Neues aus China – Teil 1

Neues aus China – auch zwischen den Zeilen gelesen

Minderheitenpolitik in der autonomen Region Xinjiang im Westen Chinas

Die chinesische Politik in Tibet stößt in Deutschland fast nur auf ein negatives Medienecho. Exiltibetische Organisationen und Solidaritätskampagnen haben sogar den Vorwurf des Völkermordes und später des kulturellen Völkermordes in die Welt gesetzt. Ähnlich kritisch fällt die Beurteilung der Minderheitenpolitik in Xinjiang aus. Und dass in China keine offene Diskussion über Behörden- und Regierungsentscheidungen möglich ist, gilt schon als Standardwissen. In der FAZ erfahren wir dazu von Korrespondentin Petra Kolonko Interessantes. Wir beziehen uns im Folgenden auf den Artikel von Petra Kolonko in der FAZ vom 4. September 2014 „Ein doppeltes Jahreseinkommen für eine Mischehe“ (Untertitel: China will in Xinjiang Heiraten zwischen Han-Chinesen und Uiguren massiv fördern).

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Stellen wir uns einmal vor, die neue Bundesregierung würde Ehen zwischen BürgerInnen mit Migrationshintergrund und BürgerInnen ohne Migrationshintergrund mit jährlichen Zahlungen von einem doppelten örtlichen Jahreseinkommen fördern wollen, diese Ehen auch bei der Wohnungsvergabe bevorzugen, 90 Prozent der Kosten für die medizinische Versorgung tragen und Kindern aus diesen Ehen auch ein Universitätsstipendium garantieren, falls sie es bis an eine Uni schaffen.

Gäbe es dann einen großen Aufschrei in der deutschen Medienlandschaft wegen Diskriminierung der BürgerInnen mit Migrationshintergrund und vielleicht noch den Vorwurf des Rassismus und eines geplanten Völkermordes?

Über China und seine Behandlung der nationalen Minderheiten konnten wir solche Vorwürfe bisher in unseren Medien lesen. Manchmal lesen wir sogar vom Völkermord an den Tibetern, manchmal wird nur ein „kultureller“ Völkermord beschrieben. Und wir denken an den Völkermord der Nazis an den Juden, der ja auch mit der Förderung von Ehen zwischen Juden und Deutschen begann. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

„Die Kreisverwaltung von Qiemo folgt mit ihrem Plan offenbar einem Beispiel aus Tibet, wo es ähnliche finanzielle Anreize für ethnisch gemischte Ehen schon länger gibt.“ So Petra Kolonko. Ist das nun ein Beleg für den kulturellen Völkermord in Tibet oder nicht?

Aber diskutieren kann man ja über alles, nur nicht in der VR China. Dort ist jede Kritik an Regierungsentscheidungen verboten und die Medien geben nur eine staatlich zensierte Einheitsmeinung wieder. Dies kann man so immer wieder in unseren Medien hören bzw. lesen.

Just another day for an Uygur mum with kid in front of the Graveyard in Yarkant, Xinjiang, 3.5.2012 Foto: La Priz CC BY-ND 2.0 Flickr

Jetzt schreibt Petra Kolonko in der FAZ: „Doch der Plan stößt auf Kritik. Viele Chinesen mahnen, er könnte nur zu einer weiteren Verschärfung der Spannungen in der Region führen.“ Und diese Kritik wird auch in einer sonst im Westen oft als „Regierungssprachrohr“ bezeichneten Zeitung geäußert: „ Li Xiaoxia von der Akademie der Wissenschaften in Xinjiang wies in der Zeitung ‚Global Times‘ darauf hin, dass ethnisch gemischte Ehen selten seien und dass sie auch mit einer solchen staatlichen ‚Förderung‘ nicht zunehmen würden.“ Aber es gibt tatsächlich auch noch andere öffentlich geäußerte Meinungen: „Andere chinesische Kommentatoren warnen, die Eheschließung sei eine private Angelegenheit, in die sich der Staat nicht einmischen solle.“

Läuft da irgendetwas schief bei der staatlichen Zensur und der diktatorischen Kontrolle der Verwaltung? Oder etwa bei der westlichen Berichterstattung über China?

Im letzten Abschnitt des Textes von Frau Kolonko läuft eindeutig etwas schief. Nachdem sie darauf hingewiesen hat, dass Süd-Xinjiang als eine Region gilt, „in der islamistische und fundamentalistische Ideen besonders große Verbreitung finden“, behauptet sie anschließend: „Dort hat es in der Vergangenheit immer wieder Anschläge der muslimischen Uiguren gegeben. Terroristen, die für eine Unabhängigkeit Xinjiangs kämpfen, hatten in den letzten Jahren mehrere blutige Anschläge verübt.“ Hier ist wohl der Definitartikel fehl am Platz. Eine Gesamtheit der muslimischen Uiguren dürfte schwerlich an den Terroranschlägen beteiligt gewesen sein. Also müsste es besser heißen: „Anschläge muslimischer Uiguren“ oder noch besser „Anschläge islamistischer Uiguren“ oder am sachlichsten „terroristische Anschläge“ - mit Nennung der sich dazu bekennenden Organisationen. Aber wer in Xinjiang Anschläge verübt und von wem sie unterstützt werden, das wäre ein eigenes Thema.

Hansjörg Bisle-Müller, 25.09.2014

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