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Gedenken an den 75. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf die Städte Hiroshima und Nagasaki, Teil 1Greenpeace-Umfrage: überwältigende Mehrheit für Vernichtung der AtomwaffenarsenaleNeue Züricher Zeitung für eigene Atomwaffen der EU. Scheitert die Anschaffung neuer deutscher Trägerflugzeuge für Nuklearbomben?
Das weltweite Gedenken an den 75. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf die Städte Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 fand auch in Augsburg statt. In der Nacht vom 6. August um 1:45 Uhr zündeten knapp 20 Greenpeace-Aktivist_ inn en zum Zeitpunkt der Bombardierung Hiroshima s Kerzen an, die ein großes Peace-Zeichen auf dem Elias-Holl-Platz bildeten. Wir dokumentieren nachfolgend die Presseerklärung von Greenpeace Augsburg. Über diese Aktion berichteten auf Basis der Pressemitteilung von Greenpeace Augsburg relativ ausführlich online BR24 (Bayerischer Rundfunk), Stadtzeitung und presse augsburg. Auch die Augsburger Allgemeine brachte eine kleine Meldung. Die zweite Aktion war eine Mahnwache am gleichen Tag von 15:00 bis 18:00 Uhr auf dem Königsplatz, organisiert von Pax Christi in Kooperation mit der Augsburger Friedensinitiative und der Mennonitengemeinde. Hier nahmen 50 Menschen teil. Wir dokumentieren die Rede von Jost Eschenburg (Pax Christi), sicher eine der interessantesten Reden dieser Kundgebung, im zweiten Teil dieser Artikelserie. Über diese Kundgebung berichteten die Medien nicht. Die Augsburger Allgemeine kündigte die Veranstaltung lediglich an, ohne überhaupt die Veranstalter zu nennen, verlor aber anschließend über die Aktion selbst kein Wort ( 1 ). Zum Teil mag es auch an der mangelhaften Pressearbeit der Veranstalter liegen. So ist die Veranstaltung zum Beispiel auf dem zentralen Portal des Netzwerks Friedenskooperative angekündigt ( 2 ) und als Quelle bemerkenswerterweise der Terminkalender des Augsburger Friedensfestes, online veröffentlicht vom Friedensbüro im Kulturamt der Stadt Augsburg, genannt ( 3 ). Allerdings haben sich die Augsburger Veranstalter offensichtlich nicht die Mühe gemacht, ihre Aufrufe und Reden beim Netzwerk Friedenskooperative online zu stellen ( 4 ). Und wahrscheinlich haben auch die Augsburger Medien nachträglich, beziehungsweise noch am Tag der Veranstaltung, keine Berichte bekommen. Und so kam es, dass auch bei den Pressesplittern des Netzwerks Friedenskooperative Augsburg nicht auftaucht ( 5 ). Die Ankündigung der Mahnwache auf dem Terminkalender des Friedensbüros der Stadt Augsburg als Teil des offiziellen Programms der Stadt zum Friedensfest ist allerdings beachtlich ( 6 ):
Die Leiterin des städtischen Friedensbüros versucht, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Immerhin nahm Christiane Lembert-Dobler die Mahnwache in das offizielle Programm zum Augsburger Friedensfest auf und war auch am 6. August selbst anwesend zusammen mit ihrem Mitarbeiter. Vorauf ging diesen Aktionen ein zentraler deutschlandweiter Aufruf von ICAN und eine große Plakatkampagne. Der deutsche Zweig von ICAN, International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, und seine Partnerorganisationen riefen im Juli 2020 auf: „Hiroshima und Nagasaki mahnen: Beitritt zum UN-Atomwaffenverbot jetzt!“ ( 7 ). Im Aufruf forderten unter anderem der DFG-VK Bundesverband, ICAN Deutschland, IPPNW Deutschland und Pax Christi:
Es ist beachtlich, dass sich die SPD-Vorsitzende von Schwaben und Augsburg, Ulrike Bahr (MdB), diesem Aufruf voll angeschlossen hat ( 8 ) und sich an der Kampagne mit den Großplakaten finanziell beteiligte. In Erinnerung an den Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiroshima vor 75 Jahren haben Greenpeace-Ehrenamtliche ein Peace-Zeichen aus Kerzen auf dem Elias-Holl-Platz aufgestellt. Am 6. August um 1.15 Uhr nachts – dem Zeitpunkt der Explosion der Hiroshima-Atombombe – zündeten sie die Kerzen an und gedachten der Opfer. Die Fotos wurden uns von Greenpeace Augsburg zur Verfügung gestellt
Großflächenplakatkampagne von ICAN Deutschland. 290 Flächen 2,5 x 3,5 Meter in 150 Städten, vier davon in Augsburg, zehn Tage lang: Blücherstraße 145, Bürgermeister-Auernhammer-Straße 59 Nettoeinfahrt, Holzweg Nähe Auerstraße, Ulmer Straße Unterführung Nähe Sallinger Straße
New Start-Vertrag als letzte atomare Hemschwelle umkämpftEs war ein wichtiger Hinweis in der Rede von Jost Eschenburg von Pax Christi, dass die USA die Bombe gegen Japan einsetzten, obwohl Japan über die Sowjetunion einen Friedensabschluss mit den Westmächten anstrebte. Daraus muss man schließen, dass die Atombomben der USA einen anderen Zweck hatten, als einen Friedensabschluss mit Japan zu erzwingen. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen, weil Jost Eschenburg in der schriftlichen Fassung seiner Rede auf einen wichtigen Autor verwiesen hat, der sich sehr gründlich mit der Frage befasst hat, ob Hiroshima „notwendig“ war. ( 9 ) Zunächst aber soll die aktuelle Weltlage mit den Atomwaffen kurz dargestellt werden und dann auf zwei wichtige Studien von Greenpeace eingegangen werden, die sich mit der überwiegenden Ablehnung von Atomwaffen durch die Bevölkerung befassen und mit der umstrittenen Tornado-Nachfolge. Der 75. Jahrestag des Abwurfs der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki fällt in eine Zeit, in der sich die Gefahr eines Atomkriegs wieder deutlich verschärft. Die USA sind dabei, hemmungslos alle Abkommen zu kündigen, die den Besitz von Atomwaffen, Produktion und Tests sowie Trägersysteme beschränken. Die USA erwägen sogar die Wiederaufnahme von Nuklearwaffentests. Russland und China sind gezwungen, in der Defensive irgendwie mitzuhalten oder dagegenzuhalten. Das Hamburger Abendblatt fasst die aktuelle Lage ganz gut zusammen und bleibt dabei relativ sachlich und vermeidet – im Gegensatz zu Teilen der sogenannten deutschen Friedensbewegung – eine Hetze gegen Russland und China ( 10 ):
„Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs steigt“In einer Beilage der jungen Welt vom 26. August, jW Spezial Krieg & Frieden , schreibt Jörg Kronauer über die Neue Konfrontation und die Kündigung der internationalen Rüstungskontrollverträge durch die USA schon in der Überschrift: „Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs steigt.“ ( 11 ) Er thematisiert die enorme Bedeutung von Mittelstreckenraketen für die Verteidigung Chinas. Also warum sich China zur Zeit auf ein generelles Verbot von Mittelstreckenraketen nicht einlassen kann. Und warum sich die Lage nach der Kündigung des INF-Vertrags enorm verschärfen kann für China, weil die US-Streitkräfte im weiteren Umfeld Chinas nun mit der Aufstellung von Mittelstreckenraketen beginnen können. Die Friedensbewegung muss begreifen, dass China dieses Albtraumszenario nicht kontern kann, indem es seine Mittelstreckenraketen aufgibt. Die junge Welt schreibt in ihrem Spezial , das den Antikriegstag am 1. September vorbereitet:
Greenpeace-Umfrage: überwältigende Mehrheit für Vernichtung der AtomwaffenarsenaleGreenpeace hat ganz aktuell eine Umfrage zu Atomwaffen und Atomwaffenverbotsvertrag in Auftrag gegeben, die viel zitiert wird ( 12 ). Von über 1000 Befragten meinten zum Umgang mit weltweit bestehenden Atomwaffen a rsenalen 84 Prozent, sie sollten vernichtet werden . 11 Prozent gaben an, sie sollten so bleiben, wie sie heute sind und 2 Prozent wollten, dass sie modernisiert und ausgebaut werden . Dies weist auf eine ziemlich eindeutige und massive Ablehnungsfront gegenüber den Atomwaffenarsenalen hin. Ob es den (rechts)konservativen Kreisen auf Dauer gelingt, sich darüber einfach hinwegzusetzen, ist fraglich. Denn auch in ihren eigenen Reihen gibt es eine fast überwältigende Mehrheit von an die 80 Prozent, die für die Vernichtung der Atomwaffenarsenale eintritt. Das ist wirklich beachtlich. Nach Parteizugehörigkeit aufgeschlüsselt, sind CDU/CSU und AfD mit nur 79 beziehungsweise 78 Prozent für die Vernichtung der Atomwaffenarsenale und liegen damit unter dem Durchschnitt von 84 Prozent. Das heißt, k napp vier Fünftel der Anhänger dieser beiden Parteien wollen eine Vernichtung der weltweiten Atom w affenarsenale. Bei der Antwort, die Atomwaffen a rsenale sollen so bleiben wie sie heute sind , liegen CDU/CSU FDP und AfD zum Teil deutlich über dem Durchschnitt von 11 Prozent. Eine Modernisierung und den Ausbau der Atomwaffenarsenale befürworten allerdings nur die SPD und CDU/CSU mit jeweils 4 Prozent überdurchschnittlich, während hier die AfD bei 0 Prozent liegt, die Linke und die Grünen bei 1 Prozent und die FDP bei 2 Prozent. Muss man daraus schließen, dass sich die schärfsten Krieger bei SPD und Union versammeln, wenn auch nur mit jeweils 4 Prozent? Es reicht aber, wenn s ie die Spitze beherrschen. Und das dürfte auch so sein. Demnach gibt es eine Clique von Scharfmachern in den großen Parteien, denen eine Mehrheit von 80 bis fast 90 Prozent gegenüberstehen, die das gesamte Atomwaffenarsenal vernichten wollen. Das zweite Thema der Umfrage von Greenpeace betraf de n Umgang mit in Deutschland stationierten Atombomben . Hier sind die Ergebnisse ähnlich wie bei der Frage nach den weltweiten Atomwaffen a rsenalen . 13 Prozent befürworten den Austausch der hier gelagerten Waffen durch neue Atombomben , 83 Prozent sind für einen kompletten Abzug aus Deutschland. Hier ist die SPD etwas defensiver, nur 11 Prozent treten für eine Modernisierung der hier stationierten Atombomben ein, während es bei der CDU/CSU 20 Prozent sind und auch die FDP und die AfD noch über dem Durchschnitt liegen. Nur 78 Prozent der Union treten für einen kompletten Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ein, während es bei der AfD 81 Prozent sind. Hier ist also – wenn man so will – die Union der Krieger. Beim dritten Thema der Umfrage Unterschrift Deutschlands unter den Atomwaffenverbotsvertrag der UNO sind die Ergebnisse noch eindeutiger. 92 Prozent sind für eine Unterschrift unter den UN Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen, der 2017 von 122 Staaten gefordert und beschlossen wurde. Nur 5 Prozent sind gegen eine Unterzeichnung dieses Vertrags. Bei der Union sind immerhin 9 Prozent gegen eine Unterzeichnung des Vertrags, bei FDP und AfD sind es jeweils 8 Prozent. Diese vier Parteien stellen also bei diesem Thema das reaktionäre Lager dar, das aber wiederum stark gespalten ist. Denn zwischen 90 und 92 Prozent sind in diesen Parteien für eine Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags. Bemerkenswert ist hier, dass die Union mit nur 90 Prozent Befürworter_innen einer Unterzeichnung rückschrittlicher ist als zum Beispiel die AfD mit 92 Prozent. Was auch zu denken gibt: Warum denkt die Bundesregierung nicht im Traum daran, diesen Vertrag zu unterzeichnen, obwohl bei der SPD zum Beispiel 95 Prozent für eine Unterzeichnung des Vertrages sind und niemand von den Befragten dagegen ist? Wieso lässt sich die SPD von der Union knebeln bei einem so eindeutigen Meinungsbild in ihrer Partei und wieso lässt sich die SPD-Parteibasis das gefallen? Bei den Grünen übrigens, die ja in letzter Zeit in Militärfragen atemberaubend aggressiver werden, sind immerhin 97 Prozent für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags, bei der Linken sind es 100 Prozent. D ie vierte F rage lautete: Eignung neuer Kampfflugzeuge zum Abwurf von Atombomben. In Deutschland sollen die bisher genutzten Tornado-Kampfjets durch neue Kampfflugzeuge ersetzt werden. Fänden Sie es richtig oder falsch, wenn ein Teil dieser neuen Kampfflugzeuge zum Abwurf von Atombomben geeignet wäre? Bei dieser Frage ist die Gegnerschaft am mäßigsten. Nur 78 Prozent fänden es falsch, wenn die neuen Kampfflugzeuge atomwaffenfähig wären, 16 Prozent fänden es richtig. In dieser Frage be findet sich die SPD rechts von der Union. Nur 74 Prozent der SPD-Anhängerschaft würden eine atomare Bewaffnung neuer Kampfflugzeuge ablehnen. Dies deckt sich exakt mit dem Umfrageergebnis bei der AfD, während die Union die atomare Bewaffnung neuer Kampfflugzeuge immerhin mit 80 Prozent ablehnt. Noch radikaler als die SPD und die AfD ist in diesem Fall nur die FDP. Bei d er FDP lehnen weniger als zwei Drittel die atomare Bewaffnung von Kampfflugzeugen ab und etwas mehr als ein Drittel würden diese befürworten. Auch die Umfrageergebnisse bei der Linken sind beim Thema Atombomber längst nicht so eindeutig wie beim Atomwaffenverbotsvertrag. Zwar sind bei der Linken 89 Prozent gegen neue Atombomber, aber auch 8 Prozent dafür und bei den Grünen sogar 10 Prozent dafür. Gegenüber früheren Umfragen ist die Ablehnung atomarer Aufrüstung signifikant angestiegenIm Februar 2017 führte YouGov eine Umfrage durch zu Überlegungen, dass sich Deutschland zusammen mit anderen EU-Staaten Atombomben beschaffen sollte ( 13 ). YouGov teilte als Ergebnis mit:
Vor gut drei Jahren also befürworteten in einer mit knapp über 1000 Befragten ähnlich repräsentativen Umfrage wie der von Greenpeace immerhin 17 Prozent eine atomare Aufrüstung und nur 71 Prozent lehnten die Bewaffnung Deutschlands mit eigenen Atombomben ab. Auch wenn die Fragestellungen von Greenpeace zu der von YouGov gestellten Frage variierten, lässt sich doch ziemlich deutlich eine Entwicklung feststellen: die Gegnerschaft gegen Atomwaffen ist innerhalb von drei Jahren angestiegen. Zudem muss man berücksichtigen, dass das befragte Thema von YouGov noch wesentlich krasser war als die Themen der Greenpeace-Umfrage. Das heißt, hätte Greenpeace im Juli diese Frage aufgeworfen – Beschaffung eigener Atombomben durch Deutschland –, wäre das Umfrageergebnis wahrscheinlich noch negativer ausgefallen als bei den anderen von Greenpeace aufgeworfenen Themen. Bei einer weiteren Umfrage von YouGov vor knapp drei Jahren, die von ICAN in Auftrag gegeben wurde und mit über 2000 Personen noch repräsentativer ist als die bisher angesprochenen Umfragen, ging es um die Unterzeichnung des internationalen Vertrags zum Verbot von Atomwaffen durch Deutschland ( 14 ). Im September 2017 waren 71 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass die Bundesregierung dem Abkommen beitreten sollte, 14 Prozent waren dagegen, 15 Prozent hatten keine Meinung. Da auch die Greenpeace-Umfrage vom Juli diesen Jahres dieses Thema direkt befragte, kann man ijm Vergleich feststellen, dass sich in diesen knapp drei Jahren die Front gegen Atomwaffen frappierend verstärkt hat. Während bei YouGov im September 2017 71 Prozent der Befragten einen Beitritt Deutschlands zu einem Atomwaffenverbot befürworteten, waren es im Juli 2020 bereits 92 Prozent! Und nur 5 Prozent sind heute dagegen, während es vor drei Jahren noch 14 Prozent waren. Nach der Neuen Züricher Zeitung braucht Europa eigene AtomwaffenDennoch weigert sich die Bundesregierung notorisch, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, ja sie hat nicht einmal an den Verhandlungen teilgenommen. Und die nukleare Teilhabe soll ebenfalls nicht aufgegeben werden. Darüber hinaus gibt es immer wieder seit Jahren Vorstöße aus rechtskonservativen und Militärkreisen, dass Deutschland unter Umständen im Verbund mit anderen EU-Staaten eine Nuklearbewaffnung anstreben sollte. Auch Leitmedien wie die Neue Züricher Zeitung – oder wie weiter oben gesehen die FAZ – zählen zu diesen atomaren Kriegstreibern. Ausgerechnet aus der neutralen Schweiz und ausgerechnet am 8. August grätscht die N ZZ mit ihrem Leitartikel in diese Debatte. Online lautet der Titel: „Ohne Sicherheit kein Wohlstand – wie Europa seine Verteidigungsfähigkeit verspielt“. In der gedruckten Ausgabe lautet der Titel noch ausführlicher: „Ohne Sicherheit kein Wohlstand. In Europa entsteht ein gefährliches militärisches Vakuum, aber die Bedrohung wird verdrängt. Die einstige Schutzmacht Amerika zieht sich zurück, und die Europäer sind nicht in der Lage, die Lücke zu schliessen.“ ( 15 ) Es heißt dort ziemlich unmissverständlich:
Der Autor Eric Gujer empfiehlt also ziemlich unverblümt eine nukleare Bewaffnung Deutschlands und Europas und die Nutzung der französischen Atomwaffen für gesamteuropäische Zwecke. Eric Gujer ist Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung und versteht diese als Leitmedium in der Schweiz. „Unter seiner Ägide wird ihm von Medienbeobachtern eine Verschiebung des politischen NZZ-Profils nach Rechts attestiert, wobei Gujer vor allem Deutschland und dort Anhänger der AfD anpeile“, schreibt Wikipedia ( 16 ). „Gujer ist Buchautor zu nachrichtendienstlichen Themen und zur deutschen Aussenpolitik. Er ist Mitglied des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland und wurde als Strategieexperte vom Schweizerischen Nachrichtendienst des Bundes konsultiert.“ Natürlich darf bei einem solchen Chefredakteur eine eindringliche Warnung vor der russischen und der chinesischen Aggression nicht fehlen ( 17 ):
Aber auch Rudi Wais, Mitglied der Chefredaktion der Augsburger Allgemeinen, greift die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der SPD frontal an, weil sie auf ein Ende der Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf deutschem Boden drängen und das Konzept der nuklearen Teilhabe infrage stellen, das angeblich Deutschland schützt ( 18 ). Rudi Wais sieht Deutschland bedroht, auch nuklear bedroht von Russland, Nordkorea und dem Iran, ohne das in irgendeiner Weise zu belegen. „Als eines der wichtigsten Mitglieder der Nato ist Deutschland nicht nur mitverantwortlich für die transatlantische Sicherheitsarchitektur und die abschreckende Wirkung ihrer atomaren Komponente. Es hat auch ein veritables Eigeninteresse daran, dass dieser Schutzschirm funktioniert.“ Greenpeace: Scheitert die Anschaffung neuer deutscher Trägerflugzeuge für Nuklearbomben?Ebenfalls im Juli legte Greenpeace brandaktuell eine weitere Studie vor, die sich mit der Tornado-Nachfolge befasst, also dem zukünftigen deutschen Nuklearbomber ( 19 ). Sie wurde von Otfried Nassauer, Direktor des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit, und Ulrich Scholz, Oberstleutnant a. D, verfasst, in Zusammenarbeit mit Greenpeace. Der Abrüstungsexperte von Greenpeace, Alexander Lurz, schreibt im Vorwort der Studie über die Tragweite der anstehenden Entscheidungen:
Die anstehende Entscheidung wurde auch vom politischen Establishment offensichtlich als so brisant angesehen, dass der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD von 2018 keine Aussage zu den nuklearen Trägerflugzeugen und ihrer Modernisierung macht. Die von Greenpeace vorgelegte Studie verfolgt eine kluge und realistische Strategie. Auf der Basis der aktuell mit der Greenpeace-Umfrage erneut bekräftigten, wachsenden Gegnerschaft gegen Atomwaffen in der Öffentlichkeit soll durch eine Schätzung der voraussichtlichen Kosten modernisierter Nuklearbomber das Dilemma der Bundesregierung verschärft werden. Greenpeace will verhindern, dass das Verteidigungsministerium die Kosten bis zuletzt verheimlicht, um eine transparente öffentliche Debatte über eine Modernisierung der Atomwaffen und der Atombombe auf deutschem Boden zu verhindern. Greenpeace will genau dies befördern: eine informierte und transparente öffentliche Debatte. In einer Kurzzusammenfassung der Studie heißt es:
Die minimale Kostenschätzung der Experten der Greenpeacestudie beläuft sich also bereits auf fast 9 Milliarden Euro. Dies weicht zum Beispiel ganz krass ab von Schätzungen zwischen 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro für 30 US-Flugzeuge, die die Frankfurter Rundschau verbreitet ( 20 ). Es handelt sich in der FR um einen Gastbeitrag von Moritz Kütt, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg (ISFH), der auch an technischen Verfahren zur Verifikation atomarer Abrüstung arbeitet. Allerdings bringt der Autor in der FR gleichzeitig höchst interessante Informationen. Die US-amerikanischen F 18 seien ausschließlich für den Einsatz von Kernwaffen von deutschen Stützpunkten ausgedacht, für alle anderen derzeitigen Aufgaben der Tornados seien andere Flugzeugtypen geplant. Es sei aber noch unklar ob die geplanten Flugzeuge überhaupt als Trägersysteme infrage kommen, da sie von den US-Behörden noch gar nicht entsprechend zertifiziert seien: „Im Falle eines Misserfolges hätte Deutschland geschätzt 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro für 30 Flugzeuge ohne Verwendungszweck ausgegeben.“ Hinzu kommt Laut Moritz Kütt vom ISFH: „Unabhängig von der Frage, ob ein Einsatz militärisch sinnvoll oder moralisch vertretbar wäre: Bei Einsatzreichweiten von rund 2000 Kilometern gibt es nicht viele Ziele, die außerhalb von EU-Territorium liegen.“ Das heißt nichts anderes, als dass ein Nuklearwaffeneinsatz mit den geplanten F 18 vor allem im Bereich des EU-Territoriums möglich und vermutlich auch vorgesehen ist. Eigentlich ist das eine ungeheure Aussage, denn in der Debatte über eine Verschärfung der Atomkriegsgefahr auch für Europa wird ja in der Regel daran gedacht, dass nach entsprechenden Provokationen der NATO russische Raketen auf EU-Territorium einschlagen. Davon, das deutsche Nuklearbomber selbst auf EU-Territorium losschlagen, war bisher eigentlich noch nicht die Rede! Nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium könne das Haushaltsverfahren zum Kauf der US-Atombomber erst in der nächsten Legislaturperiode stattfinden, nach „optimistischen Schätzungen“ frühestens im Zeitraum zwischen 2022 und 2023 ( 21 ). Nach Meinung von Greenpeace würden die Kosten bis dahin verschleiert, deshalb will Greenpeace die Zahlen bewusst jetzt schon öffentlich thematisieren. Außerdem könne sich durch technologische Entwicklungen die Nuklearstrategie ändern und nuklearfähige Flugzeuge in Europa viel von ihrem politischen Gewicht verlieren. So heißt es in der Einleitung der Greenpeace-Studie:
Peter Feininger, 30. August 2020 Wird fortgesetzt Alle Teile dieser Artikelfolge finden sich auf themen/Antimilitarismus http://www.forumaugsburg.de/s_3themen/Antimil/index.htm 1 In der Augsburger Allgemeinen vom 6. August, also am Tag der Veranstaltung selber, stand lediglich: Königsplatz, 15-18 Uhr, „75 Jahre Hiroshima: Atomare Waffen – eine bleibende Bedrohung noch heute“, öffentl. Aktion. 2 https://www.friedenskooperative.de/termine/hiroshima-gedenken-2020-in-augsburg 3 Ankündigung 75 Jahre Hiroshima: atomare Waffen – eine bleibende Bedrohung noch heute, 6.8.2020, Terminkalender, Friedensbüro der Stadt Augsburg https://www.friedensstadt-augsburg.de/de/veranstaltung/75-jahre-hiroshima 4 Aufrufe der Veranstalter*innen Hiroshimatag 2020 https://www.friedenskooperative.de/hiroshimatag2020/aufrufe Redebeiträge zum Hiroshima- und Nagasakigedenktag 2020 https://www.friedenskooperative.de/hiroshimatag2020/reden 5 Pressesplitter zum Hiroshima- und Nagasakigedenktag 2020 https://www.friedenskooperative.de/hiroshimatag2020/pressesplitter 6 Ankündigung 75 Jahre Hiroshima, a. a. O. 7 ICAN und Partner, Aufruf: Hiroshima und Nagasaki mahnen – Beitritt zum UN-Atomwaffenverbot jetzt!, 2020.07 https://www.friedenskooperative.de/sites/default/files/aufruf_hiroshima-nagasaki-2020_final.pdf 8 Bahr, Ulrike. „Hiroshima und Nagasaki mahnen - UN-Atomwaffenverbot jetzt!“ Ulrike Bahr, 17. Juli 2020. https://ulrike-bahr.de/news/hiroshima-und-nagasaki-mahnen-un-atomwaffenverbot-jetzt/ 9 Long, Doug. „Hiroshima: Was it necessary? Part 1“. Zugegriffen 23. August 2020. http://www.doug-long.com/hiroshim.htm . 10 Backfisch, Michael, Dirk Hautkapp, und Fabian Kretschmer. „Droht der Welt die nukleare Anarchie? Die großen Atommächte USA, Russland und China modernisieren ihr Arsenal. Der Vertrag über Interkontinentalraketen läuft im Februar 2021 aus“. Hamburger Abendblatt, 10. August 2020. 11 Kronauer, Jörg. „Neue Konfrontation. USA kündigen internationale Rüstungskontrollverträge. Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs steigt“. junge Welt, 26. August 2020 12 Kantar. „Greenpeace-Umfrage zu Atomwaffen und Atomwaffenverbotsvertrag. Eine Umfrage von Kantar im Auftrag von Greenpeace“. Hamburg, Juli 2020. https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/umfrage_ 13 YouGov: What the world thinks. „Zwei von drei Deutschen lehnen atomare Aufrüstung Europas ab“, Februar 2017. https://yougov.de/news/2017/02/23/atomare-aufrustung/ . 14 ICAN Deutschland. „Bevölkerung für Beitritt zu Atomwaffenverbot“, 11. September 2017. https://www.icanw.de/neuigkeiten/bevoelkerung-fuer-beitritt-zu-atomwaffenverbot-unterzeichnung-ab-dem-20-september-2017/ . 15 Gujer, Eric. „Ohne Sicherheit kein Wohlstand. In Europa entsteht ein gefährliches militärisches Vakuum, aber die Bedrohung wird verdrängt. Die einstige Schutzmacht Amerika zieht sich zurück, und die Europäer sind nicht in der Lage, die Lücke zu schliessen.“ Neue Züricher Zeitung, 8. August 2020. 16 „Eric Gujer“. In Wikipedia, 4. Juli 2020. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Eric_Gujer . 17 Gujer, Eric. Ohne Sicherheit kein Wohlstand …, a. a. O. 18 Wais, Rudi. „Nein zu Atomwaffen auf deutschem Boden: Die Denke der SPD ist naiv“. Augsburger Allgemeine, 3. Mai 2020. https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Nein-zu-Atomwaffen-auf-deutschem-Boeden-Die-Denke-der-SPD-ist-naiv-id57321316.html . 19 Nassauer, Otfried, Ulrich Scholz, und Alexander Lurz. „Teuer und umstritten – die Tornado-Nachfolge. Autoren: Otfried Nassauer, Direktor des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit. Ulrich Scholz, OTL a. D. In Zusammenarbeit mit Greenpeace. Mit einem Vorwort von Alexander Lurz, Abrüstungsexperte von Greenpeace, Hamburg“. Greenpeace, Juli 2020. https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/greenpeace_bits_kosten_ 20 Kütt, Moritz. „Ministerium will Flugzeuge für Kernwaffen kaufen: Das ist moralisch und rechtlich fragwürdig“. Frankfurter Rundschau, 23. April 2020, Abschn. Meinung. https://www.fr.de/meinung/flugzeuge-kernwaffen-deutschland-verteidigungsministerium-moralisch-rechtlich-fragwuerdig-13698414.html . 21 Lamm, Annika. „Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer: Vorstoß zu Beschaffung von Kampfflugzeugen aus den USA“. RP ONLINE, 20. April 2020. https://rp-online.de/politik/deutschland/bundeswehr-kampfflugzeuge-aus-den-usa-kritik-an-akk_aid-50139007 .
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