Vorschlag

Der Stadtrat möge sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan aussprechen

Augsburger Flüchtlingsrat und Helferkreise pushen Resolution

25.7.2018

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Für die morgige Stadtratssitzung am 26. Juli liegt die unten dokumentierte Resolution vor. Schon auf seinen Protestkundgebungen gegen die Abschiebung von Geflüchteten nach Afghanistan im Dezember 2017 und im März 2018 machte der Augsburger Flüchtlingsrat bekannt, dass dem Stadtrat eine Resolution vorliegt. Es sollen keine Abschiebungen nach Afghanistan durchgeführt werden, alle Geflüchteten sollen Zugang zu Bildung und Arbeit bekommen, vor allem auch Geflüchtete in Ausbildung sollen besser geschützt werden vor Abschiebung. Die Resolution wurde vom Integrationsbeirat einstimmig beschlossen und von den Grünen in den Stadtrat eingebracht, damit Augsburg dem Beispiel anderer bayerischer Städte wie zum Beispiel München, Würzburg und Erlangen folgt. Die Stadtschülervertretung hat eine Online-Petition mit einem Appell an den Stadtrat zur Unterstützung der Resolution gestartet, die bislang von über 10.000 Menschen unterschrieben wurde.

Es hat nun über ein halbes Jahr gedauert, bis der Oberbürgermeister sich entschloss, den Resolutionsvorschlag des Augsburger Flüchtlingsrats und der Helferkreise auf die Tagesordnung zu nehmen. Von der empörenden Rechtsentwicklung der CSU in letzter Zeit in Sachen Flucht und Asyl blieb sicher auch die CSU-Fraktion und der Oberbürgermeister selbst, der immerhin stellvertretender Parteivorsitzender der CSU Bayern ist, nicht unberührt. Man kann nur hoffen, dass die CSU-Stadtratsfraktion in dieser Frage nicht geschlossen den Hardlinern der Parteiführung in München folgt. Wir hoffen also, dass die Resolution des Augsburger Flüchtlingsrats die CSU spaltet, und die mitregierende SPD sich erinnert, dass sie sich sozial und demokratisch nennt. Dann hätte die Resolution eine Chance. – Redaktion

 

Resolutionsvorschlag des Augsburger Flüchtlingsrates und der Helferkreise für den Augsburger Stadtrat

Stand: 10. Juli 2017

Der Stadtrat möge beschließen

    1. Der Augsburger Stadtrat spricht sich gegen Abschiebungen von im Ver­antwortungsbereich der Stadt Augsburg untergebrachten und lebenden Menschen nach Afghanistan aus. Er fordert die Regierung von Schwa­ben, den Freistaat Bayern und die Bundesregierung auf, keine Abschie­bungen nach Afghanistan durchzuführen.

    2. Auf allen unter (1) genannten Ebenen, aber auch im Bayerischen und Deutschen Städtetag, setzt sich die Stadt Augsburg dafür ein, dass alle Geflüchteten, unabhängig vom erwarteten oder tatsächlichen Ausgang des Asylverfahrens, Zugang zu Integrationsleistungen, zu Sprachkursen, Praktika, Ausbildung und Arbeit haben.

    3. Die Stadt Augsburg setzt sich in Bayern für eine wohlwollende Umset­zung der „3 plus 2-Regelung“ ein, die zu Gunsten der Antragsstellenden und ihrer Arbeitgeber/-innen ausgelegt wird und Geflüchteten in Ausbil­dung und Ihren Arbeitgeber/-innen mehr Rechtssicherheit bietet.


Begründungen

In Augsburg leben derzeit etwa 2360 Geflüchtete (1). Viele von ihnen sind zwi­schen 2014 und 2016 nach Augsburg gekommen. Die Aufnahme, Versorgung und Betreuung von Geflüchteten durch gesellschaftliche und politische Ak­teure ist vielfach motiviert durch humanitäre, christliche oder sonstig moralisch begründete Motivation. Sie ist darüber hinaus aber auch eine rechtsverbindli­che politische Aufgabe, die durch das Grundgesetz (Art. 16a) und die Genfer Flüchtlingskonvention begründet ist. Eine globale Perspektive macht zudem deutlich, dass die Fluchtursachen nicht allein in den Herkunftsländern Geflüch­teter begründet liegen. So stellt sich die Frage, inwiefern die Bundesrepublik ihrer konkreten Verantwortung gerecht werden kann. Eine Möglichkeit ist es, den von Unsicherheit geplagten Geflüchteten, in dem Land, in dem sie ankom­men und in der Stadt, in der sie leben, Sicherheit zu geben. Der Bearbeitungsstau der Grenzbehörden, die 2015 und 2016 nicht mehr in der Lage waren, Geflüchtete sofort nach ihrer Ankunft zu registrieren, sowie der Bearbei­tungsrückstau, der bereits vor 2015 bestand und sich dann aufgrund der per­sonellen Unterbesetzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) drastisch verschärfte, führt zu erheblichen Wartezeiten für Geflüchtete, die in der Regel Monate, oft auch Jahre auf die Bearbeitung ihres Asylan­trags warten müssen. Die damit einhergehende ständige Angst und Unsicherheit hat verheerende psychosoziale Konsequenzen. Sie leben sich ein, sie le­ben hier in Augsburg und sie knüpfen Kontakte. Deshalb ist es wichtig, Ge­flüchteten unabhängig von ihrer asylrechtlichen Situation Sicherheit und eine Perspektive zu ermöglichen.

zu 1.

Die Stadträte von München und Würzburg haben sich mehrheitlich gegen Ab­schiebungen nach Afghanistan ausgesprochen (2). Die Aussetzung von Abschie­bungen ist aus rechtlichen, ethischen und praktischen Gründen geboten, wes­halb auch der Augsburger Stadtrat entsprechend Position beziehen sollte.

Die Rückkehr der Geflüchteten nach Afghanistan ist in der jetzigen Situation allen vorliegenden Erkenntnissen nach unzumutbar, rechtswidrig und un­ethisch: Afghanistan ist gemäß § 29a AsylG kein „sicherer Herkunftsstaat“. Nach Einschätzung des UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern (Dezember 2016) ist „ein pauscha­lisierender Ansatz, der bestimmte Regionen hinsichtlich der Gefahr von Men­schenrechtsverletzungen [...] als sichere und zumutbare interne Schutzalter­native ansieht, [...] nicht möglich“ (3). UNHCR konstatiert eine Verschlechterung der Sicherheitslage. Es heißt in dem Bericht unter anderem: „Die Konflikt­parteien ergreifen keine ausreichenden Maßnahmen, um Zusammenstöße und zivile Opfer zu minimieren [.]. (4)“ Der Druck, mit dem unter anderem af­ghanische Geflüchtete zur „freiwilligen“ Ausreise gedrängt werden, hat traurige und skandalöse Konsequenzen zur Folge, wie die schweren Verletzungen, die Abdul Razaq Saber, der in Höchstädt wohnte, beim Anschlag am 31. Mai 2017 in Kabul erlitt (5). Wer übernimmt dafür und für weiteres, ähnliches oder gar noch schlimmeres Leid von Afghanen, die in Deutschland und Augsburg Sicherheit suchten, die Verantwortung? Auch wenn die Stadt Augsburg eine beschränkte rechtliche Handhabe über Asylentscheide und Abschiebungsanordnungen und -durchführungen bzgl. Afghanistan hat, so bedarf es eines zumindest politi­schen Zeichens der Stadt gegen Abschiebungen.

zu 2.

Die bereits thematisierten langen Wartezeiten vor und während des Asylver­fahrens machen den Zugang zu Integrationsleistungen wie Sprachkursen und Förderinstrumenten der Arbeitsverwaltung sowie Zugänge zu Praktika, Ausbil­dung und Arbeit unabdingbar. „Berufliche Integration ist die Kerndimension ge­sellschaftlicher Teilhabe.“ (Bandorski, Sonja (2013): Integration in unsichere Verhältnisse? Berufliche Integration im Einwanderungsland Deutschland, Waxmann: Münster u.a., S. 13) Nur wer die Sprache lernen darf, wer gefördert wird, wer vom Alltagsleben nicht ausgeschlossen wird, kann an der Gesell­schaft teilhaben und ein selbstbestimmtes Leben aufbauen. Die Arbeitsverwal­tungen haben zum Ziel, ihre Kund/-innen in Arbeit zu integrieren. Die Soziale Arbeit hat zum Ziel, Menschen zu einem selbstbestimmten Leben zu befähi­gen. Wenn diese grundlegenden Ziele, die für den sozialen Frieden in einer Gesellschaft unabdingbar sind, bundes- und landespolitisch durch Ausschluss­prinzipien torpediert werden, dann braucht es auf lokaler Ebene Initiativen, um eine win-win-Situation für alle herzustellen. In Betracht kommen u.a. (a) Sprachkurse für Asylbewerber/-innen, die von regelfinanzierten Sprachkursen ausgeschlossen werden, (b) die Einflussnahme auf die Agentur für Arbeit Augsburg, beispielsweise ausbildungsbegleitende Hilfen auch Menschen aus Nigeria, Pakistan, Afghanistan u.a. zu ermöglichen (die Bundesagentur für Ar­beit sieht für Ausbildungsförderungsinstrumente lediglich Geflüchtete aus Erit­rea, Irak, Iran, Somalia und Syrien vor), (c) die Einflussnahme auf die Auslän­derbehörde, ihren Ermessensspielraum bei der Erteilung von Arbeitserlaubnis­anträgen (für Praktika, Ausbildung, Beschäftigung) großzügig auszulegen.

zu 3.

Eng verknüpft mit der vorangegangenen Forderung, Geflüchtete nicht von In­tegrationsmöglichkeiten auszuschließen, ist die Forderung, die Anwendung der Ausbildungsduldung (sogenannte 3 plus 2-Regelung) zu Gunsten Geflüch­teter zu praktizieren. Das Bundesintegrationsgesetz vom 6. August 2016 sieht vor, Geduldeten, die in Ausbildung sind, auf Antrag eine Ausbildungsduldung zu erteilen. Diese garantiert, dass die Ausbildung beendet werden darf. Im An­schluss erhalten die Personen einen Aufenthaltstitel nach § 18a AufenthG, um noch zwei Jahre in einer ihrer erworbenen Qualifikation entsprechenden Be­schäftigung arbeiten zu können. Davon profitieren in besonderem Maße auch die Betriebe, die zum einen die Sicherheit erhalten, dass ihre Azubis nicht während der Ausbildung abgeschoben werden oder ein Arbeitsverbot erhalten, und für die sich zum anderen die Investition in den Azubi durch seine anschlie­ßende Beschäftigung im Betrieb zusätzlich lohnt. Wirtschaftsverbände und Kammern sprechen sich dementsprechend für eine wohlwollende Auslegung der Ausbildungsduldung aus. Das bayerische Staatsministerium des Innern (StMI) versucht hingegen, die Ausbildungsduldung durch Weisungen an die Ausländerbehörden so weit wie möglich zu verhindern. Dies führt soweit, dass Beschäftigungserlaubnisse bereits während des Asylverfahrens versagt wer­den, um etwaige künftige Ausbildungsduldungen prophylaktisch zu verhindern. Das StMI knüpft die Erteilung einer Beschäftigung- und Ausbildungsduldung an die Klärung der Identität, was für Geflüchtete oft ein schwieriges oder zu­mindest langwieriges Unterfangen ist. Zu dieser Situation stellt die IHK Bayern fest: „Der uneinheitliche Verwaltungsvollzug im Freistaat zermürbt Ausbil­dungsbetriebe, Flüchtlinge und Helferkreise. (6)“

Möglich wird die restriktive Auslegung in Bayern durch den vagen Gesetzes­wortlaut, den die Bundesregierung vorgegeben hat. So findet die Ausbildungs­duldung in den Bundesländern vollkommen unterschiedlich Anwendung. Die Ausländerbehörden haben jedoch einen relativ großen Ermessensspielraum.

So ist die Auslegung des Gesetzes auch innerhalb Bayerns höchst unterschiedlich. Um Geflüchteten und Betrieben die Sicherheit zu geben, die für ei­nen Ausbildungsprozess notwendig ist, und damit auch die lokale Wirtschaft zu unterstützen, bedarf es einer deutlichen Positionierung.

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Unterstützer

Folgende Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen unterstützen die Stadtratsresolution des Flüchtlingsrates und der Augsburger Helferkreise:

1) Flüchtlingsrat Augsburg
2) Freundschaftskreis Augsburger Flüchtlingsrat e.V.
3) Integrationsbeirat der Stadt Augsburg
4) Verdi Jugend Augsburg
5) VVN-BdA Augsburg
6) Diakonisches Werk
7) Geschäftsführung des Kolping-Bildungswerkes Augsburg e.V.
8) Landesschülervertretung Bayern
9) Contact in Augsburg e.V.
10) Africachild e.V.
11) Passarello / Eltern für Afrika e.V.
12) Dr. Hansjörg Bisle-Müller / ehemaliger Präsident der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft Augsburg e. V.
13) Karman, Verein zur Förderung interkulturellen Austauschs Augsburg
14) Lothar Roser, Diözesanvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung
15) Susanne Reng und Junges Theater Augsburg
16) Patrick Wengenroth, Brechtfestival
17) Sensemble Theater
18) Grand Hotel Cosmopolis
19) Tür an Tür
20) AKV – Augsburger kulturelle Vielfalt
21) KRANiCH e.V. Augsburg/Schwaben
22) ATEF e.V.
23) GEW Augsburg
24) medizinische Flüchtlingshilfe Augsburg e.V.
25) NADA – Stress- und Traumaakupunktur im Grandhotel
26) Franz Götz, Stadtpfarrer Herz-Jesu-Kirche
27) Christofer Kochs,„Roy“-Preisträger 2016
28) Peter Bommas, Geschäftsführer Kulturpark West und „Roy“-Preisträger 2015 & Vorsitzender des Kulturbeirats der Stadt Augsburg
29) FILL e.V.
- Arbeitskreis Flucht und Gesundheit
- Arbeitskreis Flucht und Trauma
30) Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten – Region Schwaben
31) Monsignore Pfr. Dr. Wolfgang Miehle, Nationaldirektor für d. Ausländerseelsorge bei d. Deutschen Bischofskonferenz
32) Pfr. Norbert Greim, ELKB (Evangelische Landeskirche Bayern)
33) Prof. em. Dr. Jost Eschenburg, UNA (Universität Augsburg)
34) Dr. Henry K. Ostberg, Akad. Dir. i.R., UNA (Universität Augsburg)
35) Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Augsburg
36) FAKSTHEATER AUGSBURG GBR
37) Bert Brecht Kreis Augsburg e.V., vertreten durch den Vorstan
38) Matteo – Kirche und Asyl
39) Kültürverein Augsburg e.V.
40) Neruda Kulturcafe
41) Stadtschülervertretung Augsburg
42) Unterstützerkreis Barfüßerkirche
43) Redaktion www.forumaugsburg.de

 

4 Ebd.


   
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