TTIP-Verhandlungen

Der Gewerkschaftsbund (DGB) und das Freihandels- und Investitionsschutzabkommen

Zehn Tage vor dem internationalen Aktionstag gegen die TTIP- Verhandlungen am 11. Oktober lud die DGB-Jugend zu einer Informationsveranstaltung in das Gewerkschaftshaus am Katzenstadel. Der Referent war der DGB-Bezirkssektretär Ludwig Maier. Etwa 25 Besucher*innen sind gekommen, die Hälfte davon war von der Gewerkschaftsjugend, die andere Hälfte war entweder vor dem Rentenalter oder schon darüber hinaus. Die Generationen, die noch mitten im Berufsleben stehen, scheinen sich für derartige Themen wenig zu interessieren.

 

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Gleich zu Beginn musste Ludwig Maier sich für seine Präsentation vom Juni 2014 entschuldigen, weil sie nicht mehr das gemeinsame Papier des DGB-Chefs Reiner Hoffmann mit dem SPD-Vorsitzenden und Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel berücksichtigen konnte. Peinlich, wie der Referent mit sympathischer Offenheit gestand. Aber als Angestellter des DGB muss er die Position seines Chefs vertreten gemäß dem alten Spruch: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann ist eine scharfe Rechtskurve gefahren. Noch im Mai 2014 forderte der DGB-Bundeskongress, dass die TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA ausgesetzt werden, damit ein grundsätzlich neuer Ansatz in der globalen Handelspolitik verfolgt wird.

Doch im September 2014 vollzog der DGB-Vorsitzende den Schulterschluss mit der SPD und dem Wirtschaftsministerium. Alle Bedenken, die auf dem DGB-Bundeskongress vorgetragen worden sind, wurden zwar von Sigmar Gabriel und Reiner Hoffmann in das gemeinsame Papier aufgenommen, aber über allem thront die erste These, in der steif und fest behauptet wird, dass die Verhandlungen die Chance eröffnen, „die bilateralen Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltiger zu gestalten. Das Abkommen könnte auch dazu beitragen, faire und nachhaltige Handelsregeln global voranzutreiben und Maßstäbe zu setzen.“

Ja was denn nun, sollen Gewerkschafter von TTIP faire Handelsregeln erwarten oder müssen sie wie Ludwig Maier die Investitionsschiedsgerichte als „Paralleljustiz im Namen des Geldes“ fürchten? Beides ist drin, in diesem gemeinsamen Papier. Der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende kann sagen, dass er bei den Verhandlungen den DGB hinter sich hat, und die Gewerkschafter dürfen bei ihren Vorbehalten bleiben, ohne dass sie selbst aktiv werden müssen – ihre Gewerkschaft wird´s schon richten. Ehrliche Politik geht anders.

So ist es denn kein Wunder, dass die Augsburger Gewerkschaften auf der Kundgebung während des Aktionstages am 11. Oktober (s. unser Foto) keine sichtbare Präsenz in Form von Transparenten oder Flugblättern zeigten. Über das gemeinsame Papier von Sigmar Gabriel und Reiner Hoffmann zeigte sich der DGB-Organisationssekretär Wolfgang Peitzsch ebenso peinlich berührt wie von der Frage, wo denn die DGB-Jugend bleibe. Sie soll am Vormittag in der Stadt einen Infostand gehabt haben, aber zur Kundgebung hat sie sich wohl nicht aufraffen können.

Lediglich die kleine GEW – sie hat etwas mehr als 300 Mitglieder in ihrem Kreisverband – war mit einem eigenen Flugblatt vertreten. Die Forderung lautete „TTIP-Verhandlungen aussetzen – Der DGB darf auf gewerkschaftliche Kernforderungen nicht verzichten.“ Die Argumentation der Augsburger GEW war, dass der Vertragspartner USA nur zwei der unverzichtbaren Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert habe. Im eigenen und im Interesse der internationalen Gewerkschaftsbewegung müsse der DGB alle Kernnormen der ILO zur Vorbedingung für die TTIP-Verhandlungen erklären.

Gegen diese Argumentation gibt es seit mehreren Monaten schon von linken Gewerkschaftern berechtigte Einwände, die aber der Augsburger GEW nicht bekannt waren. Patrick Schreiner, Gewerkschafter und Publizist aus Hannover, hat in der linken Internetzeitung annotazioni.de am 27. März 2014 eine Kritik veröffentlicht, in der er die Bedeutung der ILO-Kernarbeitsnormen bezweifelt. Sie widerspiegelten keineswegs das tatsächliche Schutzniveau, weder in den USA noch in Europa. So hätten die europäischen Staaten zwar die ILO-Norm des gleichen Lohns für Mann und Frau ratifiziert, aber das helfe den Frauen wenig. Umgekehrt sei das Diskriminierungsverbot in den USA wesentlich schärfer als in Europa, obwohl diese ILO-Norm nicht von den USA ratifiziert worden sei. Nicht in den Normen, sondern in der internationalen Konkurrenz der Arbeitnehmer*innen sieht Patrick Schreiner das Problem:

„Wenn Märkte geöffnet, Kapitalbeweglichkeit erhöht, öffentliche Beschaffung liberalisiert und öffentliche Dienstleistungen für private Anbieter zugänglich gemacht werden, dann geraten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschiedener Länder in unmittelbare und verschärfte Konkurrenz zueinander.“

Wolfgang Walter, 27.10.2014

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