Sudetendeutscher Tag 2014, Teil 3

Warum man den Witikobund in der Stadt nicht dulden kann

Nach wie vor Anhaltspunkte für rechtsextreme Betrebungen. Andere Gesinnungsgemeinschaften der Sudetendeutschen Landsmannschaft z. T. in Frontstellung zum Witikobund

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Im zweiten Teil dieser Artikelreihe haben wir das Verhältnis von Sudetendeutscher Landsmannschaft (SL) und Witikobund behandelt.[1] Dabei sind wir auf einen Mangel an Distanz gestoßen, der zum Teil erschreckend ist. Auf der anderen Seite gibt es substantielle Unterschiede zwischen dem Witikobund und den anderen Gesinnungsgemeinschaften wie zum Beispiel der sozialdemokratischen Seliger-Gemeinde oder der katholischen Ackermann-Gemeinde. Es kommt nicht von ungefähr, wenn der Verfassungsschutz eine „Verdichtung von Anhaltspunkten für rechtsextremistische Bestrebungen“ beim Witikobund feststellt. Es gibt also triftige Gründe, warum Veranstaltungen des Witikobundes in der Stadt und von der Stadt nicht geduldet werden dürfen. Wenn die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) den Witikobund regelmäßig in die Stadt einschleift, so soll sie die Konsequenzen tragen und selbst nicht mehr auftreten dürfen.

Warum man den Witikobund in der Stadt nicht dulden kann

Man braucht sich nur den jüngsten Witikobrief[2] ansehen und man weiß in etwa, wohin der Hase läuft beim Witikobund. Er läuft stramm nach rechts.

Da wird in Bezug auf den Ersten Weltkrieg von einer „bröckelnde[n] Alleinschuldthese“ gehandelt. Dem „Kriegswillen in Teilen der britischen Regierung“ habe ein „Antigermanismus in der Öffentlichkeit“ entsprochen. Prominenter Zeuge dafür sei Hans Grimm gewesen, Autor von „Volk ohne Raum“. Dafür, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg ausgelöst hat, gebe es keine Beweise.

Da wird ein „Krim-Vergleich“ Schäubles mit folgender Stellungnahme zurückgewiesen:

Der Witikobund e. V. widerspricht Finanzminister Schäuble, wenn er die Vorgänge auf der Krim mit dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 vergleicht, denn dieser Vergleich beruht auf einer verkürzten Geschichtsbetrachtung. Die Sudetenfrage entstand nicht erst 1938, sondern schon im November/Dezember 1918, als tschechische Truppen die deutsch besiedelten Randgebiete Böhmens und Mährens gewaltsam besetzten. Da die CSR später auch den 1919 vereinbarten Minderheitenschutz missachtete, schritten die europäischen Großmächte 1938 zur Überprüfung der „unanwendbar gewordenen Verträge und solcher internationaler Verhältnisse, deren Aufrechterhaltung den Weltfrieden gefährden“ (Versailler Vertrag, Art. 19). So kam es zum Münchner Abkommen. Die Sudetendeutschen atmeten auf, da sie bis dahin „auf der Stufe einer ausgebeuteten Kolonie“ leben mussten (Lidove noviny, Prag, 10.5.1968, S.1).

Im Übrigen sieht der Witikobund in dem Fehlgriff Schäubles ein Zeichen für den Verfall solider Geschichtskenntnisse. Man starrt unentwegt auf die bewussten zwölf Jahre und vergisst die wirklichen Annexionen …

Unter der Überschrift „Was können wir von der Europawahl erwarten?“ heißt es an anderer Stelle im jüngsten Witikobrief:

Eine der schlimmsten Niederlagen erlebten die Vertriebenen 2004, als die Vertreiberstaaten ohne Wenn und Aber in die EU aufgenommen wurden. Das sollte jedem bewusst sein, der am 25. Mai 2014 zur Europawahl geht! Auch das Versprechen, der Dialog mit den Vertreibern werde sich danach unkomplizierter gestalten, erwies sich als Bluff, denn keine einzige Partei hat auch nur den Versuch dazu gemacht!

Es habe sehr wohl Gelegenheiten gegeben für die Parteien, auf europäischer Ebene Flagge zu zeigen für die Ziele der Vertriebenen, zum Beispiel vor dem Petitionsausschuss in Brüssel bei einer Beschwerde von Ungarn gegen die Beneschdekrete oder vor EU-Gerichten, zum Beispiel bei einer Klage der „Preußischen Treuhand“. Hier habe namentlich auch die CSU versagt. Ganz gezielt macht sich der Witikobund an die AfD heran. Im Parteiprogramm der AfD gebe es „einen Satz, an den sich bei richtigen Verständnis auch Vertriebene klammern könnten“:

„... Die AfD fordert die Wiederherstellung von Vertragstreue und Rechtsstaatlichkeit. Staatliche Organe dürfen sich selbst in Einzelfällen, und sei es für den Erhalt einer Einheitswährung, nicht über Gesetze und Verträge hinwegsetzen. Das Handeln jeder deutschen Regierung findet seine Beschränkungen im Völkerrecht, im Grundgesetz und in den Europäischen Verträgen.“

Es wäre jetzt Aufgabe geschickter Lobbyarbeit, der AfD klarzumachen, dass sie mit diesen Grundsätzen über eine Mehrzweck-, ja eine Universalwaffe für alle anstehenden Fragen verfügt, die auch zugunsten der Vertriebenen einsetzbar ist.

In affirmativer Weise wird im Witikobrief über eine Aktion von deutschen und tschechischen Neofaschisten berichtet, die nach Karlsbad/Karlovy Vary ausgewichen waren, „nachdem Trauerkundgebungen zur Erinnerung an den Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 in Dresden selbst so gut wie unmöglich gemacht wurden“. Die Anmelder der Veranstaltung wurden vom Witikobund als „tschechische Freunde“ bezeichnet. In der Prager Zeitung wurde die Veranstaltung als Neonazi-Treffen bezeichnet und darauf hingewiesen, dass sowohl die deutsche Partei „der Dritte Weg“ unter Führung des rechtsradikalen ehemaligen NPD-Funktionärs Klaus Armstroff als auch das Internetportal svobodnyodpor.cz, das von tschechischen Rechtsextremisten betrieben wird, zu der Veranstaltung eingeladen haben.[3] Der Witikobund vermerkt auch, dass eine Tschechin und ein Ungar von der Partei Morgenröte zu Wort gekommen seien. Antifaschistische Gegner seien in der Minderzahl gewesen und hätten die Redner nicht übertönen können.

Ein weiterer Beitrag im Witikobrief ist betitelt „Unter dem Kreuz – einhundert Millionen Christen sind die Opfer“. Nach Erkenntnissen des Hilfswerks „Open Doors“ würden weltweit hundert Millionen Christen wegen ihres Glaubens an Jesus Christus verfolgt. Sie seien damit heute die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft. Bei „Open Doors“ handelt es sich um ein 1955 gegründetes überkonfessionelles christliches Hilfswerk, dass in über 50 Ländern tätig ist. Die deutsche Niederlassung des internationalen Werkes (früher „Offene Grenzen“) befindet sich in Kelkheim bei Frankfurt am Main und steht der Evangelischen Allianz nahe.[4] Selbstverständlich standen am Anfang die sozialistischen Länder Osteuropas und China im Fokus der Tätigkeit von Open Doors. Diese Aktivitäten könnte man auch als Wühlarbeit hinter dem „Eisernen Vorhang“ bezeichnen und erschöpften sich mit Sicherheit nicht in der heimlichen Lieferung von Bibeln. Der Witikobund will hier wahrscheinlich eine Tendenz der Landsmannschaft abstützen, sich neben der „Kirche in Not“, einem pastoralen Hilfswerk päpstlichen Rechts, mit „Open Doors“ überkonfessioneller, d. h. auch evangelischer Unterstützung zu bedienen. Die Zielsetzungen und Operationsweisen sind etwa die gleichen, auch „Kirche in Not“ fußt auf aktivem Antikommunismus hinter den feindlichen Linien, also auf dem Territorium sozialistischer Staaten. Kirche in Not nannt sich früher „Ostpriesterhilfe“.[5] Sich stärker auf Open Doors zu verlegen, diese Strategie scheint auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, zu empfehlen.[6]

Weiter geht’s beim rechtsextremen Parforceritt des Witikobundes durch die Geschichte mit dem Marshallplan:

Als die Wirtschaft des [so im Original] CSSR vom deutschen Wirtschaftswunder überflügelt wurde, fanden die Tschechen dafür eine bequeme Erklärung. Sie führten den deutschen Aufschwung auf den Marshallplan zurück, an dem die CSSR auf Geheiß Stalins nicht teilhaben durfte. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Kriegsschäden in Böhmen und Mähren nur sehr gering waren und den Tschechen mit dem beschlagnahmten Vermögen der Sudetendeutschen ein Vielfaches des deutschen Anteils am Marshallplan zur Verfügung stand.

Die Vergleichszahlen und Belege für diese Behauptung nimmt der Witikobund u. a. von Hellmut Diwald, einem „revisionistischen Historiker der ersten Stunde“ (Claus Leggewie). Auch Golo Mann bezeichnete das Werk Diwalds, welches „Alt- und Neonazis mit Freude einschlürfen“ würden, als revisionistisch. Selbstverständlich machte sich Diwald auch einen Namen durch Relativierung des Holocaust. Der Holocaust sei zwar „eins der grauenhaftesten Geschehnisse der Moderne“ gewesen, jedoch „durch bewusste Irreführungen, Täuschungen, Übertreibungen für den Zweck der totalen Disqualifizierung eines Volkes“ ausgebeutet worden. Die Todesrate im KZ Auschwitz-Birkenau sei nur deshalb so hoch gewesen, weil dort die nicht arbeitsfähigen Häftlinge konzentriert worden seien. Heinrich Himmler selbst habe sich um eine Senkung der Todesrate bemüht, unter der Endlösung der Judenfrage sei zunächst nicht die planmäßige Ermordung, sondern Auswanderung und Deportation der Juden in den Osten zu verstehen gewesen. …[7]

Hellmut Diwald hat 1990 die Präambel für das zweite Parteiprogramm der Republikaner verfasst. Es verwundert uns nicht, dass Diwald nicht nur Gründungsmitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste und Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft war, sondern auch Funktionär des Witikobundes.

Weiter geht es im Witikobrief mit einem Abschnitt „Der tschechische Nationalsozialismus“ und der klaren Ansage: „Es ist eine Binsenwahrheit, dass der Nationalsozialismus eine Erfindung der Tschechen ist.“ Folgerichtig bietet der Witikobund auch Bücher an wie „Tschechen als Kriegstreiber. Kramasch, Masaryk, Benesch – Zerstörer Europas“ von Hans Meiser. Es erscheint im Hohenrain Verlag, ein Tochterunternehmen des Grabert Verlags, die beide lt. Wikipedia „große Verlage des deutschen Rechtsextremismus“ sind.[8] Im Kurztext des Hohenrain-Verlags heißt es zu dem Buch:

Nach beiden Kriegen wurde Deutschland in bösartigster Form die Alleinschuld zugeschoben und seit 1945 wird sogar ein Großteil des deutschen Volkes und seiner Soldaten als verbrecherisch diffamiert. In dieser Dokumentation wird nachgewiesen – ohne deutsche Mitschuld am 2. Weltkrieg in Frage zu stellen – daß beide Kriege und ihre Folgen nicht nur auf den Vernichtungswillen aller West- und Ost-Alliierten zurückgehen, sondern auch auf die politischen Intrigen der Chauvinisten Kramasch, Masaryk, Benesch und Konsorten. Sie haben es nachweislich zu verantworten, daß nach 1918 die k.u.k.-Monarchie zerschlagen wurde, der damals zweitgrößte Wirtschaftsraum mit 16 Nationen mit einer einheitlichen Verkehrsprache und Kultur. Geradezu ein fortschrittliches Vorbild für eine EU. Statt dessen entstanden viele, kaum lebensfähige Kleinstaaten mit vielen ethnischen Minderheiten, die brutal unterdrückt wurden. Ganz besonders in der Tschecho-Slowakei, in der Millionen Deutsche als zweitklassige Bewohner behandelt wurden, die es mit allen Mitteln zu entgermanisieren oder zu vertreiben galt. Doch davon steht in deutschen Geschichts-Schulbüchern nichts.

Im Verlauf der Darlegungen kommen die korrupten und verbrecherischen Machenschaften der genannten Protagonisten ausführlich und belegt zur Sprache. Dazu gehört das Treiben zum Krieg, die Vertreibungsverbrechen und die Auslieferung der Tschechei an Stalin. Aber auch der private Griff in die Staatskasse und der Einsatz hoher Summen zur Bestechung, besonders der Presse.[9]

Der Autor Hans Meiser war bis 2002 Chefredakteur des rechtsextremen Strategie- und Theorieorgans „Opposition“, das in der Sudholt VGB Verlagsgesellschaft erschien. Der Verleger Sudholt wurde 1999 vom Schöffengericht Starnberg wegen Volksverhetzung zu vier Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4.000 DM verurteilt, weil er ein Buch verkaufte, in dem Sätze standen wie: „Die Juden sind unbelehrbar und haben den Antisemitismus selbst zu verantworten.“ Ab 2002 wurde die Zeitschrift „Opposition“ abgelöst durch die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „Deutsche Geschichte“. Auch hier wird Hans Meiser Chefredakteur und erzielte damals eine Auflage von 12.500 Exemplaren. Dem Redaktionsbeirat gehörte auch Karl Richter an, damals auch Redakteur von „Nation & Europa“.[10] Karl Richter sitzt für die Bürgerinitiative Ausländerstopp im Münchner Stadtrat, ist derzeit als Leiter des Parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD-Landtagsfraktion im Sächsischen Landtag tätig und hat es aktuell bis zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD gebracht.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht „tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextreme Bestrebungen des Witikobundes“

Bis 1967 wurde der Verein Witikobund e. V. vom Bundesministerium des Innern als rechtsextrem eingestuft. Im Dezember 2001 gab die Bundesregierung auf eine Anfrage der PDS an, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz beim Witikobund eine „Verdichtung von Anhaltspunkten für rechtsextremistische Bestrebungen“ festgestellt habe. Einen solchen Anhaltspunkt stelle etwa die „Häufung antijüdischer Textstellen“ in der Publikation Witikobrief dar. Als Beispiel nannte die Bundesregierung zum Beispiel:

In der Folge 1/2001 des „Witikobriefes“ wird ausführlich und zustimmend aus dem 1925 erschienenen Buch „Praktischer Idealismus“ des Begründers der Paneuropa-Bewegung, Nikolaus von Coudenhove-Kalergi, zitiert, wobei die Häufung insbesondere antijüdischer Textstellen ins Auge fällt. Dort heißt es beispielsweise:

„Hauptträger des korrupten wie des integren Hirnadels: des Kapitalismus, Journalismus und Literatentums, sind Juden.“

Oder:

„Statt das Judentum zu vernichten, hat es Europa Widerwillen durch jenen künstlichen Ausleseprozess veredelt und zu einer Führernation der Zukunft erzogen. Kein Wunder also, dass dieses Volk, dem Ghetto-Kerker entsprungen, sich zu einem geistigen Adel Europas entwickelt. So hat eine gütige Vorsehung Europa in dem Augenblick, als der Feudaladel verfiel, durch die Judenemanzipation eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.“[11]

Ein triftiges Argument der PDS war damals auch die Zusammenarbeit (bis hin zu einem Kooperationsabkommen) der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO) mit dem Witikobund, obwohl oder gerade weil die JLO wegen rechtsextremistischer Umtriebe aus der „Landsmannschaft Ostpreußen“ ausgeschlossen wurde. Die PDS formulierte in ihrer Bundestagsanfrage 2001:

Nachdem der Vertriebenenverband „Landsmannschaft Ostpreußen“ seine eigene Jugendorganisation, die „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“, wegen rechtsextremistischer Umtriebe am 29. Januar 2000 ausschloss, referierte der Bundesvorsitzende des „Witikobundes“ H. R. Ü. [gemeint ist Horst Rudolf Übelacker, Vorsitzender des Witikobundes 1996–2006[12] ; Red.] beim Bundestreffen der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ in Thüringen vom 17. bis 19. November 2000. Auf der Homepage der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen Mecklenburg-Vorpommern“ (JLO) ist zu lesen:

„Die JLO wird auch künftig mit Nachdruck für die Interessen Ostpreußens, aber auch anderer deutscher Vertreibungsgebiete und der ihnen entstammenden Menschen eintreten. Da wir den Ausgang unseres Ringens um das Vertrauen der Delegierten der Ostpreußischen Landesvertretung nicht absehen können, haben wir in weiser Voraussicht – vorbehaltlich der Zustimmung der JLO-Bundesversammlung – ein Kooperationsabkommen mit dem in der sudetendeutschen Volksgruppe wurzelnden und unter dem Dach der Sudetendeutschen Landsmannschaft wirkenden Witikobund e.V. geschlossen.“ (Quelle: http://www.jlomeckpomm.de/) …

Die erste Frage der Bundestagsfraktion der PDS lautete: „1. Hat die Bundesregierung, basierend auf dem genannten Material der Kleinen Anfragen, inzwischen eine Neubewertung über die Aktivitäten des „Witikobundes“ vorgenommen, und wenn ja, wie sieht diese aus?“

Die Antwort der Bundesregierung lautete: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat eine Verdichtung von tatsächlichen Anhaltspunkten für rechtsextremistische Bestrebungen festgestellt.“[13]

Die Bundesregierung gab 2001 in ihrer Antwort auch zu, dass das Organ des Witikobundes, der Witikobrief, seit zehn Jahren ausgewertet werde.

Im Jahr 2008 erneuerte die Fraktion Die Linke ihre Anfrage an die Bundesregierung »Beurteilung des „Witikobundes“ durch die Bundesregierung«.[14] In einer Vorbemerkung stellte Die Linke in ihrer neuerlichen Anfrage fest:

… hat der Witikobund erheblichen Einfluss innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Obwohl dem Witikobund nur schätzungsweise 1 000 Mitglieder angehören, bestand zumin- dest bis zur Jahrtausendwende die Bundesversammlung der nach eigenen Aus- sagen 250 000 Mitglieder starken Sudetendeutschen Landsmannschaft zu über fünfzig Prozent aus Witikonen. Am Sudetendeutschen Tag 2008, an dem zahl- reiche Politiker von CDU/CSU wie der Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren, Peter Altmaier, und der bayerische Ministerpräsident Günther Beck- stein Grußworte hielten, beteiligte sich der Witikobund mit einer im offiziellen Programm angekündigten Vortragsveranstaltung.

Im Witikobund tummeln sich zahlreiche Mitglieder und Funktionäre rechts- extremer Vereinigungen. Seit den 60er Jahren bestehen enge Beziehungen zur NPD, die offenbar andauern. Im März 2007 wählte der Witikobund Baden- Württemberg einen ehemaligen NPD-Landtagskandidaten zum Vorsitzenden. Im Jahr 2000 schloss die wegen rechtsextremer Umtriebe aus der „Lands- mannschaft Ostpreußen“ ausgeschlossene „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ mit dem Witikobund ein Kooperationsabkommen.

Entsprechend finden sich im Witikobrief immer wieder revanchistische und gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtete Äußerungen. Die tschechische Republik wird wegen ihres Festhaltens an den Benes-Dekreten als „moralisch verkommen“ diffamiert: „Ein Staat, der wie die Tschechische Republik nicht bereit ist, Räuber und Mörder zu verurteilen, ist kein Rechtsstaat. So ein Staat ist ein Krebsgeschwür im Herzen Europas, steht außerhalb der Völkergemeinschaft und darf […] auf keinen Fall in die EU aufgenommen werden.“ (Herbert Krause: Sudetendeutsche Opfer klagen an!, in: Witikobrief, 3–6/2002, S. 8–9, zit. Nach Stephan Braun/Danile Hörsch: Rechte Netzwerke, eine Gefahr, 2004, S. 39).

Zum 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus heißt es in Witikobrief 2/08: „Nein, der 8. Mai war kein Tag der Befreiung – angesichts des unermesslichen Leids, angesichts der Millionen Toten, Verwundeten, Geschändeten und Verhungerten, angesichts des Völkermordes an 15 Mio. Deutschen ist dies für uns vor allem ein Tag der Trauer und der Erinnerung.“[15]

Die Fraktion der Linken fragte die Bundesregierung im Jahr 2008, ob sie an ihrer Einschätzung von 2001 festhalte, wonach beim Witikobund „eine Verdichtung von tatsächlichen Anhaltspunkten für rechtsextreme Bestrebungen festgestellt“ wurden. Die Antwort der Bundesregierung im Jahr 2008 lautete klipp und klar: „Die Bundesregierung hält an der getroffenen Einschätzung fest.“ Auch die Verbindungen des Witikobundes „insbesondere“ zur rechtsextremistischen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschlands“ bestätigte die Bundesregierung erneut.

Nimmt man die zehnjährige Auswertung des Witikobriefs durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vor 2001 hinzu, so ergeben sich bis 2008 tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextreme Bestrebungen des Witikobundes immerhin über einen kontinuierlichen Zeitraum von 18 Jahren.

Schon 2003 zeigte eine Kampagne von Forum und VVN gegen den Witikobund in Augsburg Wirkung

Schon 2003 zeigte eine Kampagne des Forums solidarisches und friedliches Augsburg und der VVN gegen eine Veranstaltung des Witikobundes im Rahmen des Sudetendeutschen Tages Wirkung.
Angesagt war Prof. Dr. Horst Rudolf Übelacker, damaliger Bundesvorsitzender des Witikobundes, zum Thema Beneš-Dekrete: neuer EU-Standard? Wir schrieben damals:

Es gab wohl auf höchster Ebene eine Abmachung zwischen der Stadtverwaltung und der Sudetendeutschen Landsmannschaft, dass für die Veranstaltung des Witikobundes nicht gewoben werden darf. Auch die Augsburger Allgemeine als örtliches Medienmonopol war eingeweiht und wirkte mit. Wir dürfen das auch auf eine frühzeitige Kontaktaufnahme des Forums mit der Stadtverwaltung im März dieses Jahres zurückführen. Wir erfuhren dort, dass es nicht zuletzt aufgrund unserer Warnung vor dem Witikobund eine Diskussion gab, ob der Witikobund überhaupt auftreten dürfe im Rahmen des Sudetendeutschen Tages. Soweit ist es leider nicht gekommen.

Wir haben den OB sofort angeschrieben, als wir trotz der faktischen Geheimhaltung erfuhren, dass der Witikobund auftreten wird. Der OB antwortete nicht und als wir ihn auf dem Weg zum Empfang für die Landsmannschaft ansprachen und ein Flugblatt geben wollten, flüchtete er ins Rathaus. Im Fürstenzimmer hielt OB Wengert eine Grußansprache zum Empfang für den Vorstand der Sudetendeutschen Landsmannschaft, dem auch Herr Übelacker angehört.[16]

Im damaligen Taktieren mit der Ankündigung der Veranstaltung des Witikobundes kann man gewisse Parallelen zu heute erkennen. Auch in der Scheu des jeweiligen Oberbürgermeisters, damals OB Wengert (SPD), heute OB Gribl (CSU), den Kritikern vom Forum solidarisches und friedliches Augsburg oder der VVN zu antworten, gibt es Parallelen. Anlässlich des Auftritts von Pirincci auf der diesjährigen Witikobundveranstaltung liegt dem Oberbürgermeister erneut eine Protestnote der VVN in Form eines offenen Briefes vor, der bis dato nicht beantwortet wurde. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied zu früher. Oberbürgermeister Gribl hatte diesmal soviel Format, dass er die Veranstaltung des Witikobundes mit Pirincci in seinem Grußwort vor dem Sudetendeutschen Tag öffentlich ablehnte. Soviel Format hatte der sozialdemokratische OB Wengert seinerzeit nicht.

Nimmt man unsere aktuelle Auswertung des Witikobriefs II/2014 (siehe oben) zu den Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wie sie auf die Anfragen von PDS und Linke im Bundestag mitgeteilt wurden, hinzu, so ist unseres Erachtens die gleiche rechtsextreme Tendenz erkennbar. D. h., der Witikobund wandelt seit etwa 25 Jahren nachweisbar auf rechten Pfaden und verbreitet rechtes, revanchistisches, revisionistisches und rassistisches Gedankengut ohne Unterlass.

Eine multinationale, multikulturelle Friedensstadt wie Augsburg kann und darf Veranstaltungen einer solchen Organisation auf dem Gebiet der Stadt nicht mehr dulden und schon gar nicht in den städtischen Messehallen, in der städtischen Kongresshalle oder im Goldenen Saal des Rathauses. Solange sich die Landsmannschaft nicht eindeutig distanziert vom Witikobund, sollte die Stadt von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und die SL nicht mehr reinlassen. Selbstverständlich darf es ohne Distanzierung der SL vom Witikobund auch keine Grußworte der Stadt oder Auftritte städtischer Vertreter bei der Sudetendeutschen Landsmannschaft mehr geben oder gar städtische Zuschüsse oder Vergünstigungen für die SL. Eine Kranzniederlegung des ehemaligen Bundesvorsitzenden des Witikobundes, Reinfried Vogler, im Wittelsbacherpark am Ost-/Westpreußen-Mahnmal darf nicht mehr genehmigt werden. Auch Werbe- und Folkloreauftritte der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Fußgängerzone dürfen nicht mehr genehmigt werden, solange nicht gewährleistet ist, dass der Witikobund nicht dabei ist.

Das Agieren des Witikobundes ist dermaßen rechts und revanchistisch, dass die anderen Gesinnungsgemeinschaften dagegenhalten

Das Agieren des Witikobundes ist dermaßen rechts und revanchistisch, dass die anderen Gesinnungsgemeinschaften – zumindest in ihren offiziellen Erklärungen – zum Teil direkt dagegenhalten.

Ackermann-Gemeinde: „... in aller Entschiedenheit gegen alle totalitären Umtriebe in der SL“

So gibt es zum Beispiel bei der konservativ-katholischen Ackermann-Gemeinde die Erklärung sudetendeutscher und tschechischer Christen zur Gestaltung der deutsch-tschechischen Nachbarschaft vom Dez. 1991 - Januar 1992. Dort heißt es (wir zitieren auszugsweise):

Die deutschen Unterzeichner wenden sich im besonderen an die Sudetendeutschen mit der Bitte, als Bindeglied zwischen Deutschen und Tschechen zu wirken und sich nicht in die Rolle des Störenfrieds drängen zu lassen. Die in den vergangenen Jahrzehnten abgegebene Erklärungen zur friedlichen Bewältigung des Vertreibungsgeschehens müssen jetzt zum Tragen kommen. Das erfordert auch eine besonnene Haltung zur Wiedergutmachung:

Rückerstattung des widerrechtlich konfiszierten Eigentums wäre wohl allenfalls in Formen und Größenordnungen zu verwirklichen, welche die jetzt aufgekommenen Hoffnungen eher enttäuschen dürften.

Eine Vertreibung der Menschen, welche die Eigentumsobjekte heute nutzen, kommt keinesfalls in Frage.

Eine solche Haltung kann weder Verrat am Recht, noch Untreue gegenüber den Vorfahren sein, welche die alte Heimat aufgebaut haben. Ob jemand ein Recht durchsetzen will oder darf, ist keine rechtliche Frage, sondern nach moralischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Wenn ein irdisches Gut gerecht zugeordnet werden soll, hat die friedenstiftende Tat höheren Wert als der Kampf um einen nicht (mehr) überlebensnotwendigen Gegenstand.

Die tschechischen Unterzeichner wenden sich im besonderen an die Tschechen mit der Bitte, ihr Verhältnis zu den Deutschen und vor allem auch zu den Sudetendeutschen neu zu bestimmen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sei 1949 ihren Ruf als freiheitlicher demokratischer Rechtsstaat gefestigt, der die Rechte anderer Völker und die Grenzen anderer Staaten als unantastbar achtet und aktiv am Aufbau eines vereinigten Europa mitarbeitet. Politisch extreme Stimmen sind Ausdruck der Meinungsfreiheit, erlauben aber keinen Rückschluß auf ihr tatsächliches Gewicht. Das sollte es möglich machen, die latente Angst unseres Volkes vor den Deutschen abzubauen.

Wir müssen auch zu verstehen versuchen, daß Sudetendeutsche, die ihre alte Heimat besuchen, nicht als Revanchisten kommen, sondern der Geschichte ihres eigenen Lebens oder ihrer Familie nachgehen. Aus Begegnungen, die aus solchem Anlaß zustande kommen, können bei gegenseitigem Einfühlen in die Lage des anderen sogar dauerhafte Kontakte erwachsen.

Es gilt, auf die Formen zu achten, in denen wir miteinander umgehen. Vieles hängt vom Ton ab, in dem politische Positionen vertreten werden, aber auch von der Art, wie Besucher im anderen Land auftreten.

Je mehr Gemeinsamkeiten auf diesem Wege entstehen, desto leichter wird es gelingen, das zu überwinden, was uns in der Vergangenheit getrennt hat. Unter Deutschen und Tschechen sind die Menschen guten Willens in der Überzahl.

Sie dürfen nur nicht schweigen.

Denn: Die deutsch-tschechische Nachbarschaft muss gelingen![17]

Diese Erklärung der Ackermann-Gemeinde stammt von 1992. Zur Jahrtausendwende bekräftigte die Ackermann-Gemeinde dieses Ansinnen und rief den Tschechen zu „Fürchtet Euch nicht vor uns!“.[18] Auch wenn solche Botschaften noch mit allerlei historischen Boshaftigkeiten und antikommunistischen Ressentiments behaftet sind, enthalten sie doch eine ernstzunehmende Tendenz, von Revanchismus Abstand zu nehmen und eine Verständigung mit dem tschechischen System und seiner Bevölkerung zu suchen.

Und es gab diese Widersprüche zur Führung der SL und zum Einfluss des Witikobundes von Anfang an. So wurde Hans-Christoph Seebohm als stellvertretender Sprecher der Landsmannschaft z. B. von Walter Zawadil-Veith gewonnen, der dem Witikobund als Vorstandsmitglied angehörte und einer der führenden Aktivisten bei der Gründung der Sudetendeutschen Landsmannschaft war.[19] Über die Ackermann-Gemeinde wird berichtet, dass sie sich in der Gründungsphase der Sudetendeutschen Landsmannschaft gegen die Besetzung der SL-Spitzenämter mit Nationalsozialisten stemmte:

] … Verschiedene Seiten kritisierten das Agieren der SL-Spitze in Kempten. [gemeint sind vor allem Seebohm und Lodgman von Auen im Vorfeld und auf dem Sudetendeutschen Tag in Kempten 1950[20] ] Die Ackermann-Gemeinde bemängelte das undemokratische Vorgehen Lodgmans und seiner Mitarbeiter, die Besetzung von SL-Spitzenämtern mit ehemaligen Nationalsozialisten sowie den an die SdP [Sudetendeutsche Partei (SdP)[21] ] erinnernden Veranstaltungsstil. Allerdings ging die Kritik der Ackermann-Gemeinde nicht so weit, die Konstruktion der SL grundsätzlich in Frage zu stellen. Im Gegenteil appellierte sie gerade an ihre Mitglieder, sich noch stärker in der SL zu engagieren und mit anderen »vernünftig denkenden Landsleuten in aller Entschiedenheit gegen alle totalitären Umtriebe in der SL« zusammenzuarbeiten.[22]

Auf der anderen Seite muss man wissen, dass die Ackermann-Gemeinde ein Verband in der katholischen Kirche Deutschlands ist. Sie ist grundsätzlich nach Bistümern gegliedert. Die Anmaßung der Zuständigkeit der (deutschen) Kirche auf die östlichen Staatsgebiete des Deutschen Reiches und die deutschen Siedlungsgebiete Ostmittel- und Südosteuropas war ein ganz wesentlicher ideologischer, politischer und organisatorischer Stützpfeiler für die parallel laufenden Anmaßungen der Vertriebenenverbände. Es war (und ist) eine unheilige Allianz mit reaktionärer Tradition.[23]

Seliger-Gemeinde: „Richtigstellung und Versachlichung der historischen Geschehensabläufe“

Die sudetendeutschen Sozialdemokraten haben sich in der Seliger-Gemeinde, der zweiten großen Gesinnungsgemeinde der SL, organisiert. Auch sie haben Anlass, das völlig verzerrte Geschichtsbild der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), das aus einem völkischen Blickwinkel stammt und chronisch eingepeitscht wird durch den Witikobund, zu kritisieren. Eine dieser völkischen Grundlinien der SL, an der vor allem der Witikobund eisern festhält, ist, die Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 als das eigentliche Übel zu betrachten, das 1938 durch das Münchner Abkommen dann völlig zu Recht korrigiert wurde. Diesen Auffassungen tritt die Seliger-Gemeinde direkt entgegen. Unter den politischen Zielen der Seliger-Gemeinde findet sich auf ihrer Homepage eine bemerkenswerte Passage:

In ihrem Verhältnis zur Sudetendeutschen Landsmannschaft und deren Betrachtungsweise der Geschichte der Ersten Tschechoslowakischen Republik vertritt die Seliger-Gemeinde die Richtigstellung und Versachlichung der historischen Geschehensabläufe unter besonderer Betonung der Politik der aktivistischen Parteien und insbesondere der DSAP mit ihrer auf Versöhnung und Kooperation ausgerichteten Politik gegenüber der tschechischen Bevölkerungsmehrheit und deren politischen Vertretern.[24]

Die Seliger-Gemeinde gründet sich auf die Tradition der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) in der Tschechoslowakei und ist nach dem 1. Vorsitzenden, Josef Seliger, benannt. Die sudetendeutschen Sozialdemokraten wurden unter Hitler selbst verfolgt und befanden sich im Widerstand. Allerdings bildete sich um den späteren Parteiführer Wenzel Jaksch seit 1934 ein deutschnationaler Flügel heraus, dessen Vorstellungen eines gegen die Sowjetunion gerichteten „abendländischen Sozialismus“ mit großdeutschen Ambitionen von den Ansichten des Nationalsozialismus „gar nicht so weit ab standen“.[25]

Die Historiker_innen Eva Hahn und Hans Henning Hahn wiesen nach, dass spätere Spitzenfunktionäre der Sudetendeutschen Landsmannschaft schon Ende der 30er Jahre selbst Vertreibungen, „Umsiedlungen“, „organisierten Bevölkerungsaustausch“ planten! Auch der sudetendeutsche Spitzenfunktionär Wenzel Jaksch, der seit Gründung der Seliger-Gemeinde 1951 15 Jahre deren Vorsitzender war und später auch Vizepräsident der SL und sogar Präsident des Bundes der Vertriebenen wurde, scheint auf diesem Trip gewesen zu sein. Dieses düstere Kapitel der SL wird bisher öffentlich überhaupt nicht erörtert. In ihrem bemerkenswerten Aufsatz „Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und ihre ungeklärte Tradition“ schreiben Eva Hahn und Hans Henning Hahn:

Erstaunlicherweise wurden bisher nicht einmal die sudetendeutschen Vorschläge zu Massenumsiedlungen kritisch beachtet: Lodgman von Auen selbst forderte 1938 „Umsiedlungen“ zum Zwecke der neuen europäischen Ordnung und zur Lösung der „Judenfrage“ (“daß eine Umsiedlung dieses zur Unruhe gewordenen Elements unter Mitwirkung ganz Europas, besonders aber der vier Großstaaten, in die Wege geleitet wird“).

Sogar der führende sozialdemokratische Funktionär der Landsmannschaft und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Wenzel Jaksch (1896 bis 1966), rief in seinem Memorandum Was kommt nach Hitler?, das er im Frühsommer 1939 im Londoner Exil verfasste, nach der „definitiven Bereinigung der offenen Grenzfragen durch Ausbalancierung der Konsequenzen des Selbstbestimmungsrechts mit verkehrspolitischen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten“ und schlug „als technische Hilfsmittel“ dazu „einen organisierten Bevölkerungsaustausch“ vor.[26]

Auch der Augsburger Altstadtrat Erich Sandner (SPD), langjähriger Vorsitzender der Seliger-Gemeinde Bayern und stellvertretender Bundesvorsitzender sowie Chefredakteur der Zeitschrift der sudetendeutschen Sozialdemokraten Die Brücke spielte eine gemischte Rolle.[27] Dennoch fanden sich in der Zeitschrift Die Brücke antifaschistische Beiträge und der ganzen Seligergemeinde kann ein antifaschistisches Moment nicht abgesprochen werden, was der Tendenz des Witikobundes natürlich diametral entgegensteht.

Peter Feininger, 22.6.2014

wird fortgesetzt

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Alle Artikel dieser Serie finden sich auf unserer Themenseite Sudeten, BdV (Bund der Vertriebenen) http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/index.htm

 

1] Sudetendeutscher Tag 2014, Teil 2: Der Geschäftsführer der Sudetendeutschen Landsmannschaft: Die Satzung muss „dringend überarbeitet werden“. Der Witikobund in Augsburg in der „Gasse der Wahrheit“. Sie könnte zur Sackgasse werden, 16.6.2014 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/140616_sudetendeutscher-tag-2/index.html

2] „Der neue Witikobrief zum Download, II/2014, Der Witikobund“, 18-Mai-2014. [Online]. Verfügbar unter: http://www.witikobund.de/der-neue-witikobrief-zum-download/. [Zugegriffen: 11-Juni-2014].

3] [1]„Prager Zeitung - Neonazi-Treffen in Karlsbad geplant“, 13-Feb-2014. [Online]. Verfügbar unter: http://www.pragerzeitung.cz/index.php/home/nachrichten/17450-neonazi-treffen-in-karlsbad-geplant. [Zugegriffen: 15-Juni-2014]. [2]„Rechtsextremistische Demonstration mit bayerischer Beteiligung in Karlsbad — Bayern gegen Rechtsextremismus“, Feb-2014. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de/aktuelles/rechtsextremistische-demonstration-mit-bayerischer-beteiligung-in-karlsbad. [Zugegriffen: 15-Juni-2014].

5] Vgl. hierzu ausführlich unseren Artikel 61. Sudetendeutscher Tag in Augsburg, Teil 4: „Großer Kulturpreis“ für Professor Grulich. Das „Ostanliegen“ des Kirchenhistorikers führt ihn an viele Fronten Europas, 4.10.2010 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/101004_sudetendeutscher-tag-4/artikel.pdf, speziell die Kapitel „Ostpriesterhilfe / Kirche in Not“ – Grulich schon sehr früh dabei und „Kirche in Not“: Weltkongress in Augsburg mit Mixa, Posselt, Otto von Habsburg, Steinbach und Grulich – eine Ersatzveranstaltung für den Sudetendeutschen Tag?

6] s. „Weltverfolgungsindex 2014 des Christlichen Hilfswerkes Open Doors veröffentlicht, Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten“, 08-Jan-2014. [Online]. Verfügbar unter: http://www.koschyk.de/allgemein/weltverfolgungsindex-2014-des-christlichen-hilfswerkes-open-doors-veroeffentlicht-17049.html. [Zugegriffen: 15-Juni-2014].

8] Thematischer Schwerpunkt des Grabert- und Hohenrain-Verlags ist seit der Gründung der rechtsextreme Geschichtsrevisionismus zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, etwa durch Leugnung oder Relativierung des Holocaust, der Schuld des NS-Regimes am Zweiten Weltkrieg und anderer NS-Verbrechen.

Zu den Autoren des Verlags gehören verurteilte Holocaustleugner wie Wilhelm Stäglich, Germar Rudolf (hier meist unter dem Pseudonym „Ernst Gauss“) und David Irving sowie Rechtsextremisten wie Rolf Kosiek, Sigrid Hunke, Hellmut Diwald, Bernard Willms, Richard Eichler, Johann Braun und Ingrid Weckert. Nach http://de.wikipedia.org/wiki/Grabert_Verlag

9] „Meiser, Hans: Tschechen als Kriegstreiber - Buchdienst Hohenrain“. [Online]. Verfügbar unter: http://www.buchdienst-hohenrain.de/Grabert-Hohenrain-Titel/Zeitgeschichte/Meiser-Hans-Tschechen-als-Kriegstreiber.html. [Zugegriffen: 15-Juni-2014].

10] Nach „Kleine Textsammlung: Extrem rechtes Propagandamaterial beim ‚Tag der Reservisten‘. Geschichtsrevisionisten im Reservistenverband in Lüneburg. Weiterführende Informationen zu Gerd Schultze-Rhonhof, Gert Sudholt und Claus Nordbruch, Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen, ohne Datum“. [Online]. Verfügbar unter: http://www.antifa-lg.de/docs/reservisten.pdf. [Zugegriffen: 15-Juni-2014].

11] „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS – Drucksache 14/7560 – Beurteilung des ‚Witikobundes‘ und des ‚Witikobriefes‘ durch die Bundesregierung, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. Dezember 2001 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.“, 13-Dez-2001. [Online]. Verfügbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/078/1407865.pdf. [Zugegriffen: 20-Juni-2014].

12] Wir verweisen hier auf unsere Berichterstattung Vortragsveranstaltung des Witikobundes e. V. am 07.06.2003 im Rahmen des 56. Sudetendeutschen Tages. Thema: Beneš-Dekrete: neuer EU-Standard? Referent: Prof. Dr. Horst Rudolf Übelacker, 8.6.2003 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/030608_sdt/rede-uebelacker.htm

13] Ebd.

14] „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 16/10657 – Beurteilung des ‚Witikobundes‘ durch die Bundesregierung, Deutscher Bundestag Drucksache 16/10755, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 31. Oktober 2008 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.“, 03-Nov-2008. [Online]. Verfügbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/107/1610755.pdf. [Zugegriffen: 20-Juni-2014].

15] Ebd.

16] Sudetendeutscher Tag 2003 in Augsburg. Stoiber: „Die Tschechische Republik bleibt im Focus der Beobachtung“, 8.6.2003 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/030608_sdt/index.htm

17] „Ackermann-Gemeinde: Erklärung sudetendeutscher und tschechischer Christen zur Gestaltung der deutsch-tschechischen Nachbarschaft, Dez. 1991 - Januar 1992“, Jan-1992. [Online]. Verfügbar unter: http://www.ackermann-gemeinde.de/cz/publikationen/erklaerung-sudetendeutscher-und-tschechischer-christen-zur-gestaltung-der-deutsch-tschechischen-nachbarschaft.html. [Zugegriffen: 17-Juni-2014].

18] In diesen Tagen hörten wir die Botschaft des Weihnachtsevangeliums: Fürchtet Euch nicht! Diese Botschaft will uns allen Mut machen, aufeinander zuzugehen. Wir möchten sie aufgreifen und Euch sagen: Fürchtet Euch nicht vor uns! Wir sind nicht vollkommen, aber auch nicht so schlecht wie es Euch kommunistische und nationalistische Propaganda jahrzehntelang indoktriniert hat. Es ist nicht wahr, dass Eure ehemaligen Mitbürger die Geschichte rückgängig machen möchten. Ihre verantwortlichen Repräsentanten sind sich darin einig, dass es niemals zu einer neuen Vertreibung oder zu einer Enteignung der heutigen privaten Eigentümer kommen darf. Ihr und unser Drängen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschehene Vertreibung als solche zu verurteilen, zielt vielmehr darauf ab, eine Wertegemeinschaft von Tschechen und Deutschen zu festigen, die Vertreibungen für alle Zukunft ächtet und so zugleich das verletzte Gerechtigkeitsempfinden der Opfer heilt. Uns liegt daran, dass Unrecht - wer immer es verübt hat - auch so genannt wird. Aber wir werben zugleich dafür, dass sich immer mehr Menschen auch persönlich die Haltung zu eigen machen, zu der unsere kirchlichen und staatlichen Repräsentanten schon wiederholt öffentlich aufgerufen haben: aufrichtige Bereitschaft zur Versöhnung.

„Sudetendeutsche Christen an Christen in der Tschechischen Republik, Ackermann-Gemeinde: Offener Brief zum Jahr 2000“, 2000. [Online]. Verfügbar unter: http://www.ackermann-gemeinde.de/publikationen/offener-brief-zum-jahr-2000.html?L=2. [Zugegriffen: 17-Juni-2014].

19] „Walter Zawadil“, Wikipedia. 02-Juni-2014.

20] Beispielhaft hier nur eine Bemerkung von Eva Hahn und Hans Henning Hahn über Lodgman von Auen: … Der dortige Konferenzsaal [im Sudetendeutschen Haus in München] trägt bis heute den Namen des ersten Sprechers der „Volksgruppe“ nach dem Zweiten Weltkrieg, Rudolf Lodgman von Auen (1877 bis 1962). Auch er gehörte zu den Anhängern der NSDAP. So beglückwünschte er Hitler in einem Telegramm überschwänglich für den Triumph in München: „Am Tage des Einmarsches der deutschen Truppen in Teplitz-Schönau begrüße ich Sie, mein Führer, als den Vertreter des Reiches aus übervollem Herzen. Ich danke der Vorsehung, daß es mir gegönnt ist, diesen Tag zu erleben, auf dessen Kommen ich seit meiner Jugend gehofft und an den ich in den letzten zwanzig Jahren trotz der um sich greifenden Verzagtheit geglaubt habe. ... Sie, mein Führer, haben uns Vaterland und Heimat, dem deutschen Volke die Selbstachtung und den Glauben an seine nationale Idee gegeben, Europa aber den Weg gewiesen, ohne den es einer unvorstellbaren Vernichtung preisgegeben worden wäre …“

„Eva Hahn und Hans Henning Hahn, Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und ihre ungeklärte Tradition“, ohne Datum. [Online]. Verfügbar unter: http://www.bohemistik.de/evahahn/heim.html. [Zugegriffen: 20-Juni-2014].

21] Die Sudetendeutsche Partei (SdP) wurde in den letzten Jahren der ersten tschechoslowakischen Republik mit massiver Unterstützung des nationalsozialistischen Deutschen Reiches sukzessive zur „Fünften Kolonne“ Hitlers ausgebaut. Nach der Errichtung des Reichsgau Sudetenland auf dem Territorium der Tschechoslowakei 1938 wurde die SdP unmittelbar der NSDAP unterstellt. Der SdP-Vorsitzende Konrad Henlein erhielt die Titel eines Gauleiters und Reichsstatthalters des deutschen Reichsgaus Sudetenland und wurde von Heinrich Himmler zum „SS-Ehrenführer“ ernannt; er trat jedoch 1939 auch aktiv in die SS und NSDAP ein. Nach: „Sudetendeutsche Partei“, Wikipedia. 03-Juni-2014.

22] T. Weger, „Volkstumskampf“ ohne Ende?: sudetendeutsche Organisationen, 1945-1955. Peter Lang, 2008. teilweise einsehbar unter http://books.google.de/books?id=yq_nJGxWesIC

23] Wichtige Hinweise auf die Rolle der katholischen Kirche finden sich in unseren Artikeln:

61. Sudetendeutscher Tag in Augsburg, Teil 1: Unter ungünstigen Vorzeichen. Mit dem Katholizismus geraten auch die Vertriebenenverbände in Bedrängnis, 8.8.2010 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/100808_sudetendeutscher-tag-1/artikel.pdf

61. Sudetendeutscher Tag in Augsburg, Teil 2: Auflösung statt Revision der Grenzen – die Flucht nach vorne in ein christliches, ethnisiertes Europa der Volksgruppen. Nächster Sudetendeutscher Tag in Augsburg gefährdet – ein neuer Bischof soll‘s richten, 9.8.2010 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/100809_sudetendeutscher-tag-2/artikel.pdf

61. Sudetendeutscher Tag in Augsburg, Teil 4: „Großer Kulturpreis“ für Professor Grulich. Das „Ostanliegen“ des Kirchenhistorikers führt ihn an viele Fronten Europas, 4.10.2010 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/101004_sudetendeutscher-tag-4/artikel.pdf

24] „Die Politischen Ziele der Seliger-Gemeinde, Seliger Gemeinde, Bundesverband“, ohne Datum. [Online]. Verfügbar unter: http://www.seliger-gemeinde.de/content/politik.htm. [Zugegriffen: 17-Juni-2014].

25] Pfitzner, Josef, Sudetendeutsche Einheitsbewegung. Werden und Erfüllung, Karlsbad-Leipzig 1937, S. 99., zitiert nach „Wenzel Jaksch“, Wikipedia. 15-Juni-2014.

26] „Eva Hahn und Hans Henning Hahn, Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und ihre ungeklärte Tradition“, ohne Datum. [Online]. Verfügbar unter: http://www.bohemistik.de/evahahn/heim.html. [Zugegriffen: 20-Juni-2014].

27] s. z. B. unsere Augsburger Sudeten-Special anlässlich des Sudetendeutschen Tags 2003 http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Sudeten/030523_nachdenks/index.htm


   
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