![]() |
||||||
Problematische Straßennamen, Teil 1Die städtische Kommission für Erinnerungskultur leistet Pionierarbeit3.2.2020
In einer vierteiligen Artikelserie zu problematischen Straßennamen wollen wir zunächst die Pionierarbeit der städtischen Kommission für Erinnerungskultur würdigen. Im April will der Stadtrat über sieben Straßennamen Beschluss fassen, ob sie bleiben oder umbenannt werden sollen. In jedem Fall soll es Zusatztafeln mit historischen Erläuterungen geben. Die meisten der Straßennamen haben eine NS-Geschichte, aber nur zwei wurden in der NS-Zeit vergeben, die anderen in den fünfziger, sechziger und achtziger Jahren. Dies kann als ein Indiz gewertet werden, wie stark die reaktionären Kräfte in der Nachkriegszeit, auch in dieser Stadt, noch waren. I m Jahr 2013, als der Diskurs um die Straßennamen durch Anträge der Grünen und der Linken im Stadtrat neuen Auftrieb erhielt, drohte die Messerschmitt Stiftung, die Förderung der Stadt einzustellen, wenn der Name Messerschmitt weiterhin kritisch behandelt wird. In einem zweiten Teil der Artikelreihe geht es am Beispiel der Ernst-Moritz-Arndt-Straße um die Kriegslyrik und die völkische Tendenz in der Romantik und den sogenannten Befreiungskriegen Anfang des 19. Jahrhunderts sowie am Beispiel von Hans Watzlik um den „Sudetendeutschen Volkstumskampf“. In Teil drei geht es um Karl Haberstock, den führenden Kunsthändler der Nazis, und den jahrzehntelangen Widerstand der Haberstock-Stiftung, die sich im Besitz der Stadt befindet, die Rolle Haberstocks im Dritten Reich aufzuklären. Es wurden sogar Akten gefälscht und führenden Historikern der Zugang zu den städtischen Archiven verweigert. In Teil vier geht es um den politischen und historischen Hintergrund der Sommestraße. Was in Augsburg wahrscheinlich gar nicht bekannt ist: Bereits in Mein Kampf hat Hitler die Schlacht an der französischen Somme mit über einer Million Toten und Verwundeten verherrlicht und seine eigene Teilnahme gerühmt. Historische Pionierarbeit leistete ein Schülerprojekt des Kulturhauses abraxas und des Jungen Theaters im Jahr 2016, das auch Bestandteil des Friedensfestprogramms der Stadt war. Dabei wollen wir auch auf die tatsächlichen Kriegsziele des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg zu sprechen kommen, die bis heute verschleiert werden sowie auf Tendenzen im Offizierscorps der Bundeswehr, den Mythos solcher Schlachten an der Somme und bei Verdun wieder positiv aufzugreifen zum Zwecke aktueller militärischer Strategien. Die Umbenennung der Sommestraße steht aktuell nicht an, sollte aber unbedingt angegangen werden. Die Kommission und die sieben StraßennamenDie städtische Kommission für Erinnerungskultur befasste sich seit Anfang 2017 mit problematischen oder belasteten Straßennamen in Augsburg. Vorrangig wurden zunächst eine Auswahl von Straßennamen behandelt, „deren Namensgeber möglicherweise in die Verbrechen des Nationalsozialismus involviert waren“. Im August 2019 legte diese Kommission dem Stadtrat einen Bericht vor mit Empfehlungen zum Umgang mit s ieben Straßennamen. Die Stadt beziehungsweise genauer das Kulturamt hat inzwischen eine eigene Unterseite zur Erinnerungskultur auf der städtischen Homepage angelegt, auf der auch der 16-seitige Bericht der Kommission dokumentiert wird ( 1 ). Für die untersuchten Straßennamen verwendete die Kommission drei Kategorien: A Empfehlung einer Kontextualisierung, das heißt E rgänzung des Straßennamens mit Zusatzschild. B Empfehlung einer Umbenennung. C kein, beziehungsweise vorerst kein Handlungsbedarf.
Bei den sieben (Straßen)Namen handelt es sich um Ernst Moritz Arndt, politischer Literat, der die Schaffung eines deutschen Nationalstaates chauvinistisch, antifranzösisch, rassistisch und antisemitisch begründete und die Kategorie der Rassenreinheit der Nationalsozialisten vorwegnahm. Benennungsjahr 1936, Kategorie C Hans Watzlik, „sudetendeutscher“ Heimatdichter, stellte sich in seinen Werken propagandistisch in den Dienst des nationalsozialistischen Besatzungsregimes in Tschechien, Mitglied der NSDAP, Benennungsjahr 1960, Kategorie A Professor Messerschmitt, „Unberücksichtigt bei der Straßenbenennung 1980 blieben seine Mitgliedschaft in NSDAP und SS, seine führende Position in der NS-Rüstungsindustrie sowie die Ausbeutung Tausender Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in den Messerschmitt-Werken während des 2. Weltkriegs“ – so die Kommission. Benennungsjahr 1980, Kategorie A Karl Haberstock, Kunsthändler, 1933 Eintritt in die NSDAP, aktiv in der NS-Kunstpolitik, intensive Geschäftskontakte zu Hitler, Goebbels, Göring oder Bormann, Mitglied der NS-Kommission zur Verwertung beschlagnahmter Kunstwerke, einer der Hauptlieferanten für das geplante Führermuseum in Linz, förderte Rosenbergs paramilitärisch organisierten Kampfbund für deutsche Kultur. Benennungsjahr 1958, Kategorie A Langemarck, belgischer Ort, in dessen Nähe die deutsche Oberste Heeresleitung etwa 2000 Mann verheizte für einen Durchbruchsversuch Richtung Calais. Daraus wurde vom Deutschen Reich und seinen Medien der Mythos über den heldenhaften Opfergang junger Soldaten geschaffen, der später auch von den Nationalsozialisten massiv gepflegt wurde. Benennungsjahr 1939, Kategorie B Bürgermeister Widmeier, seit 1919 erster Bürgermeister von Haunstetten, 1933 Austritt aus der SPD und Eintritt in die NSDAP, von dieser im Amt bestätigt, vermutlich in den Aufbau des KZ-Außenlagers in Haunstetten involviert. Wegen nicht ausreichendem Quellenmaterial, für das umfangreichere Archivrecherchen nötig gewesen wären, konnte die Kommission die Rolle Widmeiers bei der Errichtung des KZ-Außenlagers nicht fundiert klären. Benennungsjahr 1955, Kategorie A Dr. Mack, „Es kann als gesichert gelten, dass sich Dr. Mack in seiner Position als Arzt an der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassen- und Gesundheitspolitik beteiligte. Die Weiterführung des Straßennamens erscheint der Kommission für Erinnerungskultur deshalb nicht tragbar, insbesondere, weil an dieser Straße das Bezirkskrankenhaus liegt“, erläutert die Kommission. Dazu zählten auch Zwangssterilisationen, die damals zu etwa ein Prozent tödlich verliefen. Benennungsjahr 1986, Kategorie B. WürdigungDie Einrichtung der Kommission für Erinnerungskultur, ihre zweijährige Arbeit, die sich in 18 Sitzungen mit sieben belasteten Straßennamen befasste und und sie erforschte, ein einhelliges Ergebnis in der Kommission, das in einem ausführlichen Bericht auf der Homepage der Stadt veröffentlicht wurde, die mediale Würdigung der Ergebnisse zum Beispiel in einer ungewöhnlich ausführlichen Berichterstattung der Augsburger Allgemeinen und nicht zuletzt auch die einstimmige Billigung der Vorschläge der Kommission im Kulturausschuss der Stadt am 11. November – stellen einen ausgesprochenen Fortschritt für die Stadt und die Stadtgesellschaft im Umgang mit den fürchterlichen Abschnitten ihrer Geschichte im vergangenen Jahrhundert dar.
Wir wollen festhalten, dass dieser Diskurs, für den die Kommission für Erinnerungskultur eine Grundlage geschaffen hat, fortan nicht mehr aus der Welt geschafft, gestoppt oder unterdrückt werden kann. Mehr noch, die Kommission ist mit einem fast einstimmigen Beschluss des Stadtrats beauftragt, weiterzumachen: „Es wird beschlossen, das die Überprüfung der Augsburger Straßennamen durch die Kommission für Erinnerungskultur nach den von ihr aufgestellten Kriterien auch über die beantragten Fälle hinaus fortgesetzt wird.“ ( 2 ) Die Auswahl der sieben Straßennamen ging 2013 zunächst vom Stadtrat aus, von den Grünen, der Linken und in einem Fall der CSM. Obwohl also eher unkoordiniert zusammengekommen, kann man die Auswahl der Straßennamen auch exemplarisch auffassen. Auch wenn der Straßenname Ernst Moritz Arndt vorerst beibehalten werden soll, so wurde er dennoch im Bericht der Kommission aufgegriffen und erörtert. Damit wird wohl beispielhaft signalisiert, dass mit der Epoche der Befreiungskriege (1813-1815) und der Romantik noch e ine ganze Reihe höchst problematische Namen verbunden sind. Sie stehen für Kriegslyrik und völkische Ideologie, die sich 100 Jahre später in deutschen imperialistischen Kriegen und dem Faschismus entlud. Die entsprechenden Straßenbenennungen erfolgten ausnahmslos in der NS-Zeit. Die Befassung m it Hans Watzlik wäre ein möglicher Einstieg in e ine Kritik des sudetendeutschen Volkstumskampfs und Revanchismus. Mit Professor Messerschmitt kommt die Rüstungsindustrie – nicht nur der NS-Zeit – in den Fokus wie auch die brutale NS- Zwangsarbeit, die dazu diente, den Raubkrieg aufrechtzuerhalten. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der enorme Einfluss Willy Messerschmitts und seine r D ynastie in der Nachkriegszeit. 1969, neun Jahre vor seinem Tode, legte Messerschmitt zusammen mit seinem langjährigen engen Freund und Berater Dr. Hans Heinrich Ritter von Srbik den Grundstein für die Messerschmitt-Stiftung. Das Stiftungsvermögen sollte in Form seiner Gesellschafteranteile an der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH eingebracht werden. Hauptzweck der Stiftung wurde die „Pflege und Erhaltung“ deutscher Kunst- und Kulturdenkmäler im In- und Ausland, ergänzt durch eine „Förderung des luftfahrtwissenschaftlichen Nachwuchses“. Der Vater von Hans Heinrich Ritter von Srbik r ühmte übrigens den Anschluss Österreichs als die „Verwirklichung des tausendjährigen Traums der Deutschen“. „Er war Mitglied der antisemitischen Professorenclique ‚Bärenhöhle‘, deren geheimes Wirken es jüdischen und linken Wissenschaftlern schwer machte, an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (…) habilitiert oder berufen zu werden“ Er war von 1942 bis 1945 auch Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 1945 geriet Srbik nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seiner Tätigkeit in der NS-Zeit an seinem Wohnort Ehrwald kurzzeitig in französische Haft und verlor seinen Lehrstuhl. ( 3 ) Der 2018 verstorbene Gero Madelung, ein Neffe Willy Messerschmitts, war vier Jahrzehnte lang Vorsitzender der Stiftungsrats der Messerschmitt Stiftung. 1964 wurde er Vorstandsmitglied der Messerschmitt AG, 1969 Vorstand des Panavia-Konsortiums zur Entwicklung des Mehrzweck-Kampfflugzeugs Tornado. Von 1978-1983 war Madelung Vorsitzender der Geschäftsführung der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, danach Aufsichtsrat des Unternehmens. ( 4 ) Er schuf also unter anderem die technische Basis für den Luftangriff auf Serbien und wurde auch in der Bundeswehr sehr verehrt. Das Bundeswehrjournal nannte Gero Madelung den „Spiritus Rector der militärischen Luftfahrt“. ( 5 ) Gero Madelung arbeitete direkt in einem NATO-Gremien mit, der Advisory Group for Aerospace Research and Development (AGARD). Dort übernahm er 1984 den Vorsitz der westdeutschen Delegation ( 6 ). Bis auf einige eindeutige Straßen, die nach dem Zweiten Weltkrieg umbenannt wurden – dies waren der Adolf-Hitler-Platz (Königsplatz), Benito-Mussolini-Platz (Kaiserplatz, später Theodor-Heuss-Platz) und die Braunauerstraße (Kolbergstraße) –, habe es laut Amtsleiter Matzke vom Geodatenamt in Augsburg wohl noch nie eine Änderung wegen der Rolle einer Person in der NS-Zeit gegeben! Diskutiert worden sei in der Vergangenheit allerdings schon: Beispiele dafür seien die Hans-Watzlik-Straße in Lechhausen oder die Karl-Haberstock-Straße in Kriegshaber. In beiden Fällen blieb aber alles beim Alten. Zudem gebe es für die Verwaltung ein „Verbot von Willkür und Übermaß“ bei der Vergabe neuer Straßennamen. ( 7 ) Anhand dieser Äußerungen des Leiters des Geodatenamtes, das für die Straßennamen zuständig ist, ahnt man schon, welche gewaltigen Widerstände in der Stadt vorliegen müssen, eine 200-jährige Geschichte von Nationalismus, Rassismus und Krieg überhaupt zu thematisieren – von Aufarbeitung g ar nicht zu reden . Die kritische Befassung mit dem Namen Langemarck-Straße könnte eine Kritik der imperialistischen Mythen des Ersten Weltkrieges befördern. Mit Bürgermeister Widmeier käme ein verantwortlicher Kommunalpolitiker der NS-Zeit und auch der Nachkriegszeit unter Kritik und mit Dr. Mack könnte die dringend notwendige Aufarbeitung der NS-Rassen- und Gesundheitspolitik (auch der Augsburger Stadtverwaltung) einen wichtigen Fortschritt machen. Mehrfach hat die Stadtverwaltung im Fall Karl Haberstock, Hitlers wahrscheinlich wichtigstem Kunsthändler, in den letzten Jahrzehnten Journalisten und Forschern den Einblick in die Akten der Stiftung verwehrt. In den siebziger Jahren hatte die Witwe Karl Haberstocks die Gelegenheit, die Akten zu säubern und die Stadt versucht trotz allem, was inzwischen aufgedeckt wurde, Rolle und Ruf von Karl Haberstock zu schönen – so wenigstens unser Eindruck. Daran rüttelt nun die Kommission für Erinnerungskultur, wenn sie den Namen Karl Haberstock erneut ins Spiel bringt. Die Stadtverwaltung kann sich nämlich nicht einfach zurücklehnen, weil sie inzwischen nachweisen konnte, dass „kein Objekt der Haberstock-Sammlung (…) unrechtmäßig in die Sammlung gelangt“ sei und der Sta d t damit Restitutionszahlungen erspart bli e ben ( 8 ). Es geht schon auch um die enge Zusammenarbeit Haberstocks mit Hitler und um die Frage, mit welchem Geld er seine Sammlung eigentlich finanzierte. Vorgeschichte – Drohung der Messerschmitt StiftungEin ähnlicher Versuch wie die „Zensur der Witwe“ im Fall Haberstock dürfte der Schachzug Willy Messerschmitts gewesen sein, den ehemaligen NS-Gauleiter Karl Wahl im Konzern anzustellen und mit dem Firmenarchiv zu betrauen! Immer noch wacht die Willy Messerschmitt Stiftung mit Argusaugen über ihren Ruf. So findet sich im veröffentlichten Protokoll der Monatsversammlung der Bürgeraktion Pfersee von Dezember 2019 die folgende Bemerkung ( 9 ): „Die Messerschmittstiftung droht mit Einstellung der Unterstützung städtischer Projekte, wenn über den Namensgeber weiter kritisch gesprochen werden sollte.“ Auf Nachfrage erfuhren wir, dass es sich um einen Anruf der Messerschmitt Stiftung bei der Grünen Stadträtin Verena von Mutius im März 2013 handelte. Von wem der Anruf im Namen der Messerschmitt Stiftung erfolgte, ist ihr nicht mehr genau erinnerlich, wahrscheinlich aber war es der geschäftsführende Vorstand . Es kann sich also durchaus um Dr. Hans-Heinrich Ritter von Srbik gehandelt haben. Der Anruf sei zuerst bei der Fraktion der Grünen eingegangen und dann bei der Stadträtin. Ob die Messerschmitt Stiftung noch versuchte, andere Stadtratsfraktionen unter Druck zu setzen, ist uns nicht bekannt. Der Anlass des Anrufs der Messerschmitt Stiftung war laut Verena von Mutius der Antrag der Grünen im Stadtrat, eine Kommission einzusetzen, die Straßennamen überprüfen soll, weil auch in Augsburg der Widerstand gegen strittige Namenspatronen aus der NS-Zeit wachse. In diesem Zusammenhang wurde auch die Professor-Messerschmitt-Straße im Univiertel genannt. Unter der Überschrift „Die braune Vergangenheit auf Augsburgs Straßenschildern“ behandelt die Augsburger Allgemeine auch Willy Messerschmitt als NSDAP-Mitglied und Chef der Messerschmitt-Werke, der Kampfflugzeuge entwickelte und produzierte und dabei Zwangsarbeiter einsetzte und teilweise die Produktion in die Konzentrationslager Flossenbürg, Gus en sowie Dachau verlagerte – wie der VVN-Sprecher Harald Munding der AZ-Redaktion mitteilte. ( 10 ) Die Drohung der Messerschmitt Stiftung, die Förderung von Kulturobjekten in der Stadt einzustellen, nützte ihr nichts. Auch der Name der Professor-Messerschmitt-Straße wurde später von einer städtischen Kommission für Erinnerungskultur kritisch beleuchtet. Und die Stiftung stellte auch die Förderung nicht ein: In den Jahren bis 2012 förderte die Messerschmitt Stiftung zusammen mit der Siemens Kunststiftung die Restaurierung zweier Badstuben im Fuggerhaus an der Maximilianstraße. Die Badstuben sind eines der bedeutendsten Renaissancewerke auf deutschem Boden. Außerdem förderte die Messerschmitt Stiftung Anfang der Neunzigerjahre eine umfassende Sanierung des Augustusbrunnens und auch der übrigen Brunnen. Im Jahr 2014 gab die Messerschmitt Stiftung trotz des Telefonats mit der Grünenstadträtin ein Jahr zuvor Geld für ein Replikat (Nachguss des Originals) der Flussgöttin Singold am Augustusbrunnen. Hinter Premium Aerotec, Haunstetten, alte Güterwaggons und Züge im Grün des Siebentischwalds. Aufgenommen im Juli 2017 beim Audiowalk Memory Off Switch , einem Gedächtnisrundgang auf dem Weg, den die Häftlinge des KZ Pfersee/Halle 116 zu den Messerschmitt-Werken in Haunstetten marschieren mussten Zunächst einmal befasste sich am 6. März 2013 der Ältestenrat in nicht-öffentlicher Sitzung mit dem Antrag der Grünen. Man einigte sich dort einvernehmlich, „braune“ Straßen näher zu untersuchen. Im Februar 2016 wurde der Augsburger Weg der Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes im öffentlichen Raum aus der Taufe gehoben und die zwei Kommissionen zu den Themen Stolpersteine und strittige Straßennamen zur gemeinsamen Kommission Erinnerungskultur zusammengefasst. ( 11 ) Für die Kommission unter Leitung des Kulturreferenten wurden Vertreter der Stadtratsfraktionen beziehungsweise Ausschussgemeinschaften, Vertreter dreier Fakultäten der Universität und bürgerschaftliche Initiativen sowie Amtsleiter benannt. Mit den Straßennamen befasste sich die Kommission für Erinnerungskultur schwerpunktmäßig ab 2017. Es ist ein großer Fortschritt, dass in einer solchen Kommission auch Initiativen und das jüdische Kulturmuseum vertreten sind. Das einzige, was der Druck der Messerschmitt Stiftung wahrscheinlich bewirkte, ist, dass die Stadt es nicht wagt, die Professor-Messerschmitt-Straße umzubenennen. Allerdings steht der Text der Kommission für das Zusatzschild mit Stand 2019: „Prof. Wilhelm Messerschmitt (1898-1978) erlangte als Flugzeugkonstrukteur und Erfinder internationale Anerkennung. Unberücksichtigt bei der Straßenbenennung 1980 blieben seine Mitgliedschaft in NSDAP und SS, seine führende Position in der NS-Rüstungsindustrie sowie die Ausbeutung Tausender Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in den Messerschmitt-Werken während des 2. Weltkriegs.“ ( 12 ) Der Stadtrat lehnte ab – aber wie?Die Messerschmitt Stiftung und andere dunkle Kräfte konnten eine eingehende und kritische Befassung mit Straßennamen aus der NS-Zeit zwar fünf Jahre lang verzögern, aber nicht mehr aufhalten. Es war in der Kommission für Erinnerungskultur wohl auch Klugheit am am Werk, eher einen einhelligen Kompromiss zu suchen, als eine Spaltung der Kommission zu riskieren. Diese Einhelligkeit in der Kommission führte zu einem ausführlichen Bericht, der im Kulturausschuss am 11. November 2019 einstimmig gebilligt wurde. ( 13 ) Eine Übermacht von sechs CSU-Mitgliedern im Kulturausschuss auf Linie zu bringen – dafür sorgte sicher auch Andreas Jäckel als stellvertretender Ausschussvorsitzender und gleichzeitig Vertreter der CSU-Fraktion in der Kommission für Erinnerungskultur. Der einstimmige Beschluss des Kulturausschusses lag damit auch als Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung am 28. November vor. Nun aber mobilisierten die Gegenmächte, und zwar in Gestalt des Hauptamtes. Von dort stammte eine Tischvorlage, mit der der Oberbürgermeister Kurt Gribl eine Zustimmung des Stadtrats zu den Empfehlungen der Kommission und damit eine Übernahme des Beschlusses des Kulturausschusses verhinderte. ( 14 ) Mit 26:32 Stimmen wurde abgelehnt: „Die von der Kommission für Erinnerungskultur in ihrem Abschlussbericht (Anlage 1) festgehaltenen Empfehlungen zu den sieben behandelten Straßennamen werden zustimmend zur Kenntnis genommen.“ Damit war die Alternative beschlossen, dass die Empfehlungen zu den sieben Straßennamen „ dankend zur Kenntnis genommen “ werden. (Hervorhebungen jeweils von der Redaktion). Da die Abstimmungen im Stadtrat rein zahlenmäßig protokolliert werden und das Verhalten der politischen Fraktionen oder einzelner Stadträt_innen nicht festgehalten wird, ist es nachträglich oft schwer bis unmöglich, die Mehrheitsverhältnisse politisch zu deuten. Zu der Ablehnung der Vorlage des Kulturausschusses kann aber gesagt werden, dass hauptsächlich die CSU und Pro Augsburg dafür verantwortlich sind. Die Tatsache, dass die Vertreter von CSU und Pro Augsburg im Kulturausschuss die Vorlage noch einstimmig gebilligt haben, deutet einen Populismus dieser Fraktionen an, dem man nicht trauen darf. Im Grunde liegt eine gewisse Hinterhältigkeit auch gegenüber dem parteilosen Kulturreferenten vor. Die zweite Abstimmung erfolgte mit großer Mehrheit von 50:7 und lautete: „Es wird beschlossen, dass die folgenden Straßen gemäß der Empfehlung der Kommission für Erinnerungskultur durch Erläuterungsschilder kontextualisiert werden: Bürgermeister-Widmeier-Straße, Hans-Watzlik-Straße, Karl-Haberstock-Straße, Professor-Messerschmitt-Straße. Die Verwaltung wird damit beauftragt, die Herstellung und Anbringung der Schilder für die betroffenen Straßen vornehmen zu lassen. Dabei sollen die Textvorschläge der Kommission für Erinnerungskultur übernommen werden.“ Damit wurde die Alternative verworfen, die dahin ging, dass die Textvorschläge der Kommission nur „ im Kern übern om men “ werden. (Hervorhebungen jeweils von der Redaktion) In weiteren komplizierten Abstimmungen wurden differenzierte Verfahren für die restlichen Straßennamen beschlossen. Beschlossen wurde die Umbenennung der Dr.-Mack-Straße mit großer Mehrheit und die Umbenennung der Langemarckstraße mit sehr knapper Mehrheit (29:27). Ausschlaggebend für eine Zustimmung zur Umbenennung der Langemarckstraße soll nach unseren Informationen ein Seitenwechsel des Oberbürgermeisters und der Oberbürgermeisterkandidatin der CSU gewesen sein. Die Umbenennung der Langemarckstraße ist aber noch nicht „durch“. Hier sollen im ersten Quartal 2020 Bürgersprechstunden organisiert werden, wo die Interessen der betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden ermittelt werden sollen. Eine endgültige Entscheidung soll dann im April 2020 noch vom alten Stadtrat erfolgen. Die Opposition gegen dieses Verfahren drückte sich in den Abstimmungen in einem Block von 7-9 Gegenstimmen aus. Dazu zählten auf jeden Fall die Fraktion der Grünen, wahrscheinlich auch ein Teil der Ausschussgemeinschaft, vielleicht auch Abweichler aus dem konservativen Lager. Dieser Oppositionsblock formierte sich gegen eine Vertagung der Beschlussfassung bis auf April und gegen eine Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung, in der neben der Kulturverwaltung auch die städtische Wirtschaftsförderung mitmischen soll, und die Ergebnisse der Erinnerungskommission zumindest teilweise noch einmal aufgerollt werden. Die Maßgabe, dass noch der alte Stadtrat im April entscheiden soll, klingt zunächst ganz gut, weil es da nicht so aussieht, als wolle der jetzige Stadtrat die Verantwortung auf den neuen Stadtrat abschieben. Tatsächlich aber werden im April wahrscheinlich andere Mehrheitsverhältnisse vorliegen und vielleicht vor allem die CSU an Einfluss verlieren. Damit könnte die alte, zurzeit unverhältnismäßig massive, absolute Mehrheit von CSU und Pro Augsburg im April noch einmal zuschlagen. Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass die Textvorschläge der Kommission für Erinnerungskultur, nicht mehr abgeändert und abgeschwächt werden dürfen. Diese Textvorschläge sollen sowohl bei einer Umbenennung als auch bei einer Beibehaltung des Namens zur Geltung kommen, was ein großer Fortschritt in Augsburg wäre. Festzuhalten ist auch, dass die Arbeit der Kommission für Erinnerungskultur an den Straßennamen fortgesetzt werden soll. Allerdings wird das ob, wann und wie sicher noch von der kommenden Stadtratsmehrheit abhängen. Peter Feininger wird fortgesetzt alle Artikel unter kommunales/Stadtgeschichte http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Stadtgeschichte/index.htm 1 Stadt Augsburg – Erinnerungskultur. „Umstrittene Straßennamen. Kritischer Umgang mit Geschichte. In Augsburg gibt es aktuell rund 1.950 Straßen, Wege und Plätze, deren Benennungen teilweise bis ins Mittelalter zurückreichen.“ Zugegriffen 23. Januar 2020. https://www.augsburg.de/kultur/erinnerungskultur/umstrittene-strassennamen . Hier auch der Abschlussbericht der Kommission für Erinnerungskultur (Anlage 1) https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/KErK_Abschlussbericht Der Abschlussbericht ist sehr lesenswert. Die Bezeichnung „Anlage 1“ bezieht sich auf die Beschlussvorlage BSV/19/03745 Kulturamt, problematische Straßennamen – Empfehlungen der Kommission Erinnerungskultur, die der Kulturreferent Thomas Weitzel dem Kulturausschuss für die Sitzung am 11. November 2019 vorlegte und die dort unverändert beschlossen wurde. Wir dokumentieren diese Beschlussempfehlung hier aus dem elektronischen Ratsinformationssystem der Stadt Augsburg (Ratsinfo), da sie auf der Homepage der Stadt zur Erinnerungskultur nicht (mehr) dokumentiert ist und das Ratsinfo keine brauchbaren Internetlinks liefert: Beschlussempfehlung 1. Die von der Kommission für Erinnerungskultur in ihrem Abschlussbericht (Anlage 1) festgehaltenen Empfehlungen zu den sieben behandelten Straßennamen werden zustimmend zur Kenntnis genommen. 2. Es wird beschlossen, dass die folgenden Straßen gemäß der Empfehlung der Kommission für Erinnerungskultur durch Erläuterungsschilder kontextualisiert werden: Bürgermeister-Widmeier-Straße, Hans-Watzlik-Straße, Karl-Haberstock-Straße, Professor-Messerschmitt-Straße. Die Verwaltung wird damit beauftragt, die Herstellung und Anbringung der Schilder für die betroffenen Straßen vornehmen zu lassen. Dabei sollen die Textvorschläge der Kommission für Erinnerungskultur übernommen werden. 3. a) Es wird zustimmend zur Kenntnis genommen, dass die Dr.-Mack-Straße sowie die Langemarckstraße umbenannt werden sollen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen über die Hintergründe der Umbenennung umfassend informiert und die Suche nach neuen Straßennamen mit größtmöglicher Transparenz gestaltet werden. Sobald neue Namen gefunden sind, wird das Geodatenamt eine entsprechende Beschlussvorlage zur Umbenennung dem Bauausschuss zur Beratung vorlegen. b) Gemäß der Empfehlung der Kommission soll nach der Umbenennung der Dr.-Mack-Straße und der Langemarckstraße mit Erläuterungsschildern auf die Umbenennung der beiden Straßen hingewiesen werden. Die Verwaltung wird damit beauftragt, die Herstellung und Anbringung dieser Schilder vornehmen zu lassen. Dabei sollen die Textvorschläge der Kommission für Erinnerungskultur übernommen werden. 4. Es wird beschlossen, das die Überprüfung der Augsburger Straßennamen durch die Kommission für Erinnerungskultur nach den von ihr aufgestellten Kriterien auch über die beantragten Fälle hinaus fortgesetzt wird. 5. Damit sind die Anträge der Fraktionen der Grünen vom 20.02.2013 und der Linken vom 17.06.2013 als erledigt zu betrachten. Abstimmungsergebnis Stimmberechtigt: 13 Abstimmung: einstimmig Die gesamte Beschlussvorlage BSV/19/03745 einschließlich Begründung findet sich noch über Google https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/BSV_19-03745.pdf, wird aber auf der Homepage der Stadt nicht mehr verlinkt oder zur Verfügung gestellt, jedenfalls nicht auf den Seiten Kultur und auch nicht über die Suchfunktion der Homepage 2 Federführend: Hauptamt Referent: Dr. Kurt Gribl, Oberbürgermeister. „Kulturamt: Problematische Straßennamen - Empfehlungen der Kommission Erinnerungskultur, Tischvorlage BSV/19/03745-1 für die Sitzung des Stadtrats am 28.11.2019“. Stadt Augsburg, 27. November 2019. https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/BSV_19_03745_1.pdf . Siehe hier Punkt 4 des Beschlusses 3 Nach Wikipedia https://www.wikiwand.com/de/Heinrich_Srbik 4 Nach Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Gero_Madelung 5 bundeswehr-journal. „Gero Madelung – Spiritus Rector Der Militärischen Luftfahrt -...“, 20. Dezember 2018. http://www.bundeswehr-journal.de/2018/gero-madelung-spiritus-rector-der-militaerischen-luftfahrt/ . 6 Blick, Jan van der. AGARD The History 1952-1997, 2000. https://apps.dtic.mil/dtic/tr/fulltext/u2/a375864.pdf . 7 Nach Augsburger Allgemeine, 4.3.2013 8 Nach Augsburger Allgemeine, 13.4.2013 9 Protokoll Monatsversammlung am 11.12.2019m Bürgeraktion Pfersee „Schlössle“ e.V. https://pfersee.weebly.com/uploads/4/4/7/0/44702219/mitgliederversammlung-2019-12-11.pdf 10 Augsburger Allgemeine 2.3.2013 11 Federführend Referat 5, Referent Thomas Weitzel. „Der ‚Augsburger Weg‘ der Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes: Zulassung dreier Formen dezentralen und individuellen Gedenkens im öffentlichen Raum gemäß Empfehlung der ‚Kommission Erinnerungskultur‘, Beschlussvorlage BSV/16/00228 öffentlich, zur Vorlage für die Sitzung des Stadtrats am 17.3.2016“. Stadt Augsburg, 29. Februar 2016. https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/01%20bsv-16-00228.pdf . 12 Stadt Augsburg – Erinnerungskultur. „Bericht der Kommission für Erinnerunqskultur“, 5. August 2019. https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/kultur/erinnerungskultur/KErK_Abschlussbericht Ausführlicher hierzu siehe unter anderem: Feininger, Peter. „Ehemaliges Außenlager des Konzentrationslagers Dachau auf dem Sheridan-Gelände in Pfersee. Warum die Halle 116 als Gedenkstätte in Gefahr ist. Die Stadt ist auf die Rüstungsindustrie festgelegt – und diese will nicht an ihre Schandtaten erinnert werden. Die Messerschmitt Stiftung muss zahlen!“ Forum solidarisches und friedliches Augsburg, 19. Januar 2018. http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Stadtgeschichte/180119_halle-116-in-gefahr/ . 13 Siehe Fußnote 1 14 Siehe Fußnote 2
|
||||||
|