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Ukraine-Berichterstattung – Medienkritik, Teil 4Pressefreiheit in der UkrainePressefreiheit ist ein hohes Gut und nach dem Sturz der alten ukrainischen Regierung sollte ja diese Freiheit auch in der Ukraine aufblühen und zu einem leuchtenden Vorbild für die gegängelte Presse Russlands werden. Aber Pustekuchen! Auch diese Illusion ist geplatzt. Das ist nur russische Propaganda? Dann schauen wir mal in ein unverdächtiges, stramm konservatives Blatt mit bester transatlantischer Orientierung, das seit seiner Gründung radikal gegen alle russische Propaganda gekämpft hat. Wir beziehen uns im Folgenden auf den Artikel von Andre Eichhofer aus Kiew in der Welt am Sonntag (WamS) vom 21.09.2014, mit dem Titel „Maskiert und mit Baseballschläger“. Als Nach FAZ, TAZ und AZ wollte ich die Ukraineberichterstattung der WamS mal richtig streng untersuchen und dann gab es eine große Überraschung. Ich lese die ersten zwei Sätze und der zweite lässt mich wieder an das journalistische Ehrgefühl auch konservativer Journalisten glauben: „Doch auch Kiew scheint es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen – und gängelt die Presse.“ Und dann ging es Schlag auf Schlag. Mein „Welt“-Bild klappte zusammen. Was die Spatzen schon lange von den Dächern pfiffen, wurde jetzt in der WamS offen ausgesprochen: „In einem Konflikt, in dem die Rollen zwischen Gut und Böse klar verteilt schienen, wirft Kiews zweifelhafter Umgang mit der Wahrheit Fragen auf. Es zeigt sich immer deutlicher: Nicht nur der Kreml verbreitet im Ringen um die Ostukraine Propaganda. Auch die Ukraine kämpft mit allen Mitteln um die öffentliche Meinungshoheit, streut bewusst Desinformationen und Halbwahrheiten – und begnügt sich nicht mit Rhetorik allein.“ Ja, wer hätte das gedacht! Aber späte Einsicht ist auch anerkennenswert. Ich bezweifle allerdings, dass diese Einsicht in der ganzen „Welt“-Redaktion verbreitet ist. Die Selbstkritik ist dann auch fein verpackt: „Verlautbarungen der Armee übernehmen ukrainische Medien meist ungeprüft.“ Nun, das gilt nicht nur für ukrainische Medien. Aber Eichhofer geht schon genauer auf das Problem ein und nennt die Zentrale der Gegeninformation beim Namen: Dmitri Timtschuk, ein ehemaliger Militärangehöriger, „den auch westliche Medien häufig zitieren“, leitet ein „Zentrum für Gegeninformation“. Und dann die fein verpackte Selbstkritik: „Woher allerdings Timtschuk seine Informationen bezieht, ist unklar. Die Vermutung liegt nahe, dass Timtschuk von Kiew benutzt wird, um Informationen in die Öffentlichkeit zu lancieren.“ Dann sollte die WamS in Zukunft eigentlich nicht mehr leichtfertig auf Kiewer Propaganda hören. Vor allem, wenn sie den Tadel des in der WamS zitierten Büroleiters der Stiftung Wissenschaft und Politik in Brüssel beachtet: Journalisten „machen sich mitschuldig, wenn sie Erklärungen der Regierung einfach so übernehmen.“ Aber Kiew lügt nicht nur, die westlich orientierten Kräfte, die der Ukraine den Weg in die Demokratie öffnen sollen, verstoßen auch ganz eklatant gegen Prinzipien der Presse- und Meinungsfreiheit. Wir erfahren aus der WamS, dass das Redaktionsbüro der Zeitung „Vesti“ von vermummten Gestalten mit Baseballschlägern verwüstet wurde und der ukrainische Geheimdienst SBU nach einer Durchsuchung der Redaktionsräume Computer beschlagnahmte und Konten einfrieren ließ. „Wer kritischer über die Vorgänge in der Ostukraine berichtet, macht sich offenbar verdächtig.“ Aber die westlichen Hoffnungsträger in Kiew wollen auch ausländischen Journalisten die Berichterstattung erschweren: „Weil Kiew der Nachrichtenflut aus Russland kaum etwas entgegensetzen kann, greift die Regierung inzwischen zu drastischen Methoden. Sie verbot 35 russischen Journalisten für drei bis fünf Jahre die Einreise ins Land.“ Wer unbedingt in die EU will, passt sich eben schnell an. Einreiseverbote sind ja auch dort ein beliebtes Mittel. Nach der versprochenen Demokratisierung der Ukraine sieht dies alles leider nicht gerade aus. Hansjörg Bisle-Müller, 25.09.2014
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