Betriebliche Corona-Bekämpfung

Das Bayern-Placebo

Artur Hoch

1.5.2021

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Wer kurz nach dem 13.04.2021 die Website der Bayerischen Staatsregierung besuchte, hätte sich als unbedarfter Parlamentsgläubiger wohl sehr darüber gewundert, w as an diesem Tag beschlossen worden war :

„ Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit einer Inzidenz über 200 anordnen, dass Beschäftigte bestimmter Betriebe und Einrichtungen nur dann in Präsenz am Arbeitsplatz eingesetzt werden dürfen, wenn sie über den Nachweis eines aktuellen PCR-, Schnell- oder Selbsttests mit negativem Ergebnis verfügen“ – stand und st eht dort zu lesen. ( 1 )

Doch das unsch einbare Wörtchen „können“ ließ erahnen, dass sich die Bayerische Staatsregierung hier mitnichten über die kollektive Demut der Bundesregierung vor der Wirtschaft erhoben hatte, um dieser zumindest in Bayern eine Testpflicht für bestimmte Betriebe oder Branchen zu verordnen. Den notorischen Zweifler konnte also nur noch interessieren, mit welchen Ausflüchten man letztlich von der Anwendung dieses wichtigen Instruments absehen würde.

Da die Voraussetzungen für die Anwendung in Augsburg zu diesem Zeitpunkt vorlagen, stellte die Augsburger SPD/DIE LINKE die soziale fraktion folgenden Dringlichkeitsantrag für die Stadtratssitzung des 23.04.2021:

Wir bitten um Auskunft darüber, in welchen Betrieben und Einrichtungen die Stadt eine solche Testpflicht für nötig hält, um eine Testpflicht in diesen Betrieben und Einrichtungen nach § 25 Abs. 2 der 12. BayIfSMV umzusetzen.

Die Arbeitgeber*innen dieser Betriebe und Einrichtungen werden verpflichtet, die notwendigen Tests für Beschäftigte bereitzustellen.“

Die schriftliche Antwort auf diesen Antrag wurde bereits vor der Stadtratssitzung des 23.04.2021 vom Referat 2 (Gesundheit) erteilt.

Zunächst wurde darin nochmals die Ermessensfreiheit der Kreisverwaltungsbehörden (KVB) unterstrichen, aber auch betont, dass bei der Anwendung dieses Instruments auf das örtliche Infektionsgeschehen abzustellen sei. Darauf hätten sowohl das Bayerische Gesundheitsministerium als auch die Regierung von Schwaben hingewiesen.

Aufhören ließ dann bereits, dass Anfragen bei anderen bayerischen KVB zusammenfassend ergeben hätten, „dass insbesondere wegen des diffusen Ausbruchsgeschehens keine momentan beabsichtigt, eine Allgemeinverfügung nach § 25 Abs. 2 der 12. BayIfSMV zu erlassen.“

Und weiter: „Das Infektionsgeschehen im Gebiet der Stadt Augsburg ist diffus und kann nicht konkreten Betrieben bzw. Branchen zugeordnet werden.“

Damit musste also jede und jeder verstehen können, dass sowohl in Augsburg als auch im ganzen restlichen Bayern das betriebliche und branchenbezogene Infektionsgeschehen so diffus ist, dass man der Bevölkerung zwar Kontaktverbote, Ausgangssperren, Kindernotbetreuungen und das ganze restliche Repertoire an Einschränkungen aufzwingen kann, aber bisher jeder vertretbare Ansatz fehlt, die Betriebe zumindest in den Fokus zu nehmen.

Doch dann w urde es noch fragwürdig er und eigentlich ungeheuerlich : „Es wird daher weiter beobachtet. Zu diesem Zweck soll das Gewerbeaufsichtsamt in einem Schreiben gebeten werden, dem Gesundheitsamt Informationen über Infektionsgeschehen in Betrieben bzw. Branchen zukommen zu lassen.“

Wie aber beobachte t man solch ein erklärtermaßen diffuses Infektionsgeschehen „weiter“, wenn dem Gesundheitsamt Augsburg ein komplettes Jahr nach Ausbruch der Pandemie offensichtlich noch jegliche Informationen über das Infektionsgeschehen in den Betrieben und Branchen fehlen? – Denn anders ist diese Aussage ja wohl kaum zu verstehen.

Doch die Rettung steht glücklicherweise schon seit dem 20.04.2021 parat und heißt SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV). Die bundesrechtliche Regelung also, die Beschäftigten zumindest einen Rechtsanspruch auf betriebliche Tests gewährt. Darauf kann man sich nun getrost zurückziehen. Und so endet das Antwortschreiben – wohl auch mit Erleichterung :

„Die mit dem Antrag der Fraktion verfolgte Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Tests bereitzustellen, ist folglich bereits in § 5 Corona-ArbSchV enthalten. Das Referat 2 wird sich mit einem entsprechenden Schreiben diesbezüglich an die IHK und HWK wenden.

Der Antrag ist mit diesem Schreiben geschäftsordnungsmäßig erledigt.

Mit freundlichen Grüßen Reiner Erben Berufsmäßiger Stadtrat“

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1 https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-13-april-2021/?seite=5062


   
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