![]() |
||||||||
Problematische Straßennamen, Teil 2Seit den Befreiungskriegen zu Anfang des 19. Jahrhunderts: teutonisch-frankophobe Positionen, die zum Ursprung der völkischen Ideologie werden solltenDie Kriegslyrik eines Ernst Moritz Arndt und der sudetendeutsche Volkstumskampf eines Hans Watzlik26.3.2020
Die städtische Kommission für Erinnerungskultur, siehe Teil 1 dieser Artikelserie ( 1 ), hat sich auch mit dem Literaten Ernst Moritz Arndt befasst, nach dem 1936 eine Straße in Lechhausen benannt wurde. Mit der Epoche der Befreiungskriege (1813-1815) und der Romantik sind noch eine ganze Reihe höchst problematischer Straßennamen verbunden sind. Sie stehen für Kriegslyrik und rassistische, völkische Ideologie, die sich 100 Jahre später in deutschen imperialistischen Kriegen und dem Faschismus entlud. Die Straßenbenennungen erfolgten ausnahmslos in der NS-Zeit. Auch der Name Hans Watzlik steht beispielhaft für propagandistische, deutsch-völkische Dichtung. In diesem Fall im Dienste des NS-Besatzungsregimes in Tschechien und dessen dort ausgerufenen sudetendeutschen Volkstumskampfs. „Frisch auf! Zu den Waffen!“ – die völkische Kriegslyrik eines Ernst Moritz Arndt und zahlreicher ZeitgenossenZur Ernst-Moritz-Arndt-Straße hier ein Beispiel aus der Fülle der Kriegslyrik von Ernst Moritz Arndt ( 2 ):
Siehe auch weiter unten den Originalauszug aus dem Katechismus von 1813 für den D eutschen Kriegs- und Wehrmann, worin gelehrt wird, wie ein christlicher Wehrmann seyn und mit Gott in den Streit gehen soll.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Universität Greifswald den Namenszusatz Ernst Moritz Arndt im Jahr 2018 aufgrund eines Senatsbeschlusses mit über zwei Drittel der Mitglieder abgelehnt hat. Die Antragsteller begründeten die Streichung von Ernst Moritz Arndt aus dem Universitätsnamen damit, dass nationalistische, fremdenfeindliche und antisemitische Äußerungen des Schriftstellers dem Leitbild der Uni entgegenstünden. Mit scharfer Polemik und sogar einer Protestdemonstration reagierten die Landtagsfraktionen von CDU und AfD in Mecklenburg-Vorpommern und das Wissenschaftsministerium in Schwerin hatte die Namensänderung zunächst abgelehnt. Mit Beschluss von Mai 2018 muss der Name Ernst Moritz Arndt im Zusammenhang mit der Universität Greifswald weitgehend vermieden werden ( 3 ).
Zur gleichen Kategorie wie die Ernst-Moritz-Arndt-Straße zählt unter anderem auch die Schenkendorfstraße . Max von Schenkendorf gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Befreiungskriege. Hier ein Beispiel ( 4 ):
Aber Fichte, Schlegel und Körner müssten genauso auf den Index. Karl-Theodor Körner, wohl der bekannteste deutsche Kriegslyriker dieser Jahre, huldigte dem Krieg gegen Frankreich 1813 ( 5 ):
Der Historiker Hans-Christof Kraus von der Universität Passau schreibt zu Friedrich Schlegel ( 6 ): „Als ein direkter Vorläufer der Kriegslyrik eines Körner oder Schenkendorf darf übrigens Friedrich Schlegel gelten, der bereits während des österreichisch-französischen Krieges von 1809 in seinem Gedicht ‚Gelübde‘ den Tod fürs Vaterland sakralisiert und in diesem Sinne als heiligen Akt gefeiert hat:
Zum Stichwort „völkisch“ schrieb Daniel Bratanovic in der jungen Welt ( 7 ):
Über den Weg von Johann Gottfried Herder über Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt und Johann Gottlieb Fichte „zu den Wahnideen eines Adolf Hitler“ siehe auch im Anhang dieses Artikels Helmut Kellershohn: »Deutschland den Deutschen«. Ideologiegeschichtliche Anmerkungen zur Renaissance völkischer Ideologie Damit wäre auch die Augsburger Jahnstraße problematisch, sogar eine Kleist- und Brentanostraße. Der Historiker und Rechtsextremismusforscher Helmut Kellershohn geht in einer Fußnote des im Anhang zitierten Artikels auf diese Herrschaften ein:
In einem Aufsatz über die populistische Revolte eines neuen rechten Blocks in Italien zieht Stefano G. Azzara, der an der Universität von Urbino Geschichte der Philosophie und politische Philosophie lehrt, einen Vergleich zu den deutschen Befreiungskriegen ( 8 ):
Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Kommission für Erinnerungskultur sich unter anderem diese Epoche vornimmt und über die Personen und Ereignisse dieser Zeit aufklärt und erläutert, warum die Benennung dieser Straßen ausgerechnet fast durchweg in der Zeit des Nationalsozialismus erfolgte. So wurden zum Beispiel auch die Tauentzienstraße und Speckbacherstraße, die Generäle und Anführer mit militärischen Erfolgen über „die Franzosen“ feiern, 1933 und 1935 so benannt. Auch Schauplätze wichtiger Schlachten der Befreiungskriege wie Bautzen, Dennewitz oder Großbeeren wurden in der NS-Zeit bereits 1933 systematisch für die Straßenbenennung verwendet, auch in Augsburg: Es gibt eine Bautzener Straße, eine Dennewitzstraße und eine Großbeerenstraße. Dies nimmt nicht Wunder, schwärmte doch Hitler in „Mein Kampf“ schon von den „Befreiungskriegen“ ( 9 ):„Warum konnte man denn nicht hundert Jahre früher geboren sein? Etwa zur Zeit der Befreiungskriege, da der Mann wirklich, auch ohne ‚Geschäft‘, noch etwas wert war?!“ Als es eng wurde für die Nationalsozialisten, griff der Propagandaminister ab 1944 zur Sakralisierung von Volk und Krieg, die in den Befreiungskriegen gegen Napoleon gründete. Hans Günter Hockerts, der bis 2009 den Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der LMU München innehatte und Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ist, wo er die Abteilung Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945 leitet, stellte bei einem Kolloquium „Heilige Kriege“ fest ( 10 ):
Der Appell des oben zitierten italienischen Professors, fortschrittliche Menschen sollten nicht denselben Fehler wiederholen – eindeutig reaktionären, europhob-populistischen politischen Positionen beizupflichten –, kann auch in Augsburg beherzigt werden. Hier hätte die Kommission für Erinnerungskultur eine wichtige Aufgabe ganz im Sinne Augsburgs als Friedensstadt. Hans Watzlik wäre geeignet, mit den sudetendeutschen Umtrieben endlich einmal abzurechnenWohltuend ist auch die Auswahl von Hans Watzlik, der „die Eingliederung seines Böhmerwalds in das Deutsche Reich mit einem panegyrischen (lobrednerischen, Red. ) Gedicht Sudetenland an seinen Führer“ feierte und als Mitglied der Sudetendeutschen Partei und der NSDAP sich in seinen Schriften dem „sudetendeutschen Volkstumskampf“ widmete. In einem österreichischen Literaturhandbuch heißt es ( 11 ):
In Augsburg blieben die „heftigen Diskussionen“ über Watzlik bisher aus, könnten aber durch die Erinnerungskommission jetzt endlich angestoßen werden und auch zu einer Aufarbeitung des starken Einflusses der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Stadt und ihres notorischen Vertreibungsdiskurses und ihrer Hetze gegen die tschechische Politik unter Benesch führen. Immerhin war Watzlik im engsten Zirkel am 29. August 1947 beteiligt, der die Gründung der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit Lodgman von Auen an der Spitze vorbereitete. Lodgman war in Abwesenheit in der Tschechoslowakei zu sieben Jahren Kerker verurteilt worden. In seiner Dissertation „Volkstumskampf“ ohne Ende? deckte der Historiker Tobias Weger die Machenschaften sudetendeutscher Organisationen in den ersten zehn Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Hier spielte Hans Watzlik eine nicht unbedeutende Rolle und die Spuren führen sogar nach Augsburg ( 14 ):
Hier eine Kostprobe von Hans Watzlik, die nicht etwa aus dem Dritten Reich stammt als Begleitpropaganda zur Besetzung des westlichen Teils der Tschechoslowakei, sondern zum ersten Mal gesprochen beim Böhmerwäldlertreffen am 31. Juli 1949 auf dem Dreisessel, möglichst zur Rückholung „Deutschböhmerlands“ ( 15 ):
wird fortgesetzt
http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Stadtgeschichte/index.htm
AnhangHelmut Kellershohn: »Deutschland den Deutschen«. Ideologiegeschichtliche Anmerkungen zur Renaissance völkischer Ideologie, AuszugIn: Birsl, Ursula, Christoph Kopke, Juliane Lang, Ina Pallinger, Andreas Kemper, Regina Wamper, Richard Gebhardt, Ralf Ptak, Beate Küpper, und Fabian Virchow. Das Gesicht des völkischen Populismus: neue Herausforderungen für eine kritische Rechtsextremismusforschung. Herausgegeben von Alexander Häusler und Helmut Kellershohn. 216 S., 1. Auflage. Edition DISS, Bd. 41. Münster: Unrast Verlag, 2018. »Die Natur hat Völker durch Sprache, Sitten, Gebräuche, oft durch Berge, Meere, Ströme und Wüsten getrennt [...]. Die Verschiedenheit [...] sollte ein Riegel gegen die anmaßende Verkettung der Völker, ein Damm gegen fremde Überschwemmungen werden: denn dem Haushalter der Welt war daran gelegen, daß [...] jedes Volk und Geschlecht sein Gepräge, seinen Charakter erhielt. Völker sollen nebeneinander, nicht durch- und übereinander drückend wohnen.« Herders vorpolitischer Volksbegriff wurde intensiv rezipiert in der Romantik, die in ihrer Hochphase (1804-1815) einherging mit der napoleonischen Besatzungszeit und den Befreiungskriegen. Aus einer antifranzösischen (und antirevolutionären) Abwehrhaltung heraus erfährt der Volksbegriff eine Zu- und Überspitzung. In den im Winter 1807/08 im besetzten Berlin gehaltenen Reden an die deutsche Nation entwickelt Johann Gottlieb Fichte im Rahmen einer ursprungsbezogenen Sprachspekulation die Fiktion, dass die Deutschen »ein Urvolk, das Volk schlechtweg« … seien und »daß nur der Deutsche [...] wahrhaft ein Volk hat und auf eins zu rechnen befugt ist, und daß nur er der eigentlichen und vernunftgemäßen Liebe zu seiner Nation fähig ist« … Zwar stehe jedes Volk »unter einem gewissen besondern Gesetze der Entwicklung des Göttlichem aus ihm«, aber nur in dem deutschen Volk sei das göttliche Schöpfungsgesetz am reinsten bewahrt worden. Diese Sakralisierung, d.h. die Übertragung religiöser Kategorien auf das Kollektivsubjekt Volk, findet sich dann auch bei Friedrich Ludwig Jahn (»Turnvater Jahn«), wenn er einzig die Deutschen mit den Griechen vergleicht und beide als »heilige Völker« … bezeichnet. Oder bei Ernst Moritz Arndt, wenn er 1814 verkündet: »Einmüthigkeit der Herzen sey eure Kirche, Hass gegen die Franzosen eure Religion, Freiheit und Vaterland seyen die Heiligen, bei welchen ihr anbetet.« In seiner Kampfschrift Über Volkshass (1813) unterstreicht Arndt die sowohl quasireligiöse wie aggressive Komponente des Volksbegriffs: Die von Gott gesetzte, angeborene Verschiedenheit der Völker führe dazu, dass jedes Volk – im konkreten Fall Franzosen und Deutsche – einen festen Hass gegen ein anderes brauche. Er unterscheidet einen »äußerlichen Hass«, der aus der Verschiedenheit der Völker als solcher entspringt, von einem »innerlichen Hass«, der reaktiv aus dem Versuch eines Volkes, ein anderes unterdrücken zu wollen, resultiert und die notwendige moralische Grundlage für einen befreiungsnationalistischen Gegenschlag bildet. Dieser Hass »glühe als die Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unserer Treue, Redlichkeit und Tapferkeit [...].« … Mit den Schriften von Fichte, Jahn und Arndt unterlag die romantische Volksidee einer gegenüber Herder »germanozentrischen Verengung« … mit einer zudem stark antisemitischen Komponente, die aus der Vielfalt der Bestimmungsfaktoren des Volksbegriffs immer stärker die Fiktion einer durchgängigen Abstammungsgemeinschaft hervorhob. Wir stehen hier am Beginn einer ideologischen Tradition, die dem bürgerlich-konstitutionellen Nationalismus der Französischen Revolution einen völkischen Nationalismus entgegensetzte, der besonders in Deutschland - aber nicht nur dort - Karriere machen sollte. Mit der Berufung auf Abstammung und Blut »war eine Argumentationsebene beschritten, die weit von jeder geschichtswissenschaftlichen Begründbarkeit fortführte, über die Rassentheorien eines Grafen Gobineau und eines Houston Stewart Chamberlain zu den Wahnideen eines Adolf Hitler«. …
1 alle Artikel unter kommunales/Stadtgeschichte http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Stadtgeschichte/index.htm 2 Zitiet nach: Schreiner, Klaus, Hrsg. Heilige Kriege: religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich?; [vom 7. bis 9. November 2007 fand anlässlich der neunten Verleihung des Preises des Historischen Kollegs an Gerhard A. Ritter ein Kolloquium zum Thema „Heilige Kriege. Religiöse Begründungen Militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich“ als Kooperationsveranstaltung des Historischen Kollegs mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in der Kaulbach-Villa statt]. Schriften des Historischen Kollegs?: [...], Kolloquien 78. München: Oldenbourg, 2008. Seite 210 3 Universität Greifswald. „Zu den Diskussionen über die Ablegung des Namens Ernst Moritz Arndt“, Mai 2018. https://www.uni-greifswald.de/universitaet/geschichte/zum-universitaetsnamen/ . 4 Schenkendorf, Max von. „Literatur im Volltext: Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 114.: Schlachtgesang“. Zeno.org. Zugegriffen 26. Januar 2020. http://www.zeno.org/Literatur/M/Schenkendorf,+Max+von/Gedichte/Gedichte/ 5 Schreiner, Klaus, Hrsg. Heilige Kriege, a. a. O. Seite 209 6 Schreiner, Klaus, Hrsg. Heilige Kriege, a. a. O. Seite 208 7 Bratanovic, Daniel: „Rotlicht Völkisch“ Junge Welt, 12. Oktober 2016 8 G. Azzarà, Stefano: Die populistische Revolte. Vorabdruck. In Italien hat sich auf den Trümmern der parlamentarischen Institutionen ein neuer rechter Block formiert. Die Linke hat nichts zu gewinnen, wenn sie bei diesem Spiel mitmacht, Junge Welt, 27. Februar 2019 9 Hitler, Adolf. Mein Kampf. 2 Bände in einem Band, ungekürzte Ausgabe. 851.–855. Auflage 1943. München: Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., 1943. Seite 172 10 Schreiner, Klaus, Hrsg. Heilige Kriege: religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich?; [vom 7. bis 9. November 2007 fand anlässlich der neunten Verleihung des Preises des Historischen Kollegs an Gerhard A. Ritter ein Kolloquium zum Thema „Heilige Kriege. Religiöse Begründungen Militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich“ als Kooperationsveranstaltung des Historischen Kollegs mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in der Kaulbach-Villa statt]. Schriften des Historischen Kollegs?: [...], Kolloquien 78. München: Oldenbourg, 2008. Seite 236 11 Nach: Baur, Uwe, und Karin Gradwohl-Schlacher. Literatur in Österreich 1938-1945. Handbuch eines literarischen Systems. band 3: oberösterreich. Böhlau Verlag Wien, 2014. 12 Reichskulturkammer, ein Instrument der nationalsozialistischen Kulturpolitik 13 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP), zuständiger Minister Josef Goebbels 14 Weger, Tobias. „Volkstumskampf“ ohne Ende?: sudetendeutsche Organisationen, 1945-1955. Peter Lang, 2008. Seite 166f. 15 Watzlik, Hans. „Hans Watzlik“. Text. Wissenschaftliche Bibliothek Südböhmen, 1. Januar 2001. https://www.kohoutikriz.org/autor.html?id=watzl .
|
||||||||
|