Ehemaliges Außenlager des Konzentrationslagers Dachau auf dem Sheridan-Gelände in Pfersee

Warum die Halle 116 als Gedenkstätte in Gefahr ist

Die Stadt ist auf die Rüstungsindustrie festgelegt – und diese will nicht an ihre Schandtaten erinnert werden. Die Messerschmitt Stiftung muss zahlen!

19.1.2018

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Das wichtigste zuerst: Das ehemalige Kasernengebäude und KZ-Außenlager im Sheridan-Park, genannt Halle 116, steht noch. Dies ist nur dem Engagement vieler Antifaschist_innen, progressiver Lokalhistoriker_innen, Stadtteilaktivist_innen, Wissenschaftler_innnen, Journalist_innen und Freund_innen einer demokratischen Kultur, aber auch Politiker_innen von den Grünen, Freien Wählern u. a. zu verdanken, die auf einer Nutzung der Halle als Gedenkort bestanden. Engagement ist jetzt erneut gefragt, denn die Halle 116 ist wieder in Gefahr. Deshalb lädt die VVN, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, für den 22. Januar zu einem Austausch der Initiativen und zur Erörterung weiterer Möglichkeiten ins Bürgerhaus Pfersee ein. (Näheres siehe auf der Terminseite des Forums http://www.forumaugsburg.de/s_4termine/aktuell/index.htm)

Aktuell liegt der Versuch der Stadtverwaltung vor, die Halle 116 als Gemeinbedarfsfläche aus dem Bebauungsplan herauszunehmen. Damit verliert sie den kulturellen Schutz und wird zu einer Gewerbefläche zurückgestuft. Dieser Vorstoß im Bauausschuss, den der Vorsitzende der Bürgeraktion Pfersee, Dietmar Egger, in einem Brandbrief als »handstreichartig“ bezeichnet, konnte mit vereinten Kräften zumindest teilweise verhindert werden. Gerüchte um einen Investor, der Interesse an der Halle 116 hat, und die ziemlich unverhohlene Neigung der Stadtverwaltung, die Halle 116 zu verscherbeln, sorgen für erhebliche Unruhe unter den Leuten, die sich für die Halle 116 als Gedenkort engagieren.

Besorgte Rundmail der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes

Die VVN schreibt in einer Rundmail vom 10. Dezember:

Warum die Stadt Augsburg so Probleme mit der Erinnerungsarbeit hat, ist leider nicht nachzuvollziehen. Das Gutachten von Prof. Gassert zur möglich Nutzung der Halle 116 als Gedenkort liegt schon lange vor. Aktuelle Gerüchte und Diskussionen lassen befürchten, dass die Stadt die einzigartige Möglichkeit, am authentischen Ort einen, wie vor Jahren von der Initiative Halle 116 geforderten »Denkort Halle 116“ einzurichten, nicht in Angriff nimmt.

Sehr zu begrüßen ist der Antrag von Herrn Schafitel, die Halle unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Auch gibt es inzwischen einen Antrag der Ausschussgemeinschaft Freie Wähler/Die Linke/ÖDP und Polit-WG, in der Halle 116 eine Gedenk- und Bildungsstätte inklusive Museum zum Nationalsozialismus mit lokalem Bezug einzurichten.

Auf der Basis der ehemaligen Teilnehmer der Initiative wollen wir deshalb zum Austausch und zur Erörterung weiterer Möglichkeiten, Akteure und Interessierte zu einem Treffen am

22.1.2018, 19.30 Uhr ins Bürgerhaus Pfersee, Stadtberger Str. 17 einladen.

Wer weiß schon, um was es sich bei der Halle 116 handelt

Man kann lange um die Halle 116 auf dem Sheridan-Park herumlaufen, man erfährt nicht, worum es sich bei dem Gebäude handelt. Es gibt nicht den geringsten Hinweis. Auf der rückwärtigen Seite an einem Eck ist mit einer Schablone die Nummer 116 aufgesprüht. Das dürfte noch von den US-Amerikanern stammen, die alle Gebäude auf den belegten Flächen durchnummerierten. Dass der Stadtrat im November 2016 einstimmig beschloss: »Die ehemalige Außenstelle des KZ Dachau soll zu einem zum Lern- und Erinnerungsort werden“[1] – davon spürt man rein gar nichts. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk kündigte der Kulturreferent Thomas Weitzel im Januar 2017 an, dass »zunächst“ eine Tafel aufgestellt werden soll. [2] Er protzte noch damit herum, dass sich die Stadt diese Tafel 5000 Euro kosten lassen wolle. Es ist ein Jahr vergangen, es gibt bis jetzt nichts dergleichen. Es gibt weder eine Tafel noch eine konkrete Konzeption. Die Bürgeraktion Pfersee will seit zwei Jahren mit dem Kulturreferenten über das Thema sprechen und bekommt keinen Termin. Die Vorsitzende des Regionalverbands der Sinti und Roma bemüht sich seit geraumer Zeit um die Halle 116 als Lern- und Erinnerungsort auch für die grausam verfolgten Sinti und Roma in Schwaben – und hat bis jetzt nichts Konkretes in der Hand. Auch auf der Homepage der Stadt Augsburg erfährt man nichts Genaues über die Halle 116.

Abbilung 1: Verleihung der „Goldenen Fahne“ an 419 „NS-Musterbetriebe“ und Auszeichnung von „Pionieren der Arbeit“ im im Augsburger Messerschmitt-Werk am 1. Mai 1941 in Anwesenheit des Stellvertreters von Adolf Hitler, Rudolf Hess. Offensichtlich dienten die festlich geschmückten Räumlichkeiten des Messerschmitt-Betriebes dem NS-Regime für eine zentrale Veranstaltung, auf der der Schulterschluss mit der Rüstungsindustrie demonstriert und gefestigt wurde. Auch Wilhelm Messerschmitt befand sich unter den mit der Parteiauszeichnung „Pionier der Arbeit“ Geehrten und wurde von Rudolf Hess in seiner Laudatio namentlich hervorgehoben: „Professor Willy Messersehmitt: ein genialer Flugzeugkonstrukteur, ein entscheidender Förderer der deutschen Luftwaffe, ein hoch verdienter Mann um Deutschlands militärische Kampfkraft, ein Pionier der Arbeit!“ (s. Anm. 1) Bild: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv
 

KZ-Außenlager Pfersee

Dagegen findet man auf der Homepage des Bürgerhauses Pfersee den folgenden interessanten und wichtigen Eintrag[3] :

KZ-Außenlager Pfersee

Kaum jemandem in Pfersee ist heute bekannt, dass sich in der späteren Sheridan-Kaserne gegen Ende der NS-Zeit ein KZ-Lager befand, nämlich eine Außenstelle des KZ Dachau, von den Nationalsozialisten meist als SS-Arbeitslager Pfersee bezeichnet. Es war Ende April 1944 errichtet worden und sollte die Aufgabe des zerstörten Lagers in Haunstetten und des kurz zuvor zerbombten Lagers Gablingen übernehmen. Die Angaben darüber, wie viele Menschen hier eingepfercht waren, sind widersprüchlich. Die Anzahl dürfte zwischen 1000 und 2000 Mann geschwankt haben. Die häufigen Verlegungen der Häftlinge zwischen den einzelnen Außenlagern machen genaue Angaben fast unmöglich.

Eine langgestreckte Halle in der 1936 erbauten Luftnachrichtenkaserne (heute Sheridan-Kaserne am Grasigen Weg in der Nähe des Stadtbergen Gate, Gebäude 116), die zuvor als Stellplatz für Militärgerät gedient hatte, wurde zur Häftlingsunterkunft umgebaut.

Im östlichen Teil der Halle, dort wo sich der Aufgang zum oberen Stockwerk befindet, waren ein Magazin und eine Küche eingerichtet. Im angrenzenden Häftlingsblock wurden die Strafen vollzogen. Hierzu sind die Aussagen der Zeitzeugen widersprüchlich. Während sich einige Häftlinge an keine Morde oder Misshandlungen im KZ Pfersee erinnern konnten, sprachen andere Zeitzeugen von Einzelheiten bei Exekutionen im Lager, von Todesurteilen, etwa bei Flucht oder „Sabotage“. …

Das Lager diente hauptsächlich zur Versorgung der inzwischen schon zum Teil ausgelagerten Messerschmitt-Betriebe mit Arbeitskräften. An Werktagen marschierten die Arbeitskolonnen durch Pfersee nach Haunstetten bzw. zu den Lokalbahngleisen, von wo aus sie zu den Messerschmittwerken transportiert wurden. Auch wurden täglich Häftlinge zu den im Horgauer Wald gelegenen Fertigungsstätten gebracht. Daneben gab es Arbeitskommandos der Stadt Augsburg, etwa zum Beseitigen von Bombenschäden oder zur Entschärfung von Blindgängern. An das Reichsbahnbetriebswerk wurden ebenfalls Häftlinge abgestellt.

Das Augsburger Standesamt und die Verwaltung des Augsburger Westfriedhofes verzeichneten einen stetigen Anstieg der Todesfälle von KZ-Häftlingen. Dies lag an der Behandlung der Gefangenen durch die SS, aber auch an Seuchen, beispielsweise Flecktyphus im Februar 1945, und der mangelhaften medizinischen Versorgung. …

Auf verschiedene wichtige Aspekte, die sich in diesem Textabschnitt auf der Homepagedes Bürgerhauses Pfersee finden, wollen wir im Rahmen einer Artikelserie nach und nach eingehen. Eine Bemerkung sei uns hier gestattet. Die Rede von „widersprüchlich[en]“ Angaben und Aussagen der Häftlinge über die Bedingungen im Lager und Exekutionen sollte man vermeiden. Klar, dass man von den Häftlingen nach der Befreiung und Jahrzehnte danach Unterschiedliches hört. Deshalb sind diese Aussagen noch lange nicht widersprüchlich – ein Begriff, den wahrscheinlich Gernot Römer in seinem Buch „Für die Vergessenen“ aufgebracht hat.[4] Mit „widersprüchlichen“ Aussagen oder auch „ungenauen“ Hinweisen von Zeugen dürfte auch die bayerische Justiz, die erst 1967 überhaupt mit Nachforschungen begann, ihre erfolglosen Ermittlungen und Einstellung der Verfahren begründet haben.

Abbildung 2: Der Zeitzeuge Witold Scibak besuchte im Jahr 2015 das KZ-Außenlager in Pfersee und brachte diese Bescheinigung mit.

 

Die Stadt Augsburg ist der Rüstungsindustrie verpflichtet – von Messerschmitt bis EADS und Airbus

Aus diesem hochinteressanten Text, der sich leider nur auf der Homepage des Bürgerhaus Pfersee befindet, nicht aber auf der Homepage der Stadt Augsburg, geht hervor, dass die KZ-Häftlinge im Lager Pfersee hauptsächlich für die Rüstungsindustrie arbeiteten – und zwar für die berüchtigten Messerschmitt-Werke. Die »kriegswichtige“ Produktion von Kampfflugzeugen und Bombern in diesen Werken diente zunächst dazu, den faschistischen Weltkrieg zu gewinnen und später dazu, eine Niederlage möglichst lange hinauszuzögern. Die Messerschmitt-Werke waren neben der MAN und anderen Rüstungsbetrieben einer der Hauptgründe für die massive Bombardierung der Stadt. Damit war das Rüstungsmanagement und die NS-Verwaltung auch verantwortlich für 1499 Luftkriegstote unter der Zivilbevölkerung und verantwortlich für einen Anteil von 24 Prozent total zerstörter Wohnungen.

Die Stadt Augsburg will sich diesen Tatsachen und auch ihrer eigenen Verantwortung nicht stellen, im Gegenteil. Aus den Augsburger Messerschmitt-Werken wurden über mehrere Etappen MBB, DASA, EADS und heute Airbus Group mit der 100-prozentigen Tochter Premium Aerotec in Augsburg einer der größten Rüstungskonzerne der Welt, der zweitgrößte in Europa. Die Stadt Augsburg wagt es nicht, die Messerschmitt-Führung für ihre Verbrechen und die Rolle des Konzerns im Dritten Reich zu verurteilen. Aber auch bei den heutigen Kriegen in der Welt und den Rüstungsexporten wagt es die Stadt und namentlich das Wirtschaftsreferat nicht, die Rolle der Airbus Group aufzudecken, zu behandeln oder auch nur zu erwähnen.

Nicht nur, dass der Direktor des NS-Betriebes, Friedrich Wilhelm Messerschmitt, nach einigen Jahren der Ächtung der Rüstungsproduktion im Nachkriegsdeutschland, wieder aus Spanien zurückkehren konnte, wo er für Franco Kampfflugzeuge baute, und die Firma Messerschmitt wieder übernahm – nein auch die unverhohlene Wertschätzung Wilhelm Messerschmitts durch einen Straßennamen im Univiertel, durch Propaganda für seine Stiftung auf der Homepage der Stadt Augsburg noch zu Zeiten von Oberbürgermeister Paul Wengert, durch die Jubel-Ausstellung „90 Jahre Flugzeugbau in Augsburg“ mit Kampfflugzeugen aller Art im Augsburger Rathaus, von der ME 109 bis zum Eurofighter … machen deutlich, dass die Stadt Augsburg in unsäglicher Geschichtsvergessenheit unverbrüchlich zum Messerschmitt-Konzern und Nachfolgern hält.[5]

Möge die NS-Flugzeugindustrie und hier ganz wesentlich auch die Messerschmitt-Werke mit der ME 109 als Standardjäger der Nazis, von dem 35.000 Stück produziert wurden, bei ihren Angriffskriegen noch so viele Menschenleben auf dem Gewissen haben. Mögen auch die Nachfolger mit dem Tornado und dem erstmaligen Einsatz deutscher Kampfflugzeuge nach dem Zweiten Weltkrieg bei ihrem Angriffskrieg gegen Jugoslawien und dem 78-tägigen Bombardement Serbiens noch so viele Zivilisten auf dem Gewissen haben.

Der sozialdemokratische Oberbürgermeister Wengert auf Abwegen

Die Beispiele zeigen, dass es auch in der SPD eine fast ungebrochene Tendenz gibt, sich der Rüstungsindustrie in der Stadt zu unterwerfen und deren Management oder gleich direkt dem Militär aus der Hand zu fressen. So wundert es nicht, dass damals auch Oberbürgermeister Wengert, kaum zwei Monate im Amt, seinen Antrittsbesuch auf der Fregatte Augsburg machte. Kein Wunder, hatte doch die Oberbürgermeistergattin seines früheren sozialdemokratischen Amtsvorgängers Breuer die Sektflasche an die Bordwand der Fregatte Augsburg geknallt, um die Patenschaft der Stadt mit dem Kriegsschiff feierlich einzuweihen. Eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt, z. B. wenn der Oberbürgermeister die Stadtratssitzungen mit der Schiffsglocke der Fregatte Augsburg einläutet.

Vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister präsentierte Wengert im Jahr 2001 vor dem SPD-Unterbezirk sein Programm. Darin bezeichnete er die Rüstungsfirmen der Stadt als „Perlenkette“.[6] Dies kann durchaus programmatisch verstanden werden. Solche Perlen kritisiert man nicht, man schützt sie vor Kritik. Und so blockierte die SPD-geführte Stadtverwaltung die Bürgerbewegung für den Erhalt der Halle 116 und ihren Ausbau zu einer Gedenkstätte. Das fiel zeitlich genau zusammen mit dem Aufkommen dieser Bürgerbewegung und ihren ersten Höhepunkten. Ein Eingehen auf diese Bürgerbewegung durch Wengert hätte zwangsläufig bedeutet, dass auch EADS als Nachfolger von Messerschmitt unter Druck kommt und auch die Kampagne zur Entschädigung von Zwangsarbeitern durch die Rüstungskonzerne, die damals lief, weiteren Auftrieb erhalten hätte.

Statt den damals bereits artikulierten Forderungen nach einer Gedenkstätte in der Halle 116 nachzukommen und damit auch den Anspruch der Stadt als Friedensstadt zu konkretisieren, flüchtete sich Wengert und die SPD in allgemeines Friedensgeschwafel. Die PDS schrieb damals in ihrer Zeitschrift Opposition – Mitteilungen für Augsburg und Schwaben vom Juli 2002:

Das Thema Frieden verbindet sich für OB Wengert eng mit Augsburg: So will er »den Frieden wieder in viel stärkerem Maß thematisieren“, »Augsburg könnte sich als Tagungsort internationaler Symposien anbieten, in Zusammenarbeit mit der Universität Friedensforscher zum wissenschaftlichen Dialog einladen, Friedensnobelpreisträger hier versammeln und das Thema Frieden zum Schwerpunkt von Projekten in Zusammenarbeit mit Friedensorganisationen machen“ (Wengert in seiner Rede zum Neujahrsempfang 2002).

Man höre sich dieses Gerede an. Ein halbes Jahr zuvor ist viel davon konkret gefordert worden im Bezug auf die Halle 116, für Wengert aber kein Anlass beim Neujahrsempfang der SPD darauf einzugehen oder ein entsprechendes Verwaltungshandeln zu initiieren. Bei einer Veranstaltung der Bürgerwerkstatt Sheridan-Kaserne im Juli 2001 berichtete der damalige Leiter des Stadtplanungsamts, Gernot Illner, von den Ergebnissen des städtebaulichen Ideenwettbewerbs für die Neunutzung des 69 ha großen Kasernenareals. Die Hälfte der Architekten hätten eine Gedenkstätte vorgesehen. Die Augsburger Allgemeine schrieb damals[7] :

Die Initiative für Entschädigung von Zwangsarbeit in Augsburg will Halle 116 – oder Teile davon – auf jeden Fall erhalten. Wenn sie auf Besuch seien, wollten ehemalige Zwangsarbeiter diese Halle stets sehen, erzählte Erben. Die Spuren zu tilgen, sei „nicht zeitgemäß“, betonte Bernhard Kammerer von der Bürgerinitiative Pfersee. Die Leute im Stadtteil, so eine Stimme, haben ein Recht, die Geschichte der Kaserne nebenan zu erfahren, die 70 Jahre abgesperrt war.

Josef Pröll, Sohn einer Widerständler-Familie, regte an, mit der Erinnerung an das KZ-Außenlager eine Ausstellung über den Augsburger Widerstand zu verbinden. Gernot Römer, ehemaliger Chefredakteur unserer Zeitung und Erforscher der schwäbischen KZ-Lager („Für die Vergessenen“), schlug vor, ein regionales Dokumentationszentrum „für all das, was im Dritten Reich gewesen ist“, in der Halle unterzubringen. Eine solche Stätte fehle bislang in Schwaben, wo Menschen historische Unterlagen zur NS-Zeit einsehen und Schüler Geschichte greifbar erleben können.

Die Bürgerinitiative regte auch einen Friedenspfad durch die Sheridan-Kaserne zum Westfriedhof an, wo der KZ-Opfer, der Widerstandskämpfer und der Toten des Luftkriegs gedacht wird.

Diese ganzen Vorschläge lagen der Öffentlichkeit und auch der SPD vor und die Stadtregierung hätte handeln können. Ein „regionales Dokumentationszentrum »für all das, was im Dritten Reich gewesen ist«“, war nicht erwünscht, weder vom Bürgertum, noch vom Bischof, den Spitzen der beiden großen Stadtratsfraktionen, der Verwaltung und insbesondere nicht von den Kapitalisten und Werkleitungen. Stattdessen machte die Stadtspitze deutlich, dass sie nicht nur der „Perlenkette“ der Rüstungsbetriebe, namentlich der Flugzeugproduktion, verpflichtet war, sondern auch direkt der Luftwaffe. Die schon erwähnte Zeitschrift Opposition der PDS schrieb 2002:

Beim Gottesdienst zum Weltfriedenstag, den Bischof Dammertz im Dom mit 800 Soldaten und Zivilbeschäftigten aus allen Bundeswehrstandorten im Bistum Augsburg feiert, trifft Oberstleutnant d. Reserve Wengert dann seine „alten Kameraden“ wieder, z.B. Generalmajor Scholz, Kommandeur der 1. Luftwaffendivision Neuburg/Donau. Neuburg bestens bekannt für seine Flugshow-Tage des Jagdgeschwaders „Mölders“ … Der OB dankte allen, „die sich für Frieden, Freiheit und Menschenrechte einsetzen“.

Abbildung 3-5        

Aber auch Menacher, Hintersberger und Gribl in militärischer Tradition

Nicht zu vergessen der Amtsvorgänger von Wengert, Peter Menacher (CSU), Oberbürgermeister von 1990-2002: er durchlief eine Offiziersausbildung bei der Luftwaffe, bevor er über verschiedene Stationen im bayerischen Kultusministerium landete. Er begann damals schon mit der „Umwandlung von Kasernen in Areale für Wohnen, Gewerbe und Grün“, heißt es bei Wikipedia[8] . Ein Erinnerungsort für ein Konzentrationslager auf dem Gelände der Sheridan-Kaserne kommt bei dieser Zweckbestimmung „Wohnen, Gewerbe und Grün“ nicht vor, das würde nur stören. Dabei lagen seit 1984 die Recherchen und Berichte von Gernot Römer „Für die Vergessenen. KZ-Außenlager in Schwaben – Schwaben in Konzentrationslagern“ mit einem eigenen Abschnitt zum Konzentrationslager Augsburg-Pfersee vor. Das bedeutet, alle Verantwortlichen aus Politik, Wissenschaft, Medien und Verwaltung wussten zum Zeitpunkt der Öffnung und Konversion des Kasernengeländes im Jahre 1998 schon jahrelang Bescheid!

Auch Menachers Nachfolger, Paul Wengert, war Oberstleutnant der Reserve. Zur Kritik an Oberbürgermeister Wengert und seiner Huldigung des EADS-Rüstungskonzerns sehr zu empfehlen ist der offene Brief von Gerald Fiebig, des damaligen Trägers des Kunstförderpreises der Stadt Augsburg. Dieser Brief ist auf unserer Homepage dokumentiert.[9]

Kurt Gribl, der Wengert ab 2008 nachfolgte, kann keine militärisch belastete Vergangenheit vorweisen, er war nur Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Kriegshaber. Er hat aber zum Beispiel mit Johannes Hintersberger, Bezirksvorsitzender der CSU, Stadtrat, Vorsitzender des berüchtigten Parlamentskreis Wehrpolitik der CSU-Fraktion im Landtag und inzwischen Mitglied des bayerischen Kabinetts, – einen einflussreichen militärischen Ratgeber und Verbindungsmann zu den Militärkreisen in Bayern. Hintersberger gilt auch als Förderer und Fürsprecher der Rüstungsindustrie in Bayern und konnte in diesem Sinne unter Menacher auch als Wirtschaftsreferent der Stadt Augsburg von 1990-2002 wirken.

Im Jahr 2011 hat sich Oberbürgermeister Kurt Gribl selbst stark exponiert für die Bundeswehr, wobei einer der Drahtzieher im Hintergrund mit Sicherheit Johannes Hintersberger war. Auf eine Anfrage des Bundesverteidigungsministeriums hin übergab Oberbürgermeister Gribl der Bundeswehr im Februar 2011 selbstherrlich den Rathausplatz für ein öffentliches Gelöbnis. Der Stadtrat wurde wohl gar nicht zu Rate gezogen. Nach dem Gelöbnis empfing Gribl die Soldaten sogar noch im Goldenen Saal des Rathauses und verteidigte das öffentliche Gelöbnis mit den Worten: „Die Idee von der Friedensstadt stimmt überein mit dem, was die Bundeswehr leistet.“[10] Im Juli 2011 setzte Gribl noch eins drauf und übernahm bereitwillig die Schirmherrschaft für den großen Auftritt der Big Band der Bundeswehr auf dem Rathausplatz.[11]

Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wehrpolitik der CSU-Fraktion positioniert sich Hintersberger und seine Arbeitsgruppe folgendermaßen[12] : „Wir verstehen uns als parlamentarischer Ansprechpartner der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, der Standortkommunen, der in Bayern stationierten US-Truppen sowie der wehrtechnischen Industrie.“ Auf seiner Homepage huldigt Hintersberger in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Arbeitskreises Wehrpolitik der Rüstungsindustrie: „Wir arbeiten daran, die starke Stellung des bayerischen Aerospace- und Verteidigungsbereichs langfristig zu sichern. Dabei geht es sowohl um die wirtschaftliche Komponente als gerade auch um die sicherheitspolitische Notwendigkeit einer eigenständigen, unabhängigen wehrtechnischen Industrie.“[13]

Wenn Hintersberger es sich zur Aufgabe macht, „ die starke Stellung des bayerischen Aerospace- und Verteidigungsbereichs langfristig zu sichern“, so dürfte da in erster Linie der wichtigste Aerospace-Konzern in Bayern mit einer dominierenden Stellung auch in Augsburg gemeint sein: Die DASA DaimlerChrysler Aerospace Aktiengesellschaft, der deutsche Luft- und Raumfahrtkonzern, der von 1989-2000 zur Unternehmensgruppe Daimler-Benz beziehungsweise DaimlerChrysler gehörte. Die DASA ging ab 2000 in der EADS European Aeronautic Defence and Space auf, 2014 erfolgte die Umbenennung in Airbus Group, ab 2017 Airbus SE.

In zahllosen Statements hob Hintersberger auf die Rüstungsindustrie als einer der „Grundpfeiler[n] unserer bayerischen Industrielandschaft“ ab, so zum Beispiel in der Presseerklärung, in der er die Einführung des Lenkraketensystems Meads und die Beauftragung von MBDA Schrobenhausen, ebenfalls zur Airbus Group gehörend, feiert[14] : „Unsere wehrtechnische Industrie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Souveränität unseres Landes und gehört zu den Grundpfeilern unserer bayerischen Industrielandschaft. Bayern steht deshalb zu seinen wehrtechnischen Unternehmen und zu den Menschen, die dort arbeiten“.

Last but not least darf hier die IG Metall nicht zurückstehen, die die Rüstungsindustrie mit ihren Verwaltungsstellen und Funktionären in den Betrieben inzwischen bedingungslos unterstützt. Namentlich auch EADS und jetzt Airbus, in Augsburg mit Premium Aerotec vertreten, nahe beim ehemaligen Messerschmitt-Gelände in Augsburg Haunstetten. So rühmte unlängst beim Warnstreik der IG Metall bei Premium Aerotec der Vertrauenskörperleiter und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende vor dem Werkstor die 100-jährige Tradition des Flugzeugbaus des Konzerns am Standort Augsburg und plädierte ganz offen für weitere Rüstungsaufträge.[15]

Die Initiative für Entschädigung von Zwangsarbeit in Augsburg

Wolfgang Kucera vertrat in den frühen 2000er Jahren die Initiative für Entschädigung von Zwangsarbeit in Augsburg[16] , die sich im Verbund mit anderen Organisationen zum Ziel gesetzt hatte, „die Halle 116 (ehemaliges KZ-Außenlager) in der Sheridan-Kaserne in Augsburg/Pfersee als Erinnerungsort zu erhalten und darin eine Gedenkstätte zu errichten“[17] . Im Jahr 1996 stellte Wolfgang Kucera als Historiker in seinem wichtigen und viel beachteten und zitierten Buch Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie[18] lapidar fest: „Augsburger Betriebe sind nicht unter den Unternehmen, die Entschädigungen leisteten“.

Im Jahr 2000 gründete sich die Initiative zur Entschädigung von Zwangsarbeit in Augsburg. Auf der inzwischen eingestellten Homepage der Initiative waren ihre Grundsätze und Ziele formuliert[19] :

Der Deutsche Bundestag hat im Sommer 2000 ein Gesetz verabschiedet, das die Einzelheiten über die Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Deutschland festlegt. Damit soll den Menschen, die während des Nationalsozialismus unmenschliches Leid in Deutschland ertragen mussten, endlich auch ein moralisches Zeichen gegeben und das an ihnen begangene Unrecht anerkannt werden. Das Entschädigungsgesetz darf nicht der Schlusspunkt der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Zwangsarbeit in Deutschland sein. Diese Vergangenheit ist für uns nicht bewältigt, sondern bedarf einer ununterbrochenen kritischen Auseinandersetzung. Die Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter kann nicht nur auf einer rationalen Ebene stattfinden. Wir wollen mit dazu beitragen, den Menschen, die in Augsburg unmenschliches Leid ertragen mussten, ihre Würde zurückzugeben. Die Entschädigung ist für uns nicht nur eine finanzielle Aktion, sondern eine Aktion von Mensch zu Mensch. Wir wollen uns in Augsburg aktiv unserer historischen Verantwortung stellen. Die Stadt Augsburg muss zum einen anerkennen, dass sie während des zweiten Weltkrieges Menschen zwangsbeschäftigt hat. Zum anderen soll sie eine Vorbildrolle für alle Augsburger Unternehmen übernehmen, die ebenfalls Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Dies kann die Stadt nur, indem sie sich aktiv mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt und sich für eine finanzielle und moralische Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einsetzt. Folgende Punkte sollen die aktive und menschliche Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter voranbringen:

  • Information der Öffentlichkeit und anstoßen einer Diskussion über Zwangsarbeit und Entschädigung in Augsburg
  • Einwirken auf Augsburger Unternehmen, die noch keinen Beitrag in den Entschädigungsfond der Wirtschaft leisten
  • Persönliche Kontaktaufnahme zu den Geschädigten
  • Die Einrichtung einer Kontaktstelle bei der Stadt Augsburg, die auch Koordinationsaufgaben übernimmt
  • Weitere wissenschaftliche Forschungen zum Thema Zwangsarbeit sind voranzutreiben. Zunächst soll die Bestandsaufnahme in öffentlichen und betrieblichen Archiven fortgeführt werden
  • Errichtung einer Gedenkstätte bzw. eines Erinnerungsortes
  • Das Thema Zwangsarbeit soll zum Bildungsthema in allen Augsburger Schulen werden.
Im Jahr 2003 stellte die Initiative, deren offizielle Kontaktadresse der Deutsche Gewerkschaftsbund, Region Augsburg, war, fest:

Auch wenn bisher nur wenige Menschen ihre Entschädigungsleistungen bekommen haben, setzt sich die Initiative für weitere Ziele ein:

Die Stadt Augsburg und die Initiative wollen Menschen nach Augsburg einladen, die in Augsburger Unternehmen und auch bei der Stadt selbst zu Zwangsarbeit verpflichtet waren.

Regelmäßige Einladungen an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter halten wir für einen guten Weg, um den Menschen, die in Augsburg so großes Leid erfahren haben, die Möglichkeit zu geben, ihre persönliche Geschichte hier am Ort zu verarbeiten und gleichzeitig zu erfahren, dass diese Stadt zu ihrer Schuld steht. Es ist auch wichtig für diese Menschen, im Kontakt mit den heutigen Augsburgerinnen und Augsburgern zu erleben, dass ihre Geschichte nicht vergessen wird.

Für die Planung und Durchführung des Besuchsprogramms bietet sich eine Zusammenarbeit der Stadt mit der örtlichen Wirtschaft an, da die meisten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Augsburger Firmen beschäftigt waren. (…)

Außerdem unterstützt das Schulreferat der Stadt einen Geschichtswettbewerb zum Thema Zwangsarbeit an den Augsburger Schulen, den unsere Initiative organisiert und die IG-Metall in Augsburg gesponsert hat.

Abbildung 6: Warnstreik von 1500 Arbeiter_innen beim Messerschmitt-Nachfolger Premium Aerotec Augsburg/Haunstetten, vor dem Tor von Werk IV, 10.1.2018

 

Messerschmitt und Nachfolger EADS zahlten keine Entschädigung an die Zwangsarbeiter

Eine spannende Frage im Zusammenhang mit der Halle 116 ist, ob die Firma Messerschmitt oder ihre Nachfolger, vor allem die EADS, irgend eine Entschädigung leisteten an die von ihr verwendeten Zwangsarbeiter. Bis zum Jahre 2000, in dem auf Bundesebene die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gegründet wurde, muss diese Frage auf jeden Fall verneint werden. Wolfgang Kucera schrieb: „Auch das offizielle Nachfolgeunternehmen der Messerschmitt Werke, die Firma Raulino, weigerte sich zu zahlen.“[20]

An der Firma Messerschmitt, eigentlich den Bayerischen Flugzeugwerke A. G. Augsburg (BFW), beteiligt war die Familiengruppe Strohmeyer-Raulino, zu der auch die langjährige Förderin Messerschmitts und spätere Ehefrau, die Freiin Lilly von Michel-Raulino, gehörte.

Von dem Historiker Martin Pabst, der vor zehn Jahren die einzige Messerschmitt-Biografie in deutscher Sprache veröffentlicht hat[21] , wissen wir: Die Firma expandierte mithilfe von Staatskrediten, verfolgte aber eine Strategie, die Reichsanteile in Höhe von 3,6 Mio. Reichsmark zurückzukaufen. Hierzu verkaufte Wilhelm Messerschmitt die von im gehaltenen Patente, aber auch staatliche Vergünstigungen wie steuerliche Sonderabschreibungen und vergrößerte Gewinnspannen bei Staatsaufträgen begünstigten den Rückkauf von Reichsanteilen, der im Jahre 1940 abgeschlossen werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die Firma BFW wieder vollständig in Privateigentum. Martin Papst schreibt[22] :

1938 wurde als Tochterfirma ein neues Werk in Regensburg eröffnet, die BFW G.m.b.H. Regensburg (ab No­vember 1940 Messerschmitt G.m.b.H. Regensburg). (…)

Zu Beginn des Krieges expandierte der Mes­serschmitt-Konzern weiter: In Kematen/Tirol wur­de 1940 eine Fabrik gekauft und im Juni 1941 in die Messerschmitt G.m.b.H. Kematen umgewandelt. Außerdem wurden 1940 Anteile an der Leichtbau G.m.b.H. Regensburg und der Uher & Co. Mün­chen erworben. (…) Das Aktienkapital der Messerschmitt A.G. wurde 1941 durch Aufstockung der bestehenden Beteiligungen von 4 Mio. auf 5,6 Mio. RM erhöht. Zum Messerschmitt-Konzern gehör­ten 1945 neben der Messerschmitt A.G. elf weitere Unternehmen.

Es gäbe also eine ganze Reihe von Unternehmen, die Entschädigung zahlen müssten. Wolfgang Kucera schrieb 1994: „Neuerdings, durch den Ankauf der Messerschmitt-Bölkow-Blohm AG durch den Daimler-Benz-Konzern, kann sich die Firma darauf berufen, indirekt an Leistung des Mutterkonzerns beteiligt zu sein.“[23]

Auch die Firma Dornier ist mit Messerschmitt verbunden, und zwar über die DASA. Die Deutsche Aerospace AG (DASA) entstand im Mai 1989 durch die Fusion der zu Daimler-Benz gehörenden Dornier GmbH, der Motoren- und Turbinen-Union München/Friedrichshafen GmbH sowie zweier Teile der AEG AG zur Deutschen Aerospace AG. Im September 1989 übernahm die DASA Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB).

Nicht nur durch die Übernahme von Messerschmitt-Bölkow-Blohm durch die DASA, die wiederum zu Teilen aus Dornier hervorging, ist Dornier mit Messerschmitt verbunden. Im Münchner Stadtteil Neuaubing produzierten Zwangsarbeiter und Dachauer KZ-Häftlinge in den Dornier-Werken für das Reichsluftfahrtministerium Bomber und andere Kriegsflugzeuge, darunter auch die Messerschmitt 410. Wie das Neue Deutschland im Jahr 2014 berichtet, lehnte Dornier die Forderung einer Münchner Initiative ab, die Errichtung eines Gedenkortes auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers zu unterstützen.[24] Liest man den Bericht im Neuen Deutschland, so stellt man fest, dass sich die Initiativen in einer ähnlichen Lage befinden gegenüber Dornier – sei es in München oder Friedrichshafen – wie die Initiativen hier in Augsburg gegenüber EADS:

… Etwa bei Dornier. Der ehemalige Flugzeughersteller ist mittlerweile in diversen Firmen aufgegangen, darunter dem Luft- und Raumfahrtkonzern DASA. Doch in Lindau am Bodensee existiert noch immer die Dornier GmbH, die Webmaschinen herstellt und weltweit vertreibt. An sie wandte sich Heusler in Sachen Zwangsarbeiterlager Neuaubing, doch die Antwort war kurz: »vielen Dank für Ihr Schreiben vom 05.05.2014. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass eine Unterstützung unsererseits derzeit nicht in Frage kommt. Wir wünschen Ihnen für Ihr Vorhaben viel Erflog« hieß es in der mail, Rechtschreibfehler inbegriffen.

Dornier-Museum, Friedrichshafen am Bodensee. Das Museum zeigt diverse Exponate aus der Firmengeschichte, von den ersten Flugbooten über die Kampfflugzeuge des Zweiten Weltkrieges bis hin zu modernen Drohnen. Träger des Museums ist die Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt. Kritisch ins Werk mit dem Konzept der Ausstellung geht der Arbeitskreis Zivilklausel der Universität Konstanz, er wendet sich gegen die Zusammenarbeit von Hochschulen mit Rüstungsbetrieben. Zur Ausstellung heißt es: »Sehr aufwändig wird eine Aufklärungsdrohne aus den 1980er Jahren präsentiert. Es ist erstaunlich wie ungehemmt und werbewirksam die Rüstungsgüter des Nachkriegskonzerns ausgestellt werden.« Und: »EADS/Airbus Group und ihr Vorgängerbetrieb, die Dornierwerke, sind nicht ernsthaft bereit, sich mit den eigenen Nazi-Verstrickungen aktiv auseinanderzusetzen. Die gelegentliche Dokumentation von Zwangsarbeit und Vernichtungsarbeit, praktiziert in und für die Dornierwerke, bleibt Fassade.« Eine Entschädigung für Zwangsarbeit, so der Arbeitskreis, habe Dornier nicht geleistet. Nachtrag: Eine aktuelle entsprechende Anfrage an die Pressestelle der Stiftung blieb bisher unbeantwortet.

Der Messerschmitt-Biograf Martin Pabst hingegen entlastet EADS und lobt die Messerschmitt Stiftung[25] :

Die Firma EADS trat im Jahr 2000 über den DaimlerChrysler-Konzern der neu gegründeten Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bei, die anerkannten Zwangsarbeitern Entschädigungsleistungen gewährt. Sein nach dem Krieg neu erarbeitetes Vermögen vermachte der kinderlose Willy Messerschmitt der 1976 gegrün­deten gemeinnützigen Messerschmitt Stiftung. Gemäß Stiftungszweck unterstützt sie einerseits die Luft- und Raumfahrtwissenschaft, andererseits die Pflege und Erhaltung deutscher Kunst- und Kulturdenkmäler. Im Rahmen ihrer umfangrei­chen Aktivitäten hat sie auch Initiativen gefördert, die an Zwangsarbeit im Messerschmitt-Konzern erinnern. So finanzierte sie 2001 die Neuauflage eines Ausstellungskataloges mit Bildern, die Häftlinge des KZ Flossenbürg in ihrer kargen Freizeit gemalt haben. Die Arbeit der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg unterstützte sie mit einer finanziellen Zuwendung.

Auch die Messerschmitt G.m.b.H. Regensburg setzte ab 1943 KZ-Arbeiter ein. Aufträge wurden an den SS-Wirtschaftsbetrieb Deutsche Erd- und Steinwerke G.m.b.H. (DEST) in Flossenbürg und Gusen vergeben.

Zu Leonberg erfahren wir aus Wikipedia[26] :

Der erste Engelbergtunnel wurde am 5. November 1938 nach einer Bauzeit von drei Jahren dem Verkehr übergeben. Er war Teil der Reichsautobahn-Strecke 39. Mit einer Länge von 318 m und zwei Röhren war er … der zweite Autobahntunnel Deutschlands.

Während des Zweiten Weltkriegs diente er ab 1944 als Fabrik der Messerschmitt AG. Aus dem KZ Natzweiler-Struthof im Elsass nach Leonberg herangeführte Zwangsarbeiter montierten hier in zwölf- bis achtzehnstündigen Schichten Flugzeugtragflächen für die Me 262. Zu diesem Zweck wurde eine Zwischendecke eingezogen, um die Produktionsfläche auf 11.000 m² zu vergrößern. Von den etwa 3000 Zwangsarbeitern des KZ Leonberg starben 374. Kurz vor Kriegsende wurden die Maschinen demontiert und die Röhren gesprengt.

Über ein Verfahren gegen die Täter aus dem KZ Leonberg vor einem französischen Militärgericht im Jahre 1948 berichtete unlängst die Leonberger Kreiszeitung[27] : „Die Täter aus dem KZ Leonberg wurden wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere durch Schläge, Missbrauch und Misshandlung von Deportierten angeklagt. Drei Tätergruppen standen vor Gericht: fünf Wachleute, fünf sogenannte Funktionshäftlinge und drei Angestellte der Rüstungsfirma Messerschmitt.“

In einem Buchbeitrag Zwangsarbeit, KZ-System und Rüstungsproduktion. Eine Skizze zu den Rahmenbedingungen des KZ Leonberg und ihrer Entwicklung schreibt Joachim Baur im Jahr 2001[28] , also zu der Zeit, wo auch in Augsburg die Zwangsarbeit bei Messerschmitt stark thematisiert wurde:

„Das Konzentrationslager war das Fundament, auf dem das Dritte Reich aufgebaut worden war. Ohne Konzentrationslager ist das Dritte Reich nicht zu denken.“ So wurde die Bedeutung der KZ in einem der Nach­kriegsprozesse auf den Begriff gebracht. Das Konzentrationslager Leon­berg wiederum – errichtet im April 1944 am Ende einer wechselvollen Entwicklung der KZ im deutschen Faschismus – ist nicht zu denken ohne die Rüstungsproduktion der Firma Messerschmitt und die beson­dere politisch-militärische Lage im letzten Kriegsjahr. Der „totale Krieg“, verbunden mit einer gewaltigen Ausdehnung der Rüstung, die Profit­interessen der Industrie und die bedingungslose Ausbeutung von Zwangsarbeit in verschiedenen Formen, der damit einhergehende Funktions- und Strukturwandel des KZ-Systems und schließlich das 1944/45 an allen Fronten auf dem Rückzug befindliche, in hektische Improvi­sation und irrsinnigen Eifer verfallende, bald zerfallende NS-System, stellen den größeren Rahmen dar, in dem sich die einjährige Geschichte des KZ Leonberg abspielte.

Zum Engagement der Messerschmitt Stiftung in Sachen KZ Flossenbürg und Leonberg ist zu sagen: Erstens kommt das reichlich spät. Ab 1943 setzte Messerschmitt Regensburg KZ-Häftlinge aus Flossenbürg ein, im Jahr 2001 finanziert die Messerschmitt Stiftung die Neuauflage eines Ausstellungskatalogs mit Bildern, die KZ Häftlinge damals gemalt haben. Zweitens geht das Geld nicht als Entschädigung an KZ-Häftlinge von Natzweiler und Flossenbürg oder ihre Angehörigen. Daran war von der Messerschmitt Stiftung anscheinend nie gedacht. Und drittens bestehen die Belege für diese beiden Zuwendungen lediglich aus mündlichen Auskünften des Stiftungsvorsitzenden Hans Heinrich von Srbik.

Dann gibt es noch die Aussage des Messerschmitt-Biografen Martin Pabst: „Die Firma EADS trat im Jahr 2000 über den DaimlerChrysler-Konzern der neu gegründeten Bundesstiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« bei, die anerkannten Zwangsarbeitern Entschädigungsleistungen gewährt.“

Dazu wollen wir Folgendes aus der Firmengeschichte von DASA und EADS festhalten: Die DASA war von 1989 bis 2000 ein deutscher Luft- und Raumfahrtkonzern. Er gehörte zur Unternehmensgruppe Daimler-Benz und nach der Fusion mit Chrysler zu DaimlerChrysler (heute Daimler AG). Nach der Fusion der Daimler-Benz AG mit der Chrysler Corporation wurde die DASA im November 1998 in DaimlerChrysler Aerospace AG umbenannt. Unter diesem Namen existierte das Unternehmen, bis es im Jahr 2000 mit der französischen Aérospatiale-Matra und der spanischen CASA zum europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS - European Aeronautic Defence and Space Company (später Airbus Group) vereinigt wurde; dabei wurde jedoch die Tochtergesellschaft MTU wieder ausgegliedert, die beim Mutterkonzern DaimlerChrysler verblieb. Zuletzt fungierte die DASA AG als reine Holdinggesellschaft für die deutschen Anteile an der EADS.

Weder die DASA noch EADS sind im August 2000 oder später der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft beigetreten. Beigetreten ist lediglich die DaimlerChrysler AG, Stuttgart, als Gründungsmitglied.

Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) wurde am 2. August 2000 gegründet, um ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes zu entschädigen und internationale Projekte zur Versöhnung zu fördern. Sie wurde von der deutschen Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft je zur Hälfte mit insgesamt 10 Milliarden D-Mark (5,2 Mrd. Euro) ausgestattet. Davon wurden 358 Mio. Euro als Grundkapital für die dauerhafte Förderung reserviert. Aus den Erträgen fördert die Stiftung EVZ mit jährlich ca. 7,5 Mio. Euro internationale Projekte. Die Zahlung der Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes wurde 2007 offiziell beendet.[29]

Zu den 4760 Firmen, die sich an der Stiftungsinitiative beteiligt haben, kann sich EADS nur deshalb zählen, weil die Regelung bei der EVZ lautete: „Bei der Mitgliedschaft von Konzernen sind die Tochtergesellschaften inbegriffen.“ Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) begann im Jahr 2001 mit der Zahlung an ehemalige Zwangsarbeiter. Von 2,3 Mio. eingegangenen und geprüften Anträgen wurden 1,7 Mio. positiv entschieden. Circa 20.000 ehemalige sowjetische Kriegsgefangene, die Opfer rassistischer Gewalt gewesen waren, erhielten auf ihren Antrag auf Zwangsarbeiterentschädigung einen Ablehnungsbescheid. Dieser wurde mit Verweis auf die gesetzliche Regelung begründet: „Kriegsgefangenschaft begründet keine Leistungsberechtigung.“[30] Ob von den 1.659.132 Entschädigungszahlungen der Stiftungsinitiative an die Opfer und deren Rechtsnachfolger auch welche an Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge des Messerschmitt-Konzerns gingen, ist uns nicht bekannt.

Schlussbemerkung

Wie das oben angeführte Beispiel von Dornier in München/Neuaubing zeigt, sollte man an die Firmen auch herantreten, wenn es um die Finanzierung von Gedenkstätten geht oder die Förderung von Gedenkprojekten entsprechender Initiativen. Dass eine solche Forderung nicht so abwegig ist, dafür gibt es etliche Beispiele, wo Firmen zahlten. Und auch die Messerschmitt Stiftung gibt ja an, zwei kleinere Zwangsarbeiter-Erinnerungsprojekte für Flossenbürg und Natzweiler gefördert zu haben. Man fragt sich natürlich, warum hat diese Stiftung in Augsburg nichts bezahlt? Und die Frage steht im Raum: Sind die Augsburger Stadtverwaltung, der Kulturreferent, der Oberbürgermeister überhaupt jemals an die Messerschmitt Stiftung herangetreten?

In einem Workshop Bayerische Erinnerungsorte – Gedenkstätten, Ausstellungsformen. Workshop Augsburg über die Halle 116 sagte der renommierte Historiker, Professor Ludwig Eiber, 2003 in Augsburg[31] : „Die Realisierung einer KZ-Gedenkstätte ist nicht eine Aufgabe der Stadt Augsburg und ihrer Bürger allein, mithelfen wird auch das Land und der Bund sowie hoffentlich auch die Firmen, die damals von der Häftlingsarbeit profitiert haben. Geschichte ist ein Erbe, das man nicht ausschlagen kann.“ Ludwig Eiber hat Erfahrung in diesen Dingen als langjähriger Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Projektleiter bei der Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Dachau sowie als Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg und Leiter des Zeitzeugenprojekts im Haus der Bayerischen Geschichte. Er sagte damals in seinem Vortrag 2003 in Augsburg: „Sicher wird auch die EADS, in der die früheren Messerschmitt-Werke aufgegangen sind, bereit sein, als europäischer Konzern sich in angemessener Weise zu engagieren. Dies könnte in ähnlicher Weise für andere Firmen gelten, die in der NS-Zeit von Enteignungen, KZ- oder Zwangsarbeit profitiert haben.“

Auch hier fragen wir uns: wurde EADS von den Verantwortlichen der Stadt Augsburg diesbezüglich überhaupt jemals gefragt?

Die schiere Größe der Halle 116 wird immer wieder als Problem ins Feld geführt, wenn es um die Konzeption und die Finanzierung eines angemessenen Gedenkortes geht. Aber EADS muss gefragt und aufgefordert werden, sich an der Finanzierung der Gedenkstätte in der Halle 116 zu beteiligen. Stattdessen subventioniert die Stadt bisher EADS über den Innovationspark.

Unbedingt müsste die Messerschmitt Stiftung in die Pflicht genommen werden. Diese Stiftung hat Geld, anscheinend enorm viel Geld. Wikipedia schreibt über die Stiftung[32] : „Nach Willy Messerschmitts Tod im Jahr 1978 ging sein gesamtes Vermögen in die Messerschmitt Stiftung über. Ursprünglich förderte sie die Wissenschaft und Forschung im Bereich der Luft- und Raumfahrt. Heute hat sie ihren Sitz in München und ist außerdem seit 1975 als Stiftung in Vaduz eingetragen (FL-0001.053.268-4[1]). … Sie ist die größte deutsche private Denkmalschutzorganisation mit einem Jahresetat von rund 11 Millionen Euro …“

Zu den geförderten Objekten der Stiftung zählen zum Beispiel das Schloss Meseberg in Brandenburg, dass sie der Bundesregierung zur symbolischen Miete von einem Euro 20 Jahre lang als Gästehaus zur Verfügung stellt. Auch das Schloss Leitheim in Kaisheim oder das Romantik-Hotel Weinhaus Messerschmitt in Bamberg oder das New York Palace in Budapest zählt unter vielen anderen zu den Objekten der Stiftung.

Anlässlich des hundertsten Geburtstags von Willi Messerschmitt hat die Stiftung in Zusammenarbeit mit Cassidian (An EADS Company) das Flugmuseum Messerschmitt[33] in Manching eingerichtet. Dort stellt die Stiftung unverfroren die Kampfflugzeuge aus der NS-Zeit aus, die sie aus dem Hause Messerschmitt besitzt, darunter ist auch die Me 262, der erste zweistrahligen Düsenjäger der Welt und das damals schnellste Kampfflugzeug. Im Luftfahrt-Blog aeroTELEGRAPH[34] erfahren wir über diese Me 262:

Die Me 262 war Hitlers stärkste Wunderwaffe im Kampf um den Sieg. Ab 1942 verordnete Rüstungsminister Alfred Speer die „totale Kriegswirtschaft“. Doch Arbeiter waren immer weniger verfügbar, da sie an der Front am Einsatz waren. So mussten Gefangene die harte Arbeit in den Fabriken verrichten. Die Unternehmen hatten zwar bereits weitreichende Kompetenzen an die Regierung abgegeben. Es bleibt aber festzuhalten, „dass die Betriebe die aktive Rolle in der Beschäftigung und Anforderung von KZ-Häftlingen spielten, zumindest die Erwartung von Profiten war die Triebfeder“, schreibt der Historiker Joachim Baur in seinem Aufsatz „Zwansgarbeit, KZ-System und Rüstungsproduktion“. Ab 1943 orderte deshalb auch die als NS-Musterbetrieb ausgezeichnete Messerschmitt KZ-Häftlinge, vor allem um Me 262 zu bauen. In Regensburg waren es Gefangene aus den Konzentrationslagern Flossenbürg und Mauthausen. In Augsburg kamen sie aus Außenlagern von Dachau und Natzweiler. Bereits 1944 waren 35 Prozent der Belegschaft KZ-Insassen.

Der Anlass für diesen Artikel im Luftfahrtblog waren Proteste in Israel wegen der Bestellung einer lokalen Airline bei Airbus. Unter der Überschrift Airbus und der Schatten der Nazis heißt es Der Flugzeugbauer habe seine Geschichte nie aufgearbeitet:

Die Vorwürfe sind happig. „Obwohl EADS in Deutschland viel Aufwand betreibt, um dem eigenen historischen Erbe zu gedenken, anerkannte das Unternehmen nie, unter welchen Umständen seine bekanntesten Flugzeuge gebaut wurden“, schreibt die israelische Zeitung Haaretz. Der Luftfahrtkonzern präsentiert auf seiner Website stolz seine Wurzeln, die bis ins Jahr 1900 zurückreichen. „Die technisch innovative Messerschmitt Me 262 ist der weltweit erste in Großserie gefertigte Düsenjäger. 1433 Maschinen werden gefertigt“, steht da etwa für das Jahr 1942 zu lesen – ohne Hinweise auf die traurigen Umstände, die zu diesem Produktionserfolg führten. Mit der Tötung Hunderter Alliierter pries man im Dritten Reich die Kraft der Maschine an.

Die Messerschmitt Stiftung hat also viel Geld übrig für Vieles, auch für ein Museum in Manching, in dem die Me 109 und die Me 262 mit großem Aufwand gefeiert werden – Gewaltproduktionen, die für Tausende von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen brutalste und tödliche Schinderei bedeuteten. Wir denken, von dieser Stiftung kann und muss man jetzt endlich verlangen, sich zur wahren Geschichte ihres Unternehmens zu bekennen, diese aufzudecken und sich beim Ausbau der Halle 116 als Gedenkort finanziell zu engagieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Messerschmitt Stiftung völlig verdeckt arbeitet, nicht einmal eine eigene Homepage betreibt und sich einen ominösen Firmensitz in Vaduz zugelegt hat c/o Industrie-und Finanzkontor Etablissement mit Handelsregistereintrag bei der Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein.[35] Kann es sein, dass die Messerschmitt Stiftung nicht nur viel Geld hat, sondern zu viel? Das wäre ein Grund mehr für die Stiftung, sich in Augsburg für die Halle 116 kräftig zu engagieren.

Peter Feininger, 18. Januar 2018

 

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Anmerkungen:

(1) Zitat Rudolf Hess in der Bildunterschrift Abbildung 1 nach: Pabst, Martin. Willy Messerschmitt: Zwölf Jahre Flugzeugbau im Führerstaat. Oberhaching: Aviatic Verlag GmbH, 2007

Abbildungen:

Abb. 3 - 5:

Memory Off Switch – Der Audiowalk Premiere eines Audiowalk zu NS-Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion.

Im neugebauten Sheridan-Viertel im Westen Augsburgs steht die Halle 116. Als Teil einer Wehrmachtskaserne gebaut, diente sie 1944/45 als Außenlager des KZ Dachau. Tausende Zwangsarbeiter mussten von dort täglich zur Arbeit ins Messerschmitt-Werk in Haunstetten gehen.

Das Augsburger Theaterensemble Bluespots Productions hat unter dem Titel „Memory Off Switch“ ein Hörstück entwickelt, das man als Audiowalk hören kann – während man dem täglichen Weg der Zwangsarbeiter von der Halle 116 in Pfersee zum ehemaligen Messerschmitt-Werk folgt. Unterstützt wird das Projekt von mehreren Partnern, u.a. dem Kulturhaus abraxas.

„Memory Off Switch“ meint das drohende „Abschalten“ der Erinnerungen durch das Sterben der letzten Zeitzeug*innen des Faschismus. Das Hörstück will dem aktiv entgegenwirken.

Es besteht aus Texten von Zeitzeugen, aus Reflexionen über Erinnern und Verdrängen in Augsburg und darüber hinaus, über antifaschistischen Widerstand in Augsburg und über die Kontinuität der Rüstungsproduktion am ehemaligen Messerschmitt-Standort.

Das obere Bild auf Seite 6 zeigt die Teilnehmer des Audiowalks beim Blick auf die Gebäuderückseite der Halle 116 im Sheridan-Park Pfersee am 30. Juli 2017. Das mittlere Bild zeigt das Engeneering Center Willy Messerschmitt von Premium Aerotec an der Haunstetter Straße in Augsburg. Das untere Bild zeigt ankommende Teilnehmer des Audiowalks nach etwa dreistündigem Marsch durch Stadt und Wald vor dem Haunstetter Werk von Premium Aerotec.

Audiowalk zum Nachhören: http://www.bluespotsproductions.de/projekte/memory-switch, wir empfehlen vor allem den letzten Track anzuhören https://bluespotsproductions.bandcamp.com/track/track-9-an-die-arbeit

 

1] »KZ-Außenstelle ‚Halle 116‘ wird Lern- und Erinnerungsort, Live-Ticker aus dem Stadtrat“. Stadt Augsburg, 24. November 2016. http://www.augsburg.de/aktuelles-aus-der-stadt/detail/heute-live-ticker-aus-dem-stadtrat-8/.

3] Wolfgang Konrad, und Wolfgang Kucera. »KZ-Außenlager Pfersee“. Bürgerhaus Pfersee, Zentrum für Kultur, Bildung und Begegnung im Stadtteil. Zugegriffen 1. Januar 2018. http://www.buergerhaus-pfersee.de/stadtteilgeschichte_kzaussenlager_pfersee.htm.

4] siehe das Kapitel „Widersprüchliche Aussagen. Erhängungen – aber wo?“ Seite 77ff. in: Römer, Gernot. Für die Vergessenen. KZ-Außenlager in Schwaben – Schwaben in Konzentrationslagern; Berichte, Dokumente, Zahlen u. Bilder. Augsburg: Presse-Dr.- u. Verl.-GmbH, 1984.

5] s. hierzu die zwei Projekte auf unserer Homepage:

Kommentar. EADS stellt aus: Es lebe die Rüstung, was kümmern uns die Opfer! Ausstellung 90 Jahre Flugzeugbau im Rathaus vom 26. Oktober bis 20. November 2006, 5.11.2006, Forum solidarisches und friedliches Augsburg http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Friedensstadt/061105_90-jahre/index2.html

EADS-Ausstellung im Rathaus: 90 Jahre Flugzeugbau in Augsburg – ein Hohes Lied auf die Rüstungsproduktion und eine Verhöhung der Opfer. Proteste gegen die Ausstellung und die Rede des OB – Reaktionen von Menschen, Politikern, Medien…, 8.11.2016, Forum solidarisches und friedliches Augsburg http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Friedensstadt/061108_protest-eads-ob/

6] Rede Wengerts vor dem SPD-Unterbezirk am 27.4.2001, zitiert nach der Zeitschrift der PDS: Opposition – Mitteilungen für Augsburg und Schwaben vom Juli 2002, im Archiv der Redaktion

7] Augsburger Allgemeine, 18.7.2001 dokumentiert in: Dokumentenzusammenstellung zur Halle 116, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) - Kreisvereinigung Augsburg, unveröffentlicht

8] „Peter Menacher“. Wikipedia, 7. April 2017. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Peter_Menacher.

9] Offener Brief an Oberbürgermeister Paul Wengert, von Gerald Fiebig, Träger des Kunstförderpreises der Stadt Augsburg, 7.11.2006, 7.11.2006, Forum solidarisches und friedliches Augsburg http://www.forumaugsburg.de/s_2kommunal/Friedensstadt/061108_protest-eads-ob/061107_brief-fiebig.pdf

10] Öffentliches Gelöbnis in Augsburg – Die Bundeswehr hat ein Anerkennungs- und ein Rekrutierungsproblem. Düll, Gribl, Hintersberger, Paula, Ruck... tief verstrickt in die herrschende Militärpolitik, 27.2.2011, Forum solidarisches und friedliches Augsburg http://forumaugsburg.de/s_2kommunal/Friedensstadt/110227_rekruten-geloebnis2/artikel.pdf

11] Big Band der Bundeswehr auf dem Rathausplatz – Der Friedensstadt Augsburg wird der Marsch geblasen. Haben Christian Schmidt und Johannes Hintersberger den OB in ein Komplott verwickelt? 11.7.2011, Forum solidarisches und friedliches Augsburg http://forumaugsburg.de/s_2kommunal/Friedensstadt/110710_big-band-bundeswehr/artikel.pdf

12] Johannes Hintersberger. „Arbeitsgruppe Wehrpolitik - an der Seite der Truppe“. Zugegriffen 13. Januar 2018. https://www.hintersberger.info/index.php?ka=1&ska=50#.WlnYGjcxk-U.

13] Ebd.

14] Johannes Hintersberger. „Johannes Hintersberger: Neues Luftverteidigungssystem sichert souveräne Einsatz- und Verteidigungsfähigkeit unserer Bundeswehr – Starker Impuls für die wehrtechnische Industrie am Standort Bayern, Pressemitteilungen aus dem Staatsministerium - Pressemitteilungen in meiner Funktion als Staatssekretär im Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Johannes Hintersberger, MdL, Staatssekretär“, 10. Juni 2015. https://www.hintersberger.info/index.php?ka=1&ska=4&idd=1012#.WlnYZTcxk-U.

15] Warnstreik der IG Metall bei Premium Aerotec am 10.1.2018 vor dem Tor von Werk 4 in Augsburg Haunstetten

16] Laut Geschichtswerkstatt Augsburg war die Initiative Zwangsarbeit im Jahr 2000 bereits ziemlich breit aufgestellt: Die Geschichtswerkstatt ist maßgeblich an der Initiative „Wir stellen uns der historischen Verantwortung. Initiative für Entschädigung von Zwangsarbeit in Augsburg“ beteiligt. Weitere Beteiligte sind IG Metall Augsburg, DGB Kreis Augsburg, Evangelische Kirche Dekanat Augsburg, Grüne und SPD Augsburg.

„Neues aus der Geschichtswerkstatt Augsburg. Zwangsarbeit in Augsburg; Leben, Selbstbehauptung und Widerstand von Jugendlichen während des Nationalsozialismus in Augsburg; Stadt und Militär: Ein Forschungsprojekt zur Geschichte des Kasernenstandortes Augsburg; Garnisonen in Augsburg seit den dreißiger Jahren; Ein Forschungsprojekt entsteht, Projekte der GW Augsburg | Geschichte quer“. Geschichte quer, 2000. http://look4infos.de/.35.html#GW_Augsburg_1.

17] Protokoll des Informationsaustausches zum ehemaligen Zwangsarbeiter-Lager in der Sheridan-Kaserne (Halle 116) am 22.1.2004 , in: Dokumentenzusammenstellung zur Halle 116, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) - Kreisvereinigung Augsburg, unveröffentlicht

18] Kucera, Wolfgang. Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie (vergriffen). Augsburg: AV-Verlag, 1996.

19] „Initiative Zwangsarbeit-Enschädigung Augsburg“. Zugegriffen 22. November 2011. http://www.zwangsarbeit-augsburg.de/.

20] Kucera, Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge, a. a. O., Seite 110

21] Papst, Martin: Willy Messerschmitt. Zwölf Jahre Flugzeugbau im Führerstaat, Aviatic Verlag, Oberhaching 2007, 128 Seiten

In einer Rezension dieses Buches auf dem Geschichtsportal H-Soz-Kult. heißt es: … Es gibt bisher nur eine Biographie Messerschmitts, verfasst von dem britischen Technikspezialisten Frank Vann, die jedoch erhebliche Mängel aufweist.[1] Quellenfundierte Kenntnisse über das Handeln des Messerschmitt-Konzerns und der Person Willy Messerschmitt während des Krieges verdanken wir vor allem der 1998 erschienenen Studie von Lutz Budraß über die deutsche Flugzeugproduktion und Luftrüstung von 1918 bis 1945.[2] …

[1] Vann, Frank, Willy Messerschmitt: First Full Biography of an Aeronautical Genius: Pioneering Aeronautical Genius, Sparkford, Somerset 1993.

[2] Budraß, Lutz, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918-1945 (= Schriften des Bundesarchivs 50), Düsseldorf 1998.

Michael A. Kanther. „Rezension zu: M. Pabst: Willy Messerschmitt“. H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften, 29. April 2008. https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-10650.

22] Papst, Martin: Willy Messerschmitt., a. a. O. S. 35ff.

23] Kucera, Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge, a. a. O., Seite 110

24] Rudolf Stumberger. „Erinnerung an die Zwangsarbeit. Dornier lehnt Unterstützung für Auf dem Gelände Gedenkort im Münchner Stadtteil Neuaubing ab“,. Neues Deutschland, über PressReader.com, 8. November 2014. https://www.pressreader.com/germany/neues-deutschland/20141108/281900181494604.

25] Papst, Martin: Willy Messerschmitt., a. a. O. S. 82

26] „Engelbergtunnel“. Wikipedia, 5. Dezember 2017. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Engelbergtunnel.

27] Arnold Einholz. „Leonberg: Zum Tode verurteilt und dann doch begnadigt“. Leonberger Kreiszeitung, 19. März 2017. http://www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.leonberg-zum-tode-verurteilt-und-dann-doch-begnadigt.e7ba186d-19e3-479c-8351-673e9cbd49a4.html.

28] Joachim Baur. Zwangsarbeit, KZ-System und Rüstungsproduktion. Eine Skizze zu den Rahmenbedingungen des. KZ Leonberg und ihrer Entwicklung, in: Baur, Joachim/Wörner, Birgit (Hg.), Konzentrationslager und. Zwangsarbeit in Leonberg, Leonberg 2001, 2001. http://www.die-exponauten.com/cms/upload/pdf/Baur_Zwangsarbeit.pdf.

29] Nach: „Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘“. Wikipedia, 24. Dezember 2017. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Stiftung_%E2%80%9EErinnerung,_Verantwortung_
und_Zukunft%E2%80%9C
.

30] Ebd.

31] Ludwig Eiber. „Bayerische Erinnerungsorte – Gedenkstätten, Ausstellungsformen. Workshop Augsburg über die Halle 116, Vortrag“. 26. September 2003. http://www.sheridan-kaserne.de/sheridan/Eiber.pdf.

32] „Messerschmitt Stiftung“. Wikipedia, 8. Januar 2018. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Messerschmitt_Stiftung.

33] „Flugmuseum Messerschmitt – Das fliegende Museum“. Zugegriffen 18. Januar 2018. http://www.flugmuseum-messerschmitt.de/.

34] Stefan Eiselin. „Airbus und der Schatten der Nazis“. (blog), 11. September 2012. https://www.aerotelegraph.com/airbus-geschichte-drittes-reich-aufarbeitung-kritik-israel.


   
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