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Staatsvertrag „Abschiebung“ – nicht ohne Bayern!Artur Hoch 12. März 2021 Natürlich hat der Staatsv ertrag „Abschiebung“ in der parlamentarischen Wirklichkeit unseres Landes einen etwas gefälligeren Namen: „Staatsvertrag über die erweiterte Zuständigkeit der mit der Begleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen betrauten Bediensteten in den Ländern“ heißt er dort ganz unschuldig. ( 1 ) Die Initiative dazu stammt von der Ständigen Konferenz der Innenminister vom Juni 2018 und ging von Niedersachsen aus. Der Vorschlag zu einer Beitrittsöffnung für diejenigen, die nicht gleich mitmachen wollten, kam vom hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) . ( 2 ) Beigetreten sind dem Vertrag bisher die Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und die Hansestadt Hamburg. Warum Bayern sein Interesse erst jetzt bekundet, bleibt offen. Worum es gehtZiel dieses Vertrags ist es, Verwaltungsvollzugsbe diensteten der teilnehmenden Bundesländer, die nicht de m Polizei vollzugsdienst angehör en und die mit der Abschiebung von Menschen be auftragt sind, dazu teils weit gehende, l änderübergreifende Kompetenzen bei den Vertragspartnern einzuräumen. Begründet wird dies hauptsächlich mit einer verbesserten Rechtssicherheit, die selbstredend nicht den von Abschiebung Betroffenen, sondern den Abschiebern dienen soll, und mit der Entlastung der Polizei.
Um dies zu vermeiden, sollen diese Verwaltungsvollzugsbediensteten nun den gesamten, grenzüberschreitenden Abschiebevorgang oder auch – bei dessen Scheitern – eine Rückführung der Betroffenen eigenständig durchführen können. ( 4 ) In dienstrechtlicher Hinsicht sollen sie dabei den Bestimmungen ihres eigenen Landes unterliegen. Ihre Befugnisse bei Amtshandlungen im Nachbarland können sie aber im Rahmen der Befugnisse ausüben, die für die dortigen Verwaltungsbehörden gelten. Dies betrifft auch polizeiliche Befugnisse zur Gefahrenabwehr, soweit sie den dortigen Verwaltungsvollzugsbediensteten per Generalklausel übertragen sind. Dazu gehören unter Umständen die Durchsuchung von Personen und Sachen, deren Sicherstellung oder die unmittelbare Anwendung von Zwang. ( 5 ) Eine Information der Behörden des Landes, in dem die Amtshandlung erfolgen soll, hält der Vertrag interessanter Weise für grundsätzlich entbehrlich. ( 6 ) Die LandesparlamenteIm Hessischen Landtag fand zur Annahme dieses Staatsvertrags eine lebhafte Debatte statt, in der bei zwei Lesungen allein DIE LINKE ihn ablehnte. ( 7 ) In Sachsen-Anhalt votierte ebenfalls DIE LINKE nach zwei Lesungen ohne Aussprache gegen den Vertrag. ( 8 ) In den anderen Landesparlamenten wurde der Vertrag meist schon nach der Annahmeempfehlung durch die entsprechenden Ausschüsse einfach durchgewinkt. Der Bayerische LandtagIm Bayerischen Landtag fand die erste Lesung zum Antrag der Staatsregierung, diesem Vertrag beizutreten, am 24.02.2021 statt. ( 9 ) Bei seinem Werben um Zustimmung erklärte Innenminister Joachim Herrmann unter anderem: „Klar ist: Diese Verwaltungsvollzugsbeamten aus andern Bundesländern erhalten darüber hinaus keine Kompetenzen im Freistaat. Sie haben keine polizeilichen Befugnisse.“ ( 10 ) Und sagte damit nur die halbe Wahrheit. Denn umgekehrt können sich diese bayerischen Bediensteten in anderen Bundesländern zur Durchführung von Abschiebungen auf dem dortigen Territorium die dortigen, unter Umständen weiter gehenden Befugnisse quasi aneignen. Genauso Wolfgang Hauber (FREIE WÄHLER): „Ihnen stehen dabei die allgemeinen Befugnisse der Verwaltungsbehörden im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung zu; darüber hinaus stehen ihnen in Bayern keine weiteren Kompetenzen zu. Durch den Staatsvertrag werden ihnen insbesondere nicht die poli z eilichen Eingriffsbefugnisse nach dem Polizeiaufgabengesetz übertragen.“ Stefan Schuster (SPD) kam noch auf einen anderen Punkt des Vertrags zu sprechen: „Ich begrüße ausdrücklich das Waffenführungsverbot in Artikel 2 Absatz 5 des Vertrages. Das Waffenmonopol liegt klar bei der Polizei. Hält man eine bewaffnete Begleitung für notwendig, ist zwingend die Polizei zuständig. Das ist absolut richtig.“ ( 11 ) Wenn das für die gegenwärtig geltenden Regelungen in Bayern auch zutreffen mag, so ist es dennoch wiederum nur die halbe Wahrheit. Denn vollständig lautet Artikel 2 Absatz 5 dieses Vertrags: „Das Führen einer Waffe ist ausgeschlossen. Dies gilt nicht für die in Absatz 1 genannten Bediensteten (die Verwaltungsvollzugsbediensteten; d. Verf.), denen nach den Bestimmungen ihres eigenen Landes die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Waffen gestattet ist. Eine Waffe darf auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartner nur zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf Leib oder Leben einer Person gebraucht werden, wenn der Gebrauch das einzige Mittel zur Abwehr des Angriffs darstellt.“ Das heißt also, dass dieses von Herrn Schuster so ausdrücklich begrüßte Verbot allein per Vertrag sofort hinfällig wäre, sobald bayerische Verwaltungsvollzugsbedienstete, wie teilweise entsprechende Bedienstete in anderen Bundesländern, dazu befugt wären, hier Waffen zu führen. Und wenn es allen so wichtig und einsichtig ist, die Polizei bei Abschiebungen zu entlasten, könnte man sich das doch irgendwann als ebenso vernünftige, zusätzliche Entlastung vorstellen. Zu einem schon erwähnten Punkt zeigte Herr Schuster eine klare, pragmatische Haltung: „Ich habe mich auch gefragt, ob Bayern wie etwa Berlin oder das Saarland nach Artikel 2 Absatz 6 eine Unterrichtungspflicht einführen sollte. In diesem Fall müsste jedes Mal eine Meldung erfolgen, wenn ein Verwaltungsmitarbeiter eines anderen Bundeslandes eine Abschiebung nach Bayern begleitet. Das wäre reine Bürokratie und würde keinen Mehrwert bringen. Man kann darauf also verzichten.“ ( 12 ) Jedes Mal eine Meldung? - Nein! Natürlich kann man sich da unnötigen Aufwand ersparen! Zweifach sogar: Erstens den der Meldung selbst und zweitens – sogar für die ParlamentarierInnen, die solch einen Aufwand vielleicht betreiben würden – den einer parlamentarischen Kontrolle von solchen landesinternen Vorgängen. Denn, wenn diese Vorgänge einfach nicht bekannt sind, muss man die auch nicht kontrollieren. Bringt doch keinen Mehrwert! Aber wie sollte es, falls sie doch bekannt wären, überhaupt eine parlamentarische Kontrolle von Verwaltungsvollstreckungen geben, die hier zwar nach den Regularien des bayerischen Verwaltungsrechts erfolgen (sollen), deren Vollstrecker aber dienstrechtlich der Verwaltung eines anderen Bundeslandes unterstellt sind? Über entsprechende Amtshilfeverfahren oder länderübergreifende Parlamentsrechte, die dann wohl nötig wären, ist in diesem Vertrag der erklärten Rechtssicherheit (wohlweislich?) nichts zu erfahren. Gülseren Demirel (GRÜNE) fasste nach kurzer Ausführung zusammen: „Angesichts der ganzen Beispiele und der Erfahrungen mit Ihrer Abschiebepraxis ist es für Sie, glaube ich, keine große Überraschung, wenn wir diesem Staatsvertrag kritisch gegenüberstehen. Morgen werden wir es im Rechtsausschuss nochmal ausführlich diskutieren. Aber eine Zustimmung zu diesem Staatsvertrag wird von der GRÜNEN-Fraktion nicht kommen.“ ( 13 ) Das ist sehr zu begrüßen! Aber es wird leider nicht ausreichen, diesen Vertrag zu verhindern. Artur Hoch, 12. März 2021 1 Bayerischer Landtag, Drucksache 18/13385 vom 09.02.2021 http://007500/0http0://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/ 2 Hessischer Landtag, Plenar p rotokoll 20/39 vom 06.05.2020, S. 2949 http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//20/9/00039.pdf 3 Ebd., S. 2949 4 Bayerischer Landtag, Drucksache 18/13385 vom 09.02.2021, S. 6 und 7 http://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/ 5 Ebd., S. 7 6 Ebd., S. 8 7 Hessischer Landtag, Plenarprotokoll 20/42 vom 28.05.2020, S. 3261 http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//20/2/00042.pdf 8 Landtag von Sachsen-Anhalt, Stenografischer Bericht 7/9 vom 20.01.2020 https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/plenum/wp7/092stzg.pdf 9 Bayerischer Landtag, Plenarprotokoll 18/73 vom 24.02.2021 , S. 9454 https://www.bayern.landtag.de/webangebot2/webangebot/protokolle?execution=e2s1 10 Ebd., S. 9482 11 Ebd., S. 9486 12 Ebd., S. 9486 13 Ebd., S. 9483
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