einer ehrenvollen Niederlage immer noch Punkte machen ließen in Bayern.
Dies war auch tatsächlich der Fall und die CSU holte bei den Landtagswahlen 2003 noch einmal über 60 Prozent und Stoiber gab den großen Triumphator. Aber dann – unmittelbar nach diesen Landtagswahlen – trat etwas höchst Bemerkenswertes ein. Siegesgewiss hat der bayerische Ministerrat noch vor den Landtagswahlen 2003 eine Bundesratsinitiative für ein „Wirtschaftsrecht light“ beschlossen, um „arbeitsrechtliche Überregulierungen“ „auf ein vertretbares Maß“ zurückzustutzen und die Arbeitsstättenverordnung zu „entrümpeln“. Mit einer sogenannten Deregulierungskommission wollte die bayerische Staatsregierung, gestützt auf McKinsey, eine Art Sonderwirtschaftszonen in Bayern schaffen und plante auch einen Angriff auf die Tarifautonomie (8). Das Forum solidarisches und friedliches Augsburg schrieb damals: „Die bayerische Staatsregierung ist im Siegesrausch einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Sie brennt darauf, das Arbeitsrecht zu beseitigen und die Gewerkschaften für immer auszuschalten. Sie ist so dreist und gibt zu erkennen, dass der Bericht der Deregulierungskommission als Regierungsprogramm für die nächsten Jahre zu lesen ist.“
Der Triumphator legte sich aber nicht nur mit der Arbeiterbewegung und ihren Gewerkschaften an, sondern auch mit den Studenten, den Kommunen, mit Schülern und Jugendlichen und dem Bayerischen Jugendring, mit Polizisten und Justizvollzugsbeamten, Forstleuten, Philologen, Bauern, Denkmalschützern, mit der Caritas und den von ihr unterstützten sozial Schwachen, Arbeitslosen, Kranken, ausländischen Arbeitnehmern, Behinderten und Familien mit mehreren Kindern (9).
Am 20. November 2003, genau zwei Monate nach der Landtagswahl, marschierten 40.000 Studenten auf die Staatskanzlei. Ein großes mitgeführtes Plakat zeigte Stoiber mit einem grünen Gürtel um den Hals und in Rot die Parole: „Den Gürtel an der richtigen Stelle enger schnallen!“. Ein großes Transparent lautete: „Edmund Stoiber – Hochschulräuber“. Für die Waldarbeiter war Stoiber noch schlimmer als die Räuber: „Im Wald da sind die Räuber – noch schlimmer ist der Stoiber!“ Ein anderes Transparent der Arbeiter lautete „Wiebke, Lothar, Edmund“. Das war im Dezember 2003, im gleichen Monat gab es auch eine tumultartige Kundgebung des Philologenverbandes im Löwenbräukeller, wo der bildungspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Siegfried Schneider, ausgebuht wurde. Im Januar 2004 lehnte der Vorsitzende des bayerischen Städtetags, Oberbürgermeister Josef Deimer, die Pläne der CSU entschieden ab, die Gewerbesteuer abzuschaffen – eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen. Im Januar 2004 wurden die Teilnehmer der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth bereits auf der Hinfahrt von den Bauern gejagt. Das Forum solidarisches und friedliches Augsburg schrieb:
„In Wildbad Kreuth soll es während der Klausurtagung der CSU am 13. Januar rund gehen. „CSU im Belagerungszustand“, schreibt der Münchner Merkur und „Stoiber droht in Kreuth ein Spießrutenlauf“. „Breite Front im engen Tal – Protestwelle gegen Stoibers Turbo-Sparkurs. Für Edmund Stoiber wird das neue Jahr etwas ungemütlich beginnen: Die durch seinen Turbo-Sparkurs mobilisierte Protestfront rückt quasi auf ein Allerheiligstes der CSU vor, das legendäre Tagungszentrum in Wildbad Kreuth.“ Mit Traktoren rückten die Bauern auf die Zufahrtswege von Wildbad Kreuth zu, um die CSU-Politiker abzufangen. Auf Schleichwegen versuchten diese, in den Tagungsort zu kommen. Zuvor schon hatten Waldarbeiter mit großen Spitzhacken und Äxten gegen Stoiber und seine CSU demonstriert. Es wurde fast etwas bedrohlich für die CSU.“ (10)
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Maximilian Funke-Kaiser, ein völlig unbekannter Kandidatder FDP in Augsburg. Unter schwarz verdrecktem und vermoostem absolutem Halteverbotsschild, bei dem der Pfeil nach rechts freigeschabt ist. Die Augsburger Allgemeine berichtet von einer Podiumsdiskussion der sechs Bundestags-Direktkandidaten im Wahlkampf: Funke-Kaiser habe dem Kandidaten der AfD bescheinigt, „relativ vernünftig“ zu sein. (AZ 21.9.2017) |
Im Januar 2004 flammten auch große Unruhen wegen des G8 und der Kürzungen im Bildungsbereich auf (11). Die Kampagne von Schülern, Eltern und Lehrern gegen den Bildungsschlussverkauf in Bayern schwelte danach weiter und führte im Jahr 2009 zu einer regelrechten Explosion im Bildungsstreik an Schulen und Hochschulen in Bayern. (12). Der breite Widerstand im Bildungsbereich hat heuer, nach 13 Jahren, das G8 zu Fall gebracht und die CSU zur vollständigen Kapitulation in dieser Frage gezwungen. Solche und ähnliche schwere politische Niederlagen kann die CSU eigentlich nicht vergessen machen. Der Autor hofft, dass der CSU dabei auch ihr Säbelrasseln bei der inneren Sicherheit und ihr permanentes rassistisches Getöse gegen Flüchtlinge als Ablenkungsmanöver und Verhetzungsprogramm nicht mehr viel nützt.
Bei der Europawahl 2009 gab es eine Diskussion, ob die CSU die Fünf-Prozent-Hürde nimmt. Die 5 Prozent mussten nämlich bundesweit erreicht werden, wofür in Bayern mindestens 33,4 Prozent der Stimmen erreicht werden mussten. Bei gleichbleibender Wahlbeteiligung wie bei der Europawahl 2004 wären noch rund 36 % der bayerischen Stimmen nötig gewesen, da die Wahlbeteiligung in Bayern 2004 einiges unter dem Bundesdurchschnitt lag.
Die CSU erreichte dieses Quorum zwar, aber in der öffentlichen Diskussion war die Marke gesetzt, bei deren unterschreiten die CSU aus dem Europaparlament fliegt. Für die darauffolgende Europawahl wurde das Quorum in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen aufgehoben. Für die CSU wäre das Quorum beinahe zum Fallbeil geworden, denn sie erreichte bei der Wahl zum europäischen Parlament 2014 nur noch 5,3 Prozent bundesweit.
Für die Bundestagswahl gilt eine bundesweit zu überschreitende Fünf-Prozent-Hürde nach wie vor. Und ein weiteres Absacken der CSU würde die Partei tatsächlich in Gefahr bringen. Bei der jetzigen Bundestagswahl 2017 lag das Ergebnis für die CSU bundesweit bei 6,2 Prozent – was man schon als eine bedenkliche Annäherung an die Fünf-Prozent-Hürde sehen kann. Zwar könnte die CSU mit mindestens drei Direktmandaten ebenfalls in den Bundestag einziehen. Aber ob sie als eigene Fraktion auftreten könnte, wäre ungewiss. Denn dafür sind mindestens 5 Prozent der Abgeordneten nötig, das wären im jetzigen Bundestag fünfunddreißig. Diese Informationen stammen aus Recherchen der Augsburger Allgemeinen, die sich mit dem weiteren Schicksal von Frauke Petri im Bundestag befasst (13). Sie zeigen aber natürlich auch der CSU ihre Grenzen auf.
Die Zeiten scheinen ihrem Ende entgegenzugehen, wo die CSU durch ihre Stärke in Bayern in erheblichem Maße zum Gesamtergebnis der Union bei den Bundestags- und Europawahlen beitrug. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt in einem Dossier:
„Dass die Wahlerfolge der CSU inzwischen deutlich labiler geworden sind, zeigt ein Vergleich der Landtags- und Bundestagswahlen 2013 mit den Kommunal- und Europawahlen im Frühjahr 2014, bei denen sie mit Werten um die 40 Prozent sogar noch hinter die schlechten Ergebnisse der Landtagswahl 2008 und Bundestagswahl 2009 zurückfiel. Dabei zeigen sich neben ihrer relativen Schwäche in den Städten vor allem die zunehmenden Mobilisierungsprobleme der CSU im ländlichen Raum gegen die aufstrebende Konkurrenz der Freien Wähler.
Die geografischen Hochburgen der CSU liegen in den altbayerischen Bezirken, Schwaben sowie den katholisch geprägten Gebieten Frankens. ( … )
Hinsichtlich ihrer Sozialmerkmale sind die typischen CSU-Wähler älter als der Bevölkerungsdurchschnitt, weisen eine größere Nähe zur Kirche auf und leben häufiger auf dem Land (Sebaldt 2017: 269). Weibliche und männliche Wähler halten sich in etwa die Waage; allerdings ist der Unterschied zwischen den Altersgruppen bei den weiblichen Wählern noch stärker ausgeprägt als bei den Männern. Unter den Berufsgruppen ist das Verhältnis ebenfalls relativ ausgeglichen. Dies gilt neuerdings sogar für die Landwirte, deren Unterstützung bei der Landtagswahl 2013 auf knapp 60 Prozent zurückgegangen ist, nachdem sie 2003 noch zu über 90 Prozent für die CSU gestimmt hatten.“ (14)
Bei der Europawahl 2014 erlitt die Union Verluste, nicht nur relativ, sondern auch bei der absoluten Anzahl der Stimmen, was vor allem auf einen heftigen Einbruch der CSU zurückzuführen ist. Das Ergebnis von 40,5 Prozent, was bundesweit 5,3 Prozent darstellte, wurde in der CSU als starke Niederlage verstanden und dass es Bernd Posselt als Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft aus dem EU-Parlament gekickt hat, war für die Kritiker der aggressiven „Vertriebenen“politik eine echt gute Nachricht.
Bei den Europawahlen 2014 bereiteten CDU und CSU schwere Angriffe auf die EU-Verfassung und die (Haushalts-)Souveränität der Mitgliedstaaten vor. Die CSU trat mit einem eigenen Wahlprogramm an, einem sogenannten Europaplan. Damit unterlief sie das Aktionsprogramm der EVP und holte aus zu einer gravierenden Einschränkung der Demokratie auf EU-Ebene. Die CSU stellte das Recht kleinerer EU-Mitgliedsländer auf einen eigenen Kommissar infrage. Außerdem propagierte die CSU eine Änderung des Wahlrechts nach dem sogenannten Prinzip „one man, one vote“, was die Vormacht Deutschlands als mitgliederstärkstes EU-Land drastisch ausgebaut hätte und von der Souveränität der Mitgliedstaaten und ihrer Gleichbehandlung nicht mehr viel übrig gelassen hätte (15). Die CSU trat mit der gewohnten Arroganz auf. Bei ihr gab es im Wahlkampf weder eine EVP – im Rahmen dieser konservativen Fraktion trat die CSU eigentlich an – noch einen Spitzenkandidaten Junker, eigentlich gab es im Wahlkampf und auf den Plakaten nur Bayern und Seehofer (16).
Zudem fuhr die CSU-Spitze im Europawahlkampf eine zweigleisige Strategie. Der Spitzenkandidat Markus Ferber, Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben und damals Vorsitzender der CSU-Europagruppe, fuhr natürlich einen pro-europäischen Kurs. Auf Initiative Seehofers wurde allerdings auch der schillernde, rechtslastige Eurokritiker Gauweiler 2013 zum Parteivize gewählt, „um vor der Europawahl auch Europa-kritischen CSU-Anhängern eine Stimme zu geben“ (17). Dieser Schlingerkurs in der Euro- und Europa-Frage führte letztendlich zum Fiasko für die CSU, zum schlechtesten Ergebnis bei einer überregionalen Wahl seit 1954.
Seehofer brachte es fertig, nach der Wahl zunächst den Spitzenkandidaten Markus Ferber verantwortlich zu machen für die Niederlage und als Vorsitzenden der Europa-Gruppe abzusägen. Die Europagruppe der CSU ist inzwischen auf fünf Abgeordnete geschrumpft. Prof. Dr. Angelika Niebler ist seit 2014 Vorsitzende der Europagruppe, Monika Hohlmeier ist parlamentarische Geschäftsführerin und Manfred Weber hat sich 2014 sogar zum Vorsitzenden der EVP-Fraktion aufgeschwungen. Markus Ferber hat neben seiner Mitgliedschaft im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr keine Funktionen mehr.
Dass Manfred Weber 2014 zum Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei EVP, der größten Fraktion im europäischen Parlament (214 von 751 Sitzen), gewählt wurde, ist schon frappierend. Die Europäische Volkspartei (EVP; englisch European People’s Party, EPP) ist eine europäische politische Partei, die sich aus christlich-demokratischen und konservativ-bürgerlichen bis hin zu nationalkonservativ-rechtspopulistischen Mitgliedsparteien in der Europäischen Union zusammensetzt. Der CSU-Politiker Manfred Weber aus Niederbayern gilt jetzt „als mächtigster Deutscher im EU-Parlament“ (18). Damit haben Parteivorstand und Präsidium der CSU, denen Manfred Weber seit 2003 beziehungsweise 2009 angehört, direkten und führenden Einfluss auf die EVP-Fraktion. Seit 2015 ist Manfred Weber sogar stellvertretender Parteivorsitzender der CSU, beherrscht als solcher auch den Vorsitz der EVP und versucht dieser Fraktion, die bayerische Linie aufzudrücken: Laut Weber gehe es heute um „die Selbstbehauptung unseres Kontinents“ und „die Sicherung der Identität Europas“. Dazu müssten die Grenzen mit aller Härte gegen illegale Migranten und Schlepperbanden geschützt werden. Auch ein „sorgenvoller Blick auf Russland“ sei angebracht – aber: „Der ‚European Way of Life‘ bedeutet auch: Wir stehen zusammen und lassen uns nicht einschüchtern. Wir brauchen eine Europäische Verteidigungsunion, die uns wehrhafter macht. Und deshalb müssen wir auch Nord Stream 2 beenden. Unsere Sicherheit ist wichtiger, als Geld zu verdienen!“ (19). Unlängst forderte Manfred Weber in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der EVP-Fraktion mit der gewohnten, CSU-eigenen Anmaßung den Rauswurf des Außenministers Johnson aus der britischen Regierung. …
Nicht nur mit Markus Ferber, auch mit Peter Gauweiler legte sich Seehofer nach den Europawahlen 2014 massiv an, was ein Jahr später zu dessen Rückzug vom Parteivorstand und sogar aus dem Bundestag führte. Theo Waigel stellte damals im März 2015 fest, Gauweiler habe in der Europapolitik der CSU immer eine Minderheitenmeinung vertreten. Der Kurs Seehofers liege in der Tradition der CSU. „Das Ergebnis der Europawahl hat gezeigt, dass die Partei keine Doppelstrategie fahren darf.“ (20)
In Sachen Gauweiler sollte man allerdings nicht übersehen, dass er politisch tatsächlich schillernd war. Die Augsburger Allgemeine berichtete zum Beispiel: „Gauweiler hatte sich in der CSU zuletzt zusehends isoliert: wegen seiner stetigen und harschen Brüssel-Kritik, aber auch, weil er die Verfassungsmäßigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr infrage gestellt hatte.“ (21).
Jedenfalls ging der Versuch der CSU, den Durchmarsch der AfD in das Europaparlament zu verhindern, schief. Bei der Europawahl 2014 bekam die CSU schlagartig massive Konkurrenz durch die AfD. Die AfD erreichte 7 Prozent und über 2 Millionen Wähler bundesweit, während die CSU nur auf 1,5 Millionen Wähler kam.
Mit 10,4 Prozent der Wählerstimmen hat die Alternative für Deutschland (AfD) übrigens damals in Augsburg eines ihrer besten Ergebnisse erzielt. Die CSU dagegen hat in Augsburg mit 34,7 Prozent rund zwölf Prozent im Vergleich zu 2009 (46,7 Prozent) eingebüßt. Daher schien ein Großteil der AfD-Wähler zu kommen.
Nachdem Gauweiler in der CSU alle seine Ämter niedergelegt hatte, erhielt er postwendend von der AfD ein Angebot. AZ online schrieb 2015:
„Die Alternative für Deutschland (AfD) machte dem Euro-Kritiker dagegen umgehend ein Angebot: ,Wir laden Herrn Gauweiler herzlich ein, der AfD beizutreten, und begrüßen es, dass er konsequent genug ist, das Versagen der Union in Sachen Eurorettungspolitik durch einen Verzicht auf alle seine Ämter in der Öffentlichkeit deutlich zu machen‘, erklärte der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke.“ (22)
Eine interessante Notiz aus dem letzten Europawahlkampf und der damaligen Rolle von Martin Schulz wollen wir hier noch zitieren:
„Selbst wenn Juncker scheitert und Schulz das Rennen als Kommissionspräsident machen sollte, wäre der deutsche Einfluss in der Kommission dennoch gestärkt. Und so pflegt der Sozialdemokrat Martin Schulz im Wahlkampf schon das Image, dass er für Deutschland kandidiert. Die SPD wirbt für ihn: ,Martin Schulz. Aus Deutschland. Für Europa.‘
Die CSU ist am Verzweifeln ob der Publicity von Martin Schulz, die in letzter Zeit stark angestiegen sein soll und inzwischen fast das Doppelte der Zustimmungswerte von Jean-Claude Juncker erreichte. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf Schulz indirekt vor, in Europa keine deutschen Interessen zu vertreten. ,Die Fassade und die Person stammen aus Deutschland, aber die Stimme und die Inhalte stammen aus den Schuldenländern.‘ Selbstverständlich wies die SPD diese Angriffe empört zurück, ,Schulz als quasi Un-Deutschen zu verunglimpfen‘.“ (23)
Die Europawahlen fanden am 25. Mai 2014 statt. Zuvor, am 16. März 2014, hatten bereits Kommunalwahlen in Bayern stattgefunden. Auch die schweren Verluste der CSU bei diesen Kommunalwahlen sind hier zu würdigen. Die bürgerlichen Medien sprachen von einem bayernweiten Debakel für die CSU (24). Die CSU ist bei diesen Kommunalwahlen im Jahr 2014 erstmals seit mehr als fünf Jahrzehnten unter die Vierzig-Prozent-Marke gerutscht. Sie kam nur noch auf 39,7 Prozent. 2008 hatte die CSU bei den Kommunalwahlen exakt 40,0 Prozent erreicht. Der Einbruch bei den Kommunalwahlen 2014 gegenüber den Vorwahlen war also gering, das Problem waren schon die Kommunalwahlen 2008 und – wie der Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, Walter Roller, vermerkte:
„Die CSU hat ihr erklärtes Wahlkampfziel, die Scharte von 2008 auszuwetzen und wieder deutlich über der Marke von 40 Prozent zu landen, glatt verfehlt. ( … ) Vor allem in Oberbayern, wo das Herz der CSU schlägt, bröckelt das lokale Fundament der Partei – mit all den Folgen, die dies langfristig für die landespolitische Position der CSU haben könnte.“ (25).
Walter Roller sagte der CSU damals erhebliche Probleme voraus und sah sogar die landespolitische Position der CSU in Gefahr. Das Forum solidarisches und friedliches Augsburg schrieb damals: „Insofern könnten diese Kommunalwahlen tatsächlich einen Wendepunkt in der bayerischen Politik markieren, der erst nach und nach sichtbar wird.“ (26).
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Plakatwand der CSU in einer finsteren Ecke des Wittelsbacher Parks in Augsburg: Integration: Leitkultur Leben! Die Hasen und Füchse und Auerhähne, die hier Leben reinbringen könnten, gibt es aber nicht mehr im städtischen Park. Wahrscheinlich wurden sie schon vor langer Zeit von Jägern aus der Partei abgeknallt. Und die Besucher des Parks meiden diese Ecke, denn hier rauscht der Mief vorbei (MIV motorisierter Individualverkehr). Der MIV ist zwar mit Sicherheit ein zentraler Bestandteil der Leitkultur der CSU, aber er integriert nicht, sondern bedeutet soundso oft eine Gefährdung und Verdrängung anderer Verkehrsteilnehmer und Verkehrsarten wie Bahn, ÖPNV, Fußgänger und Fahrradfahrer. Um es auf den Punkt zu bringen: Würde ein überzeugter CSU-Wähler dem Vorschlag der Partei an dieser Stelle folgen und Leitkultur leben, hätte er nach zwei Stunden einen Gehörschaden oder würde – wenn er sich zu weit nach links wagt – postwendend überfahren. |
Fakt ist, dass die CSU schon bei den Kommunalwahlen 2008 in den Gemeinderäten nur noch knapp über 30 Prozent hatte und hier die „Sonstigen“, vor allem die Freien Wähler, andere Wählervereinigungen und Listenverbindungen dominierten. In den kreisfreien Städten hatte die CSU die Mehrheit an die SPD verloren. Nur in den Kreisverwaltungen, Landratsämtern und Kreistagen konnte sich die CSU nach wie vor festkrallen. Seit 2008 hat die CSU also in den Kommunen in ganz Bayern definitiv nicht die Macht (27).
Bei den Kommunalwahlen 2014 sank die Wahlbeteiligung von 59,5 Prozent (2008) auf 55 Prozent. Auffallend schlecht war die Wahlbeteiligung in den Städten Kempten (41,4 Prozent), Augsburg (41,2 Prozent), Rosenheim (40,9 Prozent) und Neu-Ulm (38 Prozent). In strukturschwachen Wahlbezirken sank die Wahlbeteiligung am stärksten. Die Stichwahlen in fünf kreisfreien Städten zwischen SPD und CSU beziehungsweise zwischen CSU und Freier Wählergemeinschaft verlor die CSU bis auf Würzburg in München, Regensburg, Erlangen und Ansbach.
Bei den kreisangehörigen Gemeinden in Bayern verschlechterte sich die CSU noch einmal auf 30,2 Prozent (gegenüber 31,1 Prozent in 2008). Grüne und Freie Wähler legten zu, die SPD baute noch mal ab auf 15,1 Prozent. Und die übrigen Parteien mit gemeinsamen Wahlvorschlägen sowie die Wählergruppen holten insgesamt wie bei der letzten Kommunalwahl über 50 Prozent (28).
In den 25 kreisfreien Städten in Bayern stagniert die CSU 2014 bei 33,6 Prozent (33,2 Prozent 2008), während die SPD auf 30,3 Prozent der Stimmen absank und damit ihren leichten Vorsprung vor der CSU aus dem Jahr 2008 wieder einbüßte. Festzuhalten wäre, dass die CSU bei den kreisfreien Städten im Jahr 2002 noch bei 41,1 Prozent der Stimmen lag und davon bei der Kommunalwahl 2008 fast acht Prozentpunkte verlor und sich von diesem Schlag nicht mehr erholt.
Bei der Wahl der Kreistage in den 71 Landkreisen verlor die CSU im Jahr 2014 um 0,7 Prozentpunkte auf 41,3 Prozent.
Bei den zusammengefassten Daten der Kommunalwahl hatte die CSU schon 2008 mit 40,0 Prozent 5,5 Prozentpunkte eingebüßt. 2014 verschlechterte die CSU ihr Gesamtergebnis bei den Kommunalwahlen noch einmal um 0,5 Prozentpunkte auf 39,6 Prozent.
Auf kommunaler Ebene sieht es also insgesamt nicht gut aus für die CSU. Von den erdrutschartigen Verlusten auf dieser Ebene im Wahljahr 2008 konnte sich die CSU bisher – und wahrscheinlich auf Dauer – nicht mehr erholen. Im urbanen Milieu stagniert die CSU bei einem Drittel der Stimmen. Wenn die CSU nun auf dem Land auch abbaut und die Wähler in den strukturschwachen Regionen keine Hoffnungen mehr in die CSU setzen und der rechtskonservative Flügel der CSU zur AfD abwandert, dann dürfte es um die CSU als alles beherrschende Staatspartei geschehen sein. Oder, wie sich die Süddeutsche 2014 ausdrückte und das Dilemma der CSU vor allem in vielen großen Kommunen ansprach:
„Seehofers Traum vom Wiederaufstieg der CSU zu alter Größe ist ausgeträumt. Die Wähler haben gezeigt, dass Bayern nicht CSU bedeutet. Damit Normalität einkehrt, waren Überraschungen nötig. Vor allem in Nürnberg, aber auch in München ( … ) haben die Bürger der CSU gezeigt, dass sie eben nicht identisch ist mit Bayern.
Diese Wahrheiten lernt Seehofer nun an Stellen, an denen es weh tut. Die Koalition mit dem Bürger hatte der Ministerpräsident monatelang ausgerufen. Nun verweigern sich die Bürger diesem Bündnis genau dort, wo es sie unmittelbar beträfe – in vielen großen Kommunen eben.“ (29).
Im November 2017 brachte sich die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner als mögliche Ministerpräsidentin in Stellung. Dazu brachte sie eine Urwahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl ins Spiel. Dafür wurde Aigner von Ministern und Landtagsabgeordneten der CSU übel kritisiert und beleidigt, obwohl sie als Vorsitzende des wichtigsten CSU-Bezirks Oberbayern und stellvertretende Ministerpräsidentin schon einiges politische Gewicht hat. Dies ist aber offensichtlich kein Schutz gegenüber einer ungehemmten, nach rechts tendierenden, frauenfeindlichen Meute in der CSU. Die Zeit, die die bayerische Politik offensichtlich sehr genau beobachtet, schrieb (30):
„Kultusminister Ludwig Spaenle wies die Idee seiner Kabinettskollegin Aigner scharf zurück. Der Vorschlag sei »ein Lehrbeispiel für politisches Leichtmatrosentum«, sagte er. Jeder könne sich für alles bewerben. Aber ein solch »durchsichtiges politisches Manöver« diskreditiere das Instrument der Mitgliederbefragung. Die Idee brüskiere zudem die Landtagsfraktion, kritisierte Spaenle. Er erinnerte auch an schlechte Erfahrungen anderer Parteien mit Urwahlen, etwa der CDU in Baden-Württemberg.
Der oberbayerische Landtagsabgeordnete Florian Herrmann griff Aigner, die auch oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende ist, ebenfalls scharf an. Wer eine Urwahl fordere, tue dies nicht aufrichtig, »sondern getrieben von dem einzigen Ziel: Söder zu verhindern«, sagte Herrmann. »Das ist parteischädigend, weil nicht irgendwelche Möchtegerns Ministerpräsident werden können, sondern nur jemand, der das Zeug dazu hat«, betonte er. Und da sehe er von der Generation, die jetzt Verantwortung übernehmen müsse, nur Markus Söder.“
Der eigentliche Grund für den Hass der Parteiführung auf Ilse Aigner kam in den Medien kaum zur Sprache. Ilse Aigner wollte nicht nur Söder verhindern und sich selbst für das Ministerpräsidentenamt ins Spiel bringen. Im Prinzip ist die Konkurrenz um Ämter, auch schärfste Konkurrenz, in der CSU der Normalfall. Aber wenn eine Frau sich anmaßt, um ein Amt zu konkurrieren, dass Platzhirsche unter sich ausmachen wollen, hört sich in der CSU der Spaß auf. Dies ist das eine.
Noch gravierender war die Kritik von Ilse Aigner am Rechtskurs der Partei. Dies ist für die Parteiführung, die sich auf diesen Rechtskurs bedingungslos verschworen hat, untragbar. Man muss froh sein, dass es überhaupt Medien gab, die diese grundsätzliche Kritik Ilse Aigners an der Parteilinie erwähnten, sonst hätte man nämlich davon nichts erfahren. Deshalb sei hier T-Online zitiert (31):
„Die bayerische Wirtschaftsministerin und Vorsitzende des CSU-Bezirksverbandes Oberbayern, Ilse Aigner, hat heftige Kritik an den Machtkämpfen in der CSU geübt: »Ich bin davon überzeugt, dass von der derzeitigen Diskussion niemand profitiert – und das Bild, das wir abliefern, ist katastrophal.«
»Die Menschen bekommen das Gefühl, uns interessierten nur unsere Politikerkarrieren«, sagte sie der »Welt am Sonntag«.
Aigner warnte einige Parteifreunde davor, als Folge der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl die CSU nun auf einen Rechtskurs einzuschwören: »Wir haben mitnichten nur an die AfD Stimmen verloren, sondern auch an Grüne und FDP. Diese Stimmen aus dem bürgerlichen Lager sind endgültig verloren, wenn wir jetzt nur noch auf Lautsprecherei setzen und ausschließlich zum rechten Rand schielen.«“
Man sollte es registrieren und nicht vergessen. Für diese Fundamentalkritik an der rechten Politik der CSU noch während der Jamaika-Verhandlungen wurde diese Frau übel abgestraft und spielt seitdem als mögliche Nachfolgerin von Seehofer keine Rolle mehr. Eigentlich müsste über eine Rücktritt und Nachfolge von Seehofer schon ein Parteitag entscheiden, aber in der CSU wird das anscheinend von der Landtagsfraktion in ihrer ganzen Machtfülle geregelt.
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Gastkommentar von Ilse Aigner in der Welt, den wir zur Lektüre empfehlen. (32)
Peter Feininger, 25.1.2018
wird fortgesetzt
Der gesamte Artikel wurde zunächst auf dem Nachrichtenportal rubikon veröffentlicht: https://www.rubikon.news/artikel/das-bayern-debakel. Der zweite Teil dieses Artikels folgt auf unserer Seite demnächst.
Quellenverzeichnis
Die SPD hat damit die CDU wieder überrundet. Rechnet man allerdings die CSU mit ein, so ist die Union mit 575.000 Mitgliedern stärker. Die Welt bezifferte den Zuwachs der SPD seit Jahresbeginn gar auf 3 Prozent: Nach den Angaben aller Landesverbände sind seit Jahresbeginn 14.203 Menschen in die SPD eingetreten. Das ist ein Plus von gut drei Prozent. In absoluten Zahlen gab es die meisten Zugänge im SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen. Es folgen Niedersachsen und Bayern mit je rund 1500 Eintritten. Allein in München sind den Angaben zufolge rund 640 Menschen Mitglied geworden. Mumme, Thorsten. „SPD-Mitgliederzahlen: Wo der Schulz-Effekt am stärksten wirkt“. DIE WELT, 30. März 2017. https://www.welt.de/politik/deutschland/article163259786/Wo-der-Schulz-Effekt-am-staerksten-wirkt.html.
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