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Kundgebung des Integrationsbeirats zum Tag des Rassismus am 21. März„Rassismus und Nationalismus kommen mir nicht in die Tüte“Katholische Arbeitnehmerbewegung: Es gibt Alternativen zum Verschleiß von MenschenPeter Feininger 12.04.2021 Am 21. März führte der Integrationsbeirat Augsburg eine Kundgebung zum Tag des Rassismus auf dem Rathausplatz durch. Vor etwa 50-60 Personen sprachen die Vorsitzende des Integrationsbeirats Didem Karabulut, Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne), Postcolonial Realities von der Uni, Bernadette für die katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), Ulrike Bahr, Mitglied des Bundestags (SPD) und Christine Wilholm, Stadträtin der Linken. Besonders die Ausführungen von Postcolonial Realities, der KAB waren neben der Rede von Didem Karabulut, die wir komplett dokumentieren, bemerkenswert. Auch die Hinweise von Ulrike Bahr zu den Vorstößen der SPD im Berliner Kabinett zum Rassismusthema sind beachtlich. Dagegen waren die Ausführungen von Christine Wilholm für Die Linke beziehungsweise die soziale Fraktion im Stadtrat dürftig bis nichts sagend. Offensichtlich hat Die Linke zum Kampf gegen Rassismus keinen konkreten Vorschlag im Stadtrat. Martina Wild, 2. Bürgermeisterin stellte in ihrer Rede das Projekt „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ vor und behauptete, dass damit Projekte gegen Rassismus und Ausgrenzung verwirklicht werden. Zumeist ist das einzige Projekt allerdings das Aufhängen des entsprechenden Schildes an der Schule nach einer bestimmten Anzahl an Unterschriften durch die Schüler. In der Realität ändert die Auszeichnung als „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ für die Betroffenen Schüler nichts, da bei den meisten Schulen das Thema mit Anbringung des Schildes wieder von der Tagesordnung gestrichen wird und keine konkreten Projekte folgen. Didem Karabulut forderte zum Schluss ihrer Rede: „Wir fordern als Beirat endlich eine intakte und aktive Antidiskriminierungsstelle in unserer Stadt. Wir dürfen uns als Friedensstadt nicht damit zufriedengeben, dass diese Stelle eingerichtet worden ist. Sie muss auch laut und aktiv funktionieren!“ Man muss es schon als Frechheit bezeichnen, dass die beiden Stadträtin Martina Wild und Christine Wilholm, die ja nach Didem Karabulut sprachen, diese Forderung des Integrationsbeirats nach einer Antidiskriminierungsstelle erneut ignorierten. Wenn in Augsburg ein echter Schritt gegen Rassismus getan werden soll, ist die Einrichtung einer solchen Antidiskriminierungsstelle unabdingbar. Die CSU sträubt sich dagegen seit dem Beschluss in der letzten Legislaturperiode und die Grünen lassen es jetzt anscheinend auch auf sich beruhen und die soziale Fraktion will offensichtlich auch nicht Druck machen. Hier noch wichtige Links des Integrationsbeitrags und der Stadt Augsburg zur Veranstaltung ( 1 ) Rede der Vorsitzenden des Integrationsbeirats Didem KarabulutLiebe Augsburger*innen, ich darf Sie und euch ganz herzlich zu unserer Kundgebung am 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus im Namen des Integrationsbeirats begrüßen. An diesem Tag vor 61 Jahren wurde eine friedliche Demonstration in Sharpeville (Südafrika) in Reaktion auf ein rassistisches Gesetz des Apartheid-Regimes blutig niedergeschlagen. 69 Menschen wurden dabei getötet. In Reaktion darauf haben die Vereinten Nationen den 21. März zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ ausgerufen. „ Rassismus und Nationalismus kommen mir nicht in die Tüte“ lautet erneut das diesjährige Motto aller Integrationsbeiräte Bayerns. Rassismus und Nationalismus sind Ursachen von Ausgrenzung, Spaltung und Menschenrechtsverletzungen. Rassismus tötet. Rassismus hat in den letzten Jahren eine blutige Spur hinterlassen. Ob Minneapolis, Halle oder Hanau, NSU – es sind Menschen aus rassistischen und menschenverachtenden Motiven ermordet worden. Rassistische Terroranschläge sind die Spitze des Eisbergs. Darunter liegt völkisches, nationalistisches und rechtes Gedankengut. Und dieses Gedankengut wirkt auch in der Pandemie-Situation. Rechte verbreiten antisemitische Verschwörungsideologien und schüren Hass und versuchen die Demokratie zu destabilisieren. Die weltweiten Black Lives Matter-Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Geo r ge Floyd in Minnesota, haben auch in Deutschland das Thema Rassismus bei der Polizei, aber auch die alltäglichen Rassismuserfahrungen Schwarzer Menschen auf die Tagesordnung gesetzt. Deutschland ist nicht die USA, aber auch hier brauchen wir eine rassismusfreie und rassismuskritische Polizei. Erfreulicherweise erkennt die Politik langsam Rassismus als eine Gefahr und die Bundeskanzlerin gibt zu, dass wir ein Rassismusproblem in Deutschland haben. Das können wir nur bestätigen! Wir haben ein Rassismusproblem – und zwar nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft, bei den alten und neuen Nazis und Populisten, sondern in der Mitte der Gesellschaft und im ganz normalen Alltag. Die AFD fungiert hierbei als Katalysator und aber auch als Indikator, dass Deutschland ein Rassismusproblem hat! Das sehen und spüren wir tagtäglich v.a. in den sozialen Medien. Diese Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Struktureller Rassismus und Alltags-Rassismus sind leider die traurige Realität, in unseren bayerischen Städten und Gemeinden genauso wie andernorts. Deshalb braucht es eine engagierte Zivilgesellschaft, die nicht wegschaut und nicht schweigt und institutionalisierten Rassismus konsequent bekämpft. Diejenigen, die von alltäglichem Rassismus oder von rechtem Terror betroffen sind, brauchen Instrumente, um sich schützen und wehren zu können. Wir dürfen nicht schweigen und Rassismus-Betroffene dürfen nicht allein gelassen werden! Wir fordern als Beirat endlich eine intakte und aktive Antidiskriminierungsstelle in unserer Stadt. Wir dürfen uns als Friedensstadt nicht damit zufriedengeben, dass diese Stelle eingerichtet worden ist. Sie muss auch laut und aktiv funktionieren! In diesem Sinne wollen wir unser Motto des diesjährigen Internationalen Tages gegen Rassismus weit über den Rassismus und Nationalismus kommen uns nicht in die Tüte!
Martina Wild, 2. Bürgermeisterin (Grüne)… Ein schönes Beispiel für dieses Engagement an Schulen ist das Projekt Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus , in dessen Rahmen Augsburger Schulen seit Jahren konkrete Projekte gegen Rassismus und Ausgrenzung verwirklichen. Auch die Universität beteiligt sich an dieser Gemeinschaftsaufgabe. Darüber hinaus wurde vor einigen Jahren eine Forschung- und Koordinierungsstelle für interkulturelle religiöse Bildung eingerichtet, wo wir hoffen, dass die Ausbildung für islamischen Religionsunterricht in Zukunft auch aus Augsburg heraus entstehen kann. … Als 2. Bürgermeisterin und als Referentin für Bildung und Migration freue ich mich … über die heutige Kundgebung. Hass und Hetze, Diskriminierung jeder Art dürfen in unserer Friedensstadt keinen Platz haben. Lassen Sie uns alle jeden Tag weiter aktiv für Toleranz, für Freiheit, für ein gutes Miteinander und für Frieden in Augsburg eintreten!
Postcolonial RealitiesWir sind ein studentischer Blog … und verstehen uns als Information- und Diskussionsplattform, mit dem Ziel, postkoloniale und rassistische Strukturen sichtbar zu machen und zu problematisieren. … Wessen Geschichte zählt? Aus welcher Perspektive wird Geschichte erzählt und wo sind in Augsburg koloniale und postkoloniale Strukturen zu finden? Aus diesen Fragen ist der virtuelle, postkoloniale Stadtrundgang AUX POST Perspektiven.Wechsel entstanden. Wir erfahren zum Beispiel, wo in Augsburg erinnert wird, wie erinnert wird, ob überhaupt erinnert wird an den Kolonialismus und wie Augsburg beteiligt war daran. … Rassismus ist Teil unserer Gesellschaft. Es ist struktureller Rassismus, es ist Alltagsrassismus und dieses Problem muss bekämpft werden. … Wir sind jetzt in der Halbzeit angekommen der Internationalen Wochen gegen Rassismus und somit auch in der Halbzeit von Aux Post und wir haben einfach jetzt schon festgestellt, dass das in diesen zwei Wochen viele Orte in Augsburg gar nicht beleuchtet worden, dass viele Perspektiven noch gar nicht aufgezeigt wurden und sehr viele Stimmen noch gar nicht gehört wurden.
Bernadette, Katholische Arbeitnehmerbewegung … Ich möchte heute vor allem über Rassismus in Arbeitsverhältnissen sprechen … Rassismus ist vor allem auch Ausbeutung, die sich über diese Abwertung rechtfertigt. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO geht für die EU aus von 880.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. 880.000, das heißt auf 1000 EU-Bürger_innen kommen fast zwei Menschen in Zwangsarbeit. 58 Prozent davon sind Frauen. Um Zwangsarbeit zu erkennen, hat die Internationale Arbeitsorganisation elf Indikatoren aufgestellt. Darunter sind das Ausnutzen von Hilflosigkeit, Täuschung, Drohungen, Vorenthalten von Lohn, exzessive Überstunden, und die Liste geht noch um einiges weiter. Aber wir können eigentlich da schon aufhören, denn diese Indikatoren sind in deutschen Arbeitsverhältnissen erfüllt. Arbeitsmigranten und Migrantinnen aus Ost- und Südosteuropa werden mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt, finden sich dann in Arbeits- und Lebensbedingungen wieder, die menschenunwürdig sind. Sie schuften am Bau, in der Landwirtschaft, in der Fleischverarbeitung, in der Hausarbeit – und wir leben gut davon. Es bedarf einer gewaltigen psychischen Bewältigungsleistung, um diese Ausbeutung nicht wahrzunehmen. Und da kommt der Rassismus ins Spiel. Rassismus ist, wenn wir Menschen Integrationsunfähigkeit vorwerfen und Ihnen gleichzeitig verweigern, sich in unseren Lebensstandard zu integrieren. … Von den Arbeitskräften aus Bulgarien oder Rumänien erwarten, dass sie diese Drecksarbeit machen, aber keine Ansprüche stellen. Wenn wir Ausbeutung als Kollateralschaden hinnehmen und sogar noch damit rechtfertigen, es gehe denen ja immerhin besser als daheim.
Die Coronaausbrüche in deutschen Fleischfabriken haben ein Licht auf diese Zustände geworfen und es spricht Bände, wenn Armin Laschet sagt, das Infektionsgeschehen liege ja klar bei der Firma Tönnies und es brauche daher keinen Lockdown – ich zitiere – „solange wir alles tun, dass es nicht überspringt auf die Bevölkerung“. Also, die Arbeitsmigranten sind also offensichtlich nicht Teil der Bevölkerung, und solange wir sie isolieren, ist alles gut für die wirkliche Bevölkerung. Die Fleischindustrie hat nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar gemacht. Der unsichtbare Teil dieses Unrechtssystems geht mittlerweile durch unzählige Branchen. Wo Menschen wie Arbeitsmaterial verschlissen und ersetzt werden. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, Deutschland ist ist voller Produkte und Dienstleistungen, die unter Zwang und Ausbeutung hergestellt werden. Diese rassistische Klassengesellschaft auf dem Arbeitsmarkt funktioniert von ganz allein, solange wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zweiter Klasse aufgrund ihrer Herkunft als normal hinnehmen. Es ist Zeit aufzustehen und einzugreifen. Es gibt Alternativen zum Verschleiß von Menschen. Seien wir Menschen, die eingreifen, seien wir Menschen, die Ausbeutung wahrnehmen und benennen, seien wir Menschen, die für ungeteilte Menschenwürde eintreten. Seien wir Menschen!
Ulrike Bahr, Bundestagsabgeordnete (SPD)… Die einzelne Verantwortung eines jeden zählt. Alle Organisationen, jeder einzelne muss eingreifen, muss sich dagegen verwehren, wenn Menschen eben nicht mit Respekt behandelt werden und wenn Rassismus offensichtlich ist. Es ist jedermanns und jeder Frau Aufgabe, jeder einzelne ist hier verantwortlich. Das ist das eine und das andere ist eben die Politik, was tut sie? Sie muss es flankieren, sie muss auch Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass eben das auch möglich ist. … Wir haben (in Berlin, im Kabinettsausschuss) darauf gedrängt, dass wirklich aus dem Grundgesetz Art. 3 der Begriff der Rasse entfernt wird. Der hat da im Grundgesetz nichts mehr zu suchen. (Beifall) Wir haben auch gefordert in Berlin, dass es eine kritische Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit gibt und wir wollen im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, dem AGG, die Schließung von Schutzlücken, die es nach wie vor gibt bezüglich Rassismus. Wir wollen aber auch, dass es einen Beauftragten gibt in der Bundesregierung gegen Rassismus, einen Anti Rassismus-Beauftragten. …“ Ulrike Bahr forderte auch Antirassismus als Staatsziel und kontinuierliche Förderung entsprechender Initiativen.
Christine Wilholm, Stadträtin (Die Linke)Ich bin aufgewachsen in den siebzigern, ich kam 1970 in die Schule und es war genau die Zeit, als sehr viel Arbeitsmigration stattfand, damals noch viel aus Ex-Jugoslawien, später dann auch aus der Türkei, aus Italien und anderen Ländern. Ich bin aufgewachsen in einer Gesellschaft, in der wir als Kinder miteinander gespielt haben. Und ich war, als ich dann erwachsen wurde, regelrecht entsetzt, als mein kindliches Harmonie-Weltbild furchtbar zerbrechen musste. Als ich feststellte, dass meine Schulkameradinnen und Schulkameraden eben nicht auf eine höhere Schule gehen durften, obwohl sie zum Teil genauso gute oder bessere Noten hatten. Ich musste feststellen, dass sie sich schwerer taten und bis heute schwerer tun, eine vernünftige Wohnung zu finden. Und das ist eben nicht die Gesellschaft, in der ich leben möchte … Ankreiden müssen wir doch diese Angriffe auf unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund. Wir müssen doch alle zusammen stehen in einer Stadt wo fast die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger woanders geboren ist und nicht hier in Augsburg oder in Bayern oder in Deutschland. Es muss uns doch egal sein, wo ein Mensch herkommt. Jeder Mensch ist gleich viel wert und wir müssen zusammen dafür einstehen, dass Augsburg hier eine Vorbildstadt wird. Und da haben wir noch sehr viel zu tun, denn das kommt uns nicht in die Tüte, dass diese Stadt als rassistisch angesehen wird. Dankeschön! Fotos: Versammlung vor dem Rathaus: Integrationsbeirat, Didem Karabulut und Bernadette: Artur Hoch, Screenshot Jim Knopf: Postcolonial Realities 1 Stadt Augsburg. „21. März: Internationaler Tag gegen Rassismus. Stadtgesellschaft setzt gemeinsam Zeichen gegen Rassismus“, 21. März 2021. https://www.augsburg.de/presse-kommunikation/pressemitteilungen/detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5B Karabulut, Didem Lacin. „Tag gegen Rassismus: Kundgebung des Integrationsbeirat Augsburg Heute, live aus der Kundgebung ‚Rassismus und Nationalismus kommen mir nicht in die Tüte!‘ - das diesjährige Motto aller bayerischen Integrationsbeirate / AGABY!“ Facebook Didem Laçin Karabulut, 21. März 2021. https://www.facebook.com/dlkara/videos/10222850143115711 . Integrationsbeirat Augsburg. „«Rassismus und Nationalismus kommen mir nicht in die Tüte», Integrationsbeirat Augsburg, Kundgebung Tag gegen Rassismus 21.03.2021“, 21. März 2021. http://www.integrationsbeirat-augsburg.de/kundgebung-tag-gegen-rassismus-21-03-2021/ .
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